«Ein aussergewöhnlicher Jahresauftakt»

17.04.2020
Herr Winistörfer, wie hat sich die Krise auf die Umsätze bei ETFs und im Segment «Sponsored Funds» ausgewirkt?
Die Verunsicherung durch Covid-19 hat sich Mitte des ersten Quartals von Asien aus auf die europäischen und amerikanischen Märkte ausgeweitet. Gegen Ende Februar zeichnete sich dann ab, dass nicht nur mit einem kurzen Produktionsunterbruch in Teilen Chinas, sondern weltweit mit starken Beeinträchtigungen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens gerechnet werden muss. Die Auswirkungen schlugen sich rasch an den Märkten nieder und lösten massive Verkäufe aus. Dies führte an der Schweizer Börse wiederum zu rekordverdächtigen Handelsaktivitäten: Im ersten Quartal betrug das Handelsvolumen im ETF-Segment 38.03 Mrd. Schweizer Franken, was einem Anstieg von 23 Prozent gegenüber dem vierten Quartal 2019 entspricht. Die Anzahl Transaktionen hat sich gegenüber dem letzten Quartal mit 511‘162 gar mehr als verdoppelt. Im ETF-Bereich beobachteten wir zudem grössere Portfolioverschiebungen, die ihren Peak Ende Februar und anfangs März erreichten. Während diesen Tagen verzeichneten wir, gemessen an der Anzahl Transaktionen, die bisher höchste Handelsaktivität überhaupt. Auch im Segment der «Sponsored Funds» konnten wir zum Jahresauftakt eine hohe Volatilität feststellen. Mit einem Transaktionsvolumen von 1.14 Mrd. Schweizer Franken - dem höchsten Umsatz bis dato - wurde bereits zum dritten Mal seit der Einführung des Segments die Milliardengrenze überschritten. Auch hier haben wir überdurchschnittlich viele Abschlüsse registriert: Mit einem Anstieg auf 4‘086 Transaktionen hat sich der Wert im Vergleich zum Vorquartal beinahe verdoppelt.
Nach der Ankündigung umfangreicher fiskal- und geldpolitischer Massnahmen vieler Staaten Mitte März hat die Verunsicherung abgenommen. Dies ist an der Kurserholung der Finanzmärkte deutlich sichtbar. Trotz dieser Beruhigung geht der diesjährige März als bisher stärkster Handelsmonat in unsere Bücher ein.
Sind eigentlich Ihre Handelssysteme voll automatisiert oder wie kann man als Aussenstehender sich das vorstellen?
Seit wir die elektronische Börse 1996 eingeführt haben, werden die Aufträge der Händler über die Eingabe an einem Computer in den Gebäuden der Finanzinstitute verarbeitet. Durch die technologische Entwicklung hat sich die Infrastruktur der Schweizer Börse über die Jahre stetig verbessert und ist effizienter geworden. So können zeitgleich eine Vielzahl von Orders automatisch und parallel verarbeitet werden. Die Handelsaufträge werden über unsere Systeme abgeglichen und die Preisbildung einer bestimmten Wertschrift findet im Bruchteil einer Sekunde statt.
Dieses Jahr wird «20 Jahre ETFs an der Schweizer Börse» gefeiert. Ist die Planung schon angelaufen?
Seit der Lancierung des ETF-Segments im September 2000 mit zwei Produkten auf STOXX-Indizes hat die Schweizer Börse ein bemerkenswertes Wachstum verzeichnet. Nur fünf Monate später folgte der erste ETF auf den führenden Swiss Market Index SMI, der an der Börse konstant zu den Top-Handelsprodukten gehört. Über die Jahre hinweg konnte das Angebot dank unseren Kunden - Produktanbietern, Market Makern und Investoren - stetig ausgebaut werden und beläuft sich seit Ende März auf 1‘569 ETFs. Diese Erfolgsgeschichte wollen wir dieses Jahr gebührend feiern und trotz der aktuellen Lage sind die Vorbereitungen bereits im Gange. Auch wenn einige Anlässe verschoben werden mussten, planen wir, den Umständen Rechnung tragend, eine angemessene ETF-Jubiläumsfeier im Herbst durchzuführen.
Kommen auch dieses Jahr viele weitere ETFs und neue Emittenten an die Börse?
Die hohe Volatilität im ersten Quartal hat der Kotierungsaktivität keinen Abbruch getan. Insgesamt wurden 38 neue ETFs an der Schweizer Börse kotiert - darunter auch jene von Credit Suisse Asset Management, die als neuer ETF-Emittent zu uns gestossen ist. Bis zur Jahreshälfte erwarten wir viele weitere Listings, auch von Neu-Emittenten - bereits in den nächsten Wochen werden wir HANetf an der Schweizer Börse begrüssen dürfen. Unsere Kunden schätzen den umsatzstarken Schweizer Handelsplatz und die stabile Infrastruktur der Schweizer Börse. So ist es nicht erstaunlich, dass sich das Listingverhalten gerade in turbulenten Zeiten nicht eintrübt. Darüber hinaus freuen wir uns auf weitere Market Maker und Emittenten im ETP-Bereich, die unsere Produktevielfalt ergänzen werden.
Und wie laufen die Produkte auf Kryptowährungen?
Seit Jahresbeginn wurden sieben neue ETPs mit Kryptos als Basiswert an der Schweizer Börse kotiert. Am beliebtesten bleiben nach wie vor Bitcoin und Ethereum. Die volatile Marktlage befeuerte natürlich auch den Handel im Krypto-Segment, das an der Schweizer Börse auch zahlreiche Strukturierte Produkte umfasst, sodass wir im vergangenen Quartal erfreuliche Handelsumsätze verzeichneten. Insgesamt belief sich das Volumen auf knapp 200 Mio. Schweizer Franken und die Anzahl Abschlüsse stieg auf 8‘260.
Wir blicken auf einen aussergewöhnlichen Jahresauftakt mit hoher Handelsaktivität zurück und sehen uns in diesen unruhigen Zeiten gut für die Zukunft aufgestellt.
Link zum Disclaimer
Kay Winistörfer ist seit 2019 bei SIX tätig und durchläuft das hauseigene Graduate Program. Dort ist er als Sales Manager in der Geschäftseinheit Securities & Exchanges mitverantwortlich für die Betreuung bestehender sowie die Akquisition neuer Produktemittenten im Bereich ETFs und ETPs, die er bei der Lancierung von Produkten unterstützt und durch den Kotierungsprozess führt. Ferner pflegt er die Kundenbeziehungen zu den Market Makern und ist zuständig für die Weiterentwicklung und Vermarktung des ETF- sowie ETP-Segments. Kay Winistörfer verfügt über einen Master of Arts in Banking and Finance der Universität St. Gallen.