E-Mobilität: eine elektrifizierende Zukunft

Senior Portfolio Manager, RobecoSAM Smart Energy Strategy
RobecoSAM AG, Zürich
robecosam.com
08.12.2017
Herr Dr. Lang, was sind Ihre derzeitigen Prognosen für das Marktwachstum von Plug-in Hybridfahrzeugen versus rein elektrisch betriebener Fahrzeugen?
Unsere derzeitigen Schätzungen gehen von ca. sechs Millionen verkauften Plug-in Hybridfahrzeugen im Jahre 2020 aus, zusätzlich dazu addieren sich noch ca. drei Millionen rein elektrisch betriebene Fahrzeuge. Bei einem angenommenen Gesamtmarkt von ca. 100 Millionen verkauften Fahrzeugen ist diese Schätzung sicherlich nicht zu aggressiv. Mittel- bis langfristig werden sich rein elektrische Fahrzeuge durchsetzen, da sie bei Gesamtkostenbetrachtung (Anschaffung und Unterhalt) im Vergleich zu den Hybridfahrzeugen und den Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor einfach günstiger sein werden. Aufgrund der relativ hohen Benzinpreise wird dies in Europa übrigens zuerst eintreten, unserer Einschätzung nach schon ab den Jahren 2021 bis 2022. In Nordamerika und grossen Teilen Asiens wird dies dann ca. drei bis vier Jahre später der Fall sein.
Haben sich die Hoffnungen für die Wasserstoff-Brennstoffzellentechnik bestätigt oder nicht?
Bezüglich wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen sehen wir gegenwärtig nur beschränkte Entwicklungsaktivitäten. Jedoch wird Wasserstoff zukünftig wohl zunehmend als Energiespeicher für stationäre Anwendungen eingesetzt werden. So ist Wasserstoff, gewonnen über Hydrolyse aus Solarstrom, gut geeignet für saisonale Speicheranwendungen (überschüssiger Strom wird im Sommer in Wasserstoff umgewandelt, welcher dann im Winter über eine Brennstoffzelle wieder zurück in Strom konvertiert wird).
Welche Vorzüge machen reine E-Antriebe attraktiv?
Elektrisch betriebene Fahrzeuge haben zunächst den Vorteil eines wesentlich höheren Gesamtwirkungsgrades als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Zusätzlich kommt hinzu, dass die Endmontage eines Elektrofahrzeuges aufgrund des viel weniger komplexen Antriebsstranges und des sehr viel leichteren Elektromotors viel einfacher und schneller ist als die Endmontage eines Fahrzeuges mit konventionellem Antriebsstrang. Schätzungen gehen davon aus, dass ein Elektrofahrzeug ca. 25 Prozent weniger Montagezeit benötigt (unter 30 Stunden versus 40 Stunden für Fahrzeuge mit herkömmlichem Verbrennungsmotor).
Ein weiterer massiver Vorteil des Elektrofahrzeuges sind seine viel geringeren Betriebs-und Unterhaltskosten. Man hat sehr viel weniger bewegliche Verschleissteile, ein Ölwechsel ist nicht erforderlich, und ein Elektromotor hat eine sehr lange Laufzeit. Auch bei der Lebensdauer der Batterien wurden grosse Fortschritte gemacht. Tesla berichtet von in der Praxis ermittelten Reichweiten ihrer verwendeten Batterien, welche nach 250’000 km - unterstützt durch ein Kühlvsystem - noch bei tatsächlich 90 Prozent lagen, ein hervorravgender Wert! Mit den weiter prognostizierten Fortschritten in der Batterietechnologie werden Elektrofahrzeuge dann auch insbesondere geeignet sein für Vielfahrer wie Auslieferungsdienste und Car Sharing, etc.
Woher kommt der Optimismus und welche Hindernisse könnten der E-Mobilität (E-Autos) noch entgegenstehen?
