«Ein Kühlschrank spricht Bände über seinen Besitzer»

07.07.2015
Herr Stassopoulos, man liest und hört häufig von Ihnen in internationalen Medien wie «The Economist» oder auf «BBC». Was sind die Gründe für Ihre Bekanntheit?
Unser «Grassrootsansatz» ist wohl sehr ungewöhnlich und bringt viele neue Einsichten zu Trends in Emerging Markets, daher stammt wohl das Interesse. Zum Beispiel, um die Konsumausgaben zu verstehen werfen wir einen Blick in die Kühlschränke von Menschen in unterschiedlichen Schwellenländern.
Kühlschränke sind nämlich mehr als einfach nur Geräte zum Kühlen, ihre Inhalte sprechen Bände über ihre Besitzer. Ihre Verbreitung ist ein Indiz für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes. Der Kühlschrank und seine Inhalte können also als Richtschnur für Anleger dienen, die sich ein Bild von den Konsumausgaben in Schwellenländern machen wollen.
Sie sind also «Mr. Fridgeonomics»…
Den Eindruck habe ich manchmal. Verbraucher in Schwellenländern lassen sich nicht so einfach in Kategorien unterteilen. Analysen wie Einkommen, Menschen pro Zimmer oder elektronische Geräte geben ein unklares Bild, wenn kein festes Einkommen besteht. Küchen bieten da ein ehrlicheres Spiegelbild. Hinter der Kühlschranktür verbergen sich zahlreiche Informationen, die uns helfen können zu verstehen, wer die Verbraucher in Schwellenländern sind und wie sie ihr Geld in Zukunft ausgeben werden. In 13 Schwellenländern von Chile bis China haben wir die Inhalte von über 100 Kühlschränken analysiert und herausgefunden, dass Kühlschränke den Status eines Haushalts widerspiegeln. Warum ist das wichtig? Wenn wir verstehen, wie sich die Geschmäcker der Menschen bei steigendem Einkommen verändern, können wir ausrechnen, wie wir in die Entwicklung des Verbrauchers investieren, sobald die Kühlschrankrevolution durch einen Markt fegt.
Was macht Ihren Job so ganz besonders?
Persönlich und natürlich auch für das Portfolio ist das Reisen schon was Besonderes. Wir bleiben dabei nicht in Luxushotels beim Flughafen, sondern besuchen die Menschen auf dem Land sowie in der Stadt. Zum grossen Teil auch in den unteren Einkommensschichten, denn diese werden die Konsumenten von Morgen sein.
Solch ein Grassroots Research ist nicht für jeden. Um sicherzugehen, dass unsere Analysten das aushalten, habe ich den «Chili-Crab-Test» erfunden. Für dieses asiatische Gericht frittiert man Krabben mit Chilis und Knoblauch. Es schmeckt fantastisch. In Hongkong lade ich die Analysten zum Chili-Crab-Essen an der Strassenecke ein. Es ist zwar nicht immer sehr hygienisch, aber schmeckt super. Wenn ein Analyst das ablehnt und lieber Sushi auf dem Hoteldach isst, weiss ich genau, dass er für unsere Reisen nicht geeignet ist. Das würde er oder sie nie durchstehen.
Wie können Sie Ihr Wissen von den vielen Reisen in Ihre Arbeit als Portfolio Manager einbringen?
Wo gibt es einen Automarkt, der sich in den nächsten fünf Jahren verdoppelt? Brasilien und Russland sind naheliegende Kandidaten, aber hätten Sie auch an Chile, die Ukraine und Vietnam gedacht? In den Emerging-Markets-Ländern ist es noch schwieriger, die nächsten Konsumtrends zu identifizieren. Wer mit den klassischen Methoden versucht, interessante Konsumwerte aus den Emerging-Markets-Indizes herauszufiltern, setzt unserer Ansicht nach zu stark auf etablierte Unternehmen. Oft findet man auf diese Weise nur die Gewinner von gestern.
Wir arbeiten beim Grassroots-Ansatz wie Unternehmen die neue Märkte erschliessen wollen. Wir wollen die Trends ausfindig machen und dann auf die Unternehmen mit dem meisten Potenzial setzen. Alles natürlich mit dem richtigen Ertrags-Risiko-Profil.
Welche Investoren sollten sich den Emerging Consumer Fonds genauer anschauen?
Die ist eine Anlage für Investoren, die am gewaltigen Wachstum der Emerging-Markets- Konsumenten teilhaben wollen. Wir setzten auf langfristige Veränderungen wie neue Essensgewohnheiten, die wachsenden Zahl von Senioren in Emerging Markets oder den Tech Trend in China. Wir sehen dieses Themenportfolio als relativ unkorreliert zu gewöhnlichen Schwellenländerfonds und im Vergleich auch weniger volatil.
Tassos Stassopoulos trat 2007 als Research Analyst für europäische Konsumaktien bei AB ein. Zudem ist er Sector Head für den Konsumsektor in den Teams International Research Growth und Global Research Growth. Davor war Stassopoulos Managing Director bei Credit Suisse. Dort verbrachte er sieben Jahre, von denen er sechs als Senior Analyst und Sector Head für paneuropäische Reise- und Freizeitunternehmen tätig war. Während dieser Zeit rangierte er zweimal auf Platz 1 unter den Analysten in seinem Sektor in der Umfrage des Fachmagazins «Institutional Investor». Er besitzt einen MA in Wirtschaftswissenschaften von der Cambridge University, St. John‘s College, und ist Mitglied des Institute of Chartered Accountants.