«Eigentümergeführte Unternehmen haben immer einen Plan B»

Senior Portfoliomanagerin - Entrepreneur Strategien
Bellevue Asset Management AG, Küsnacht ZH
bellevue.ch
15.08.2022
Frau Olsen, wie sieht ein vielversprechendes Familienunternehmen aus? Welche Generation soll es sein? Welche Führungsstruktur und Marktstrategie?
Die Krise als Chance zu betrachten - das ist die Devise eigentümergeführter Unternehmen. Wer keinerlei Kapitalengpass kennt und stets eine offene Tür bei kreditgebenden Finanzinstituten geniesst, kann perspektivisch handeln. Eigentümergeführte Unternehmen haben einen sehr langen Atem, dank ihrer soliden Bilanzen und ihrer unternehmerischen Weitsicht. Zudem haben sie immer einen Plan B.
Die Managementstrukturen in diesen Unternehmen sind effizient, die Gremien sind deutlich kleiner und die Entscheidungswege kürzer. Das ermöglicht eine starke Innovationsfähigkeit mit höheren Budgets für Forschung und Entwicklung, mehr Wachstum, höheren Margen und Rentabilität sowie einem deutlich besseren Risikoprofil. Die Zweitgeneration ist für Anleger erfahrungsgemäss die Risikoreichste.
Kann die Outperformance von Familienunternehmen gegenüber dem Gesamtmarkt anhand entsprechender Indexvergleiche oder Studien empirisch belegt werden?
Neben mehreren Studien zeigt dies exemplarisch der «Credit Suisse Family Total Return Index». Seit Indexlancierung im März 2002 haben familiengeführte Unternehmen mit 671 Prozent eine Verdoppelung der Rendite gegenüber managergeführten Firmen erzielt, Stand 2020.
Wie erklären Sie sich mögliche Outperformance von Familienunternehmen? Was machen diese anders in punkto Expansion und Finanzierung?
Wachstum wird konservativ über die selbst generierten Cashflows und nicht über Schulden finanziert. Die Geschäftsmodelle können visionär sein, die Finanzierung dafür sehr konservativ. Nicht selten halten die Unternehmen Nettoliquidität, was sie auch im aktuellen Umfeld steigender Zinsen resistent macht. Dies führt auch dazu, dass Zugang zu Kapital nie einen Engpass darstellt und Banken auch in der tiefsten Krise gerne solche Kreditoren pflegen. Diese solide Bilanzsubstanz verleiht den Unternehmen hohe Flexibilität. Strategische Weiterentwicklungen, Investitionen und Innovationen müssen vor konjunkturellen Krisen nicht weichen. Dadurch kommen eigentümergeführte Unternehmen gestärkt durch die Krisen, mit höheren Marktanteilen und positivem Wachstumsmomentum.
Welchen Einfluss haben die aktuelle Konjunkturabkühlung bei gleichzeitig hoher Inflation und der Ukraine-Krieg sowie Chinas Lockdown auf Ihre Anlageentscheidungen? Was machen Sie derzeit anders, zum Beispiel Branchenallokation defensiver?
Thema Nummer eins ist aktuell die Inflation. Die letzten Daten aus den USA könnten auf eine Beruhigung des steilen Wachstums deuten, was allmählich positiv wäre. Das Umfeld bleibt aber sehr anspruchsvoll für Unternehmen, denn alle Kosten steigen quer durch die Erfolgsrechnung, die bestellten Komponenten kommen nicht rechtzeitig an, der Vorhof ist voller halbfertiger Produkte und das rechtzeitige Reservieren von Logistikkapazitäten gestaltet sich äussert kompliziert. Es lohnt sich spezifisch reinzuschauen, denn das Bild ist recht heterogen. Manche Unternehmen haben ein gewisse Preisgestaltungsmacht und die Nachfrage gestaltet sich etwas preis-unsensitiver. Überhaupt haben viele Unternehmen schon deutliche Korrekturen erlitten, und es gilt jetzt den Stift zu spitzen, denn es gibt Opportunitäten. Technologiewerte haben zum Beispiel deutlich abgegeben. Nicht wenige haben sich im Kurs halbiert und es gab einen regelrechten Abverkauf bei Tech-Werten. Es ist meiner Meinung nach zu spät, defensiv zu sein und ein gemischtes Portfolio mit Value, Wachstumswerten und GARP (growth at a reasonable price) lohnt sich am besten. Auch Zykliker sollen dabei berücksichtigt werden.
Welche drei familiengeführten Small Caps und welche drei familiengeführten Large Caps sind derzeit Ihre Favoriten und warum?
Bei Small Caps präferieren wir aktuell Ipsos, Swissquote und Subsea7. Ipsos ist ein Marktforschungsinstitut, was in den letzten Jahren zunehmend digital aufgestellt wurde und dessen erster Kunde Google war. Noch nie war es wichtiger zu wissen, was Konsumenten und Wähler denken! Swissquote ist eine erfolgreiche Online-Bank, die strukturell davon profitiert, dass Anleger zunehmend nicht alles bei ihrer alteingesessenen «Vertrauensbank» verwalten lassen, sondern selber aktiv Entscheidungen treffen und anlegen. Subsea profitiert von den stark zunehmenden Investitionsprogrammen im Bereich alte und neue Energie. Bei Large Caps mögen wir die deutsche Merck, die spanische Infrastrukturgruppe Ferrovial und die finnische Stora Enso, der zweitgrösste Waldeigentümer weltweit.
Link zum Disclaimer
Birgitte Olsen, CFA, Senior Portfolio Manager Aktien Europa, trat 2008 bei Bellevue Asset Management ein. Davor war sie über neun Jahre bei Generali Investments in Köln als Stellv. Leiterin für das Portfolio Management Aktien Europa zuständig. Als Fund Manager (Deutschland und Skandinavien) arbeitete sie 1997 und 1998 bei Vontobel Asset Management in Zürich. Birgitte Olsen startete ihre Karriere in der Finanzbranche 1994 als Sell-Side Analyst bei der Bank am Bellevue für die Sektoren Versicherungen und Pharma. Sie hat ein Studium in Finanz- und Rechnungswesen an der Universität St. Gallen abgeschlossen.