Wir sind sehr optimistisch, was die Zukunft von Elektrofahrzeugen angeht und zwar aus vielfältigen Gründen. Zum einen erwarten wir, dass sich die Batteriekosten inklusive dem Batteriemanagementsystem bis zum Jahre 2020 auf ca. 100 US-Dollar/kWh weiter halbieren werden. Darüber hinaus werden weitere sehr wichtige Verbesserungen in der Leistungselektronik erzielt werden. Dies betrifft sowohl den Ladevorgang als auch die Steuerung des Energieflusses von der Batterie zum Motor und zurück. Neue Siliziumkarbid-basierte Halbleiter reduzieren die Umwandlungsverluste von der Batterie zum Elektromotor, der Leistungswandler selber wird in Zukunft beim Elektromotor integriert sein und hierdurch zusätzlich die Effizienz erhöhen.
Wir schätzen, dass über die anstehenden Verbesserungen in der Leistungselektronik sich die Reichweite eines Fahrzeuges bei gegebener Batteriekapazität um bis zu 20 Prozent (insbesondere im Stadtverkehr) erhöhen wird. Oder anders herum formuliert: bei gleicher Reichweite wäre somit weniger Batteriekapazität notwendig. Typische Batteriekapazitäten eines ab dem Jahre 2020 verkauften rein elektrischen Mittelklassewagens dürften so um die 60 bis 80kWh sein, dies würde Batteriekosten von ca. 6’000 bis 8’000 US-Dollar pro Fahrzeug entsprechen. Damit würden Batteriekosten nur noch ca. 20 bis 25 Prozent der Gesamtkosten eines Fahrzeuges ausmachen, eine signifikante Reduktion von über 40 Prozent der derzeitigen Gesamtkosten. Und selbst das wird übrigens bei weitem noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Die Kostenreduktionen in der Batterieherstellung werden auch bis weit ins nächste Jahrzehnt anhalten.
Für den weitergehenden Erfolg der Elektromobilität wird es sehr wichtig sein, das Netz der Ladestationen fortlaufend zügig auszubauen. So hat beispielsweise China mit einem Programm einer Gesamtinstallation von ca. fünf Millionen Ladestationen bis 2020 eine sehr ambitionierte Zielgrösse. Im Vergleich dazu hinken Europa und insbesondere Deutschland weit hinterher. Generell sehen wir auch bei den Schnellladestationen ein sehr hohes Innovationstempo. So sind ca. 10 bis 15 Minuten Ladezeit bis zur Batterievollladung schon heute darstellbar.
Wer wird sich durchsetzen? Tesla - oder haben auch die alteingesessenen Automobilhersteller eine reelle Chance auf dem Markt der E-Mobilität zu reüssieren?
Tesla hat ein hervorragendes Markenimage. Werte wie Innovationskraft, Technologieführerschaft oder auch nur der «Coolness»-Faktor werden vom CEO Elon Musk in geradezu perfekter Weise verkörpert. Die Firma musste bisher fast keine Ausgaben für das Marketing tätigen, man kann sich das Erscheinen bei der IAA in Frankfurt sparen.
Wir würden auch nicht unterschätzen, wie sehr Tesla über die letzten Jahre massiv in Infrastruktur wie Ladestationen und Kundendienstcenter investiert hat. 90 Prozent der auftretenden Fahrzeugprobleme können über Funkübertragung aus der Entfernung identifiziert werden, der Garagenbesuch wird vorbereitet und läuft dann sehr zeit-und kostensparend ab. Auch bezüglich des Managements der Zuliefererkette und der Sicherstellung der Grundrohstoffe für die Batterien ist Tesla führend. Und jetzt kommt das Model 3, welches als bisher wichtigstes Elektrofahrzeug die Automobilindustrie aufmischen wird.
Wir sehen natürlich auch, dass die deutsche Automobilbranche nun endlich aufgewacht ist, und sich den Forderungen der Elektromobilität stellt. Gerade ab 2019/2020 ist eine ganze Serie an neuen, rein elektrischen Fahrzeugen zu erwarten. Wichtig ist, dass diese Fahrzeuge zukünftig auf einer eigenen für den Elektroantrieb optimierten Plattform stehen werden.
Sie haben gerade darauf hingewiesen, wie die Realität die europäischen Automobilanbieter eingeholt hat. Wie sieht es auf dem wichtigen chinesischen Automarkt aus? Hier haben einige deutsche Hersteller Joint Ventures mit chinesischen Herstellern - was sehen Sie hier für Entwicklungen?
Die chinesische Regierung hat sehr ambitionierte Ziele bezüglich der Elektromobilität formuliert und arbeitet derzeit an einem Zeitplan, bis wann die Produktion und der Verkauf von Verbrennungsfahrzeugen eingestellt werden soll. Weitere Details werden bald bekanntgegeben - bisher kennen wir nur die kurzfristigen Ziele. So sollen beispielsweise im Jahre 2020 ca. drei Millionen Elektrofahrzeuge (Plug-in und rein elektrisch) neu zugelassen werden.
Der chinesische Markt ist bisher sehr fragmentiert und wird weitgehend von chinesischen Akteuren dominiert. Um ihre eigene industrielle und intellektuelle Basis zu stärken, hat China den Zugang ausländischer Akteure beschränkt. So favorisiert die Regierung Partnerschaften zwischen chinesischen und ausländischen Firmen. Aufgrund seiner schieren Grösse bleibt der chinesische Markt natürlich für westliche Lieferanten der Gesamtwertschöpfungskette interessant. Als Zuliefererfirmen profitieren auch Halbleiterhersteller wie Infineon, welche die in Elektrofahrzeugen und Ladestationen eingesetzten Leistungshalbleiter nach China liefern.
Können Sie auch über die Batteriehersteller etwas sagen?
Es wird schon eine gewisse Herausforderung sein, dem zu erwartenden Anstieg an Batterienachfrage mit entsprechender Kapazitätsausweitung zu begegnen. Besonders interessant wird hierbei sein, inwieweit der zu erwartende Anstieg an Nachfrage für die Grundrohstoffe Lithium, Kobalt und Graphit durch einen entsprechendes zusätzliches Angebot abgedeckt werden kann. Insbesondere die Kobaltversorgung könnte einige Schwierigkeiten bereiten. Wir gehen davon aus, dass die Batterieindustrie auch deshalb versuchen wird, den Anteil des Kobalts an der Kathode zu verringern.
Welche Chancen/Risiken gibt es für die Automobilzulieferer?
Die Wertschöpfung im Fahrzeugbau wird sich signifikant verändern, weg von eher mechanischen und hydraulischen Komponenten hin zu mehr Elektronik, getrieben durch Elektrifizierung, automatisiertes Fahren und Vernetzung der Fahrzeuge. Das Fahrzeug der Zukunft könnte einem mobilen Computer ähneln, die Passagiere können automatisch zum Zielort fahren und, falls erwünscht, ihre Zeit bis dorthin produktiv nutzen.
Die Automobilzulieferer versuchen sich auf dieses veränderte Wettbewerbsumfeld einzustellen, der unumkehrbare Wandel ist erkannt. So hat beispielsweise Continental neulich auf einer Strategieveranstaltung ihre Erwartungshaltung publik gemacht, dass die wohl letzte konventionelle Antriebsplattform eines europäischen Anbieters im Jahre 2023 lanciert wird.
Da Elektromobilität ohne eine effiziente elektrische Leistungssteuerung auf allen Ebenen nicht gut funktionieren wird, und damit der Anteil der (Leistungs-)Halbleiter pro Fahrzeug weiter stark zunehmen wird, stufen wir in dem gegenwärtigen Wettbewerbsumfeld insbesondere die Halbleiterfirmen wie Infineon, ON Semiconductor, Power Integrations, Monolithic Power oder auch Cree als interessant ein.
Thiemo Lang ist als Senior Portfolio Manager für die RobecoSAM Smart Energy Anlagestrategie zuständig. Vor seinem Eintritt bei RobecoSAM 2007 war er Senior Portfolio Manager bei Lombard Odier Darier Hentsch et Cie., wo er den Technologiefonds Infology mit Fokus auf Energietechnologien und neue Materialien mit verwaltete. Zudem leitete er verschiedene Anlagefonds und institutionelle Fonds und war verantwortlich für die Konzeption und den Start der Activest-Lux NanoTech Strategie bei Activest (HypoVereinsbank) in München. Er begann seine Investmentkarriere im Jahr 1999 als Technologieanalyst bei Activest, bevor er zum Portfolio Manager befördert wurde. Thiemo Lang hat Elektrotechnik an der Universität Stuttgart studiert und an der Polytechnischen Hochschule Grenoble in der Fachrichtung Optik/Photonik promoviert.