Eine globale Krise erfordert eine globale Antwort: in welche Welt investieren Sie?

Manager Investors‘ Council & Leadership Initiatives
Global Impact Investing Network (GIIN), New York City
thegiin.org
12.06.2020
Herr Amstutz, das Global Impact Investing Network (GIIN) ist in Europa nicht jedem Finanzprofi ein Begriff. Was sind die Vision und Mission sowie der Mehrwert des Netzwerks?
Erlauben Sie mir kurz mittels unserer Definition von Impact Investing etwas Kontext zu schaffen. Impact-Investitionen sind Investitionen in Unternehmen, Organisationen und Fonds mit der Absicht, neben einer finanziellen Rendite auch positive, messbare soziale und ökologische Wirkung zu erzielen. Impact-Investitionen können sowohl in aufstrebenden als auch in entwickelten Märkten über verschiedene Anlageklassen hinweg getätigt werden und zielen auf ein breites Spektrum von Renditen ab, die je nach den Zielvorgaben der Investoren von unterdurchschnittlich bis zu marktüblichen Renditeerwartungen variieren.
Beim GIIN besteht unsere Mission darin, Impact-Investitionen auf der ganzen Welt zu fördern und sowohl dessen Marktumfang als auch dessen Effektivität zu erhöhen. Dies geschieht im Rahmen unserer umfassenden Zielsetzung, die vorsieht, dass die Dimension Impact (Wirkung auf Umwelt und Gesellschaft) zu einem Teil aller Investitionen wird, dass jeder Anleger, ob gross oder klein, institutionell oder privat, überall auf der Welt, bei jeder Investitionsentscheidung bewusst an die Wirkung denkt und diese steuert.
Das GIIN arbeitet mit einer globalen Gemeinschaft von über 300 formellen Mitgliedern zusammen, die in über 40 Ländern auf sechs Kontinenten in einem grösseren Netzwerk von über 30’000 Mitgliedern vertreten sind.
Unsere Arbeit beim GIIN konzentriert sich darauf, unsere Mitglieder dabei zu unterstützen, möglichst wirkungsvolle Investoren zu werden. Daher helfen wir ihnen, voneinander zu lernen, neue Ansätze zur Wirkungserzeugung zu identifizieren und die besten Praktiken zu entwickeln, um mit ihrem Geld einen positiven Einfluss auf die Welt auszuüben.
Impact Investing als Teil der Sustainable-Finance-Bewegung ist global auf dem Vormarsch. Welches Kundensegment ist für das Marktwachstum hauptsächlich verantwortlich?
Wir beobachten ein wachsendes Interesse an Impact-Investitionen aus der ganzen Welt. Es ist eine ausgesprochen interessante Zeit, denn immer mehr Anleger erkennen die Möglichkeit, dass sie mit ihrem Investitionskapital einen bedeutenden, positiven Beitrag leisten können. Wir sehen, dass das Wachstum von Anlegern aus allen Bereichen angetrieben wird, von grossen institutionellen Anlegern, die sich auf die langfristige Performance konzentrieren und soziale und ökologische Auswirkungen als Teil ihrer langfristigen Strategie mit einbeziehen. Wir sehen auch das Interesse von Family Offices und vermögenden Privatpersonen, die sich Gedanken über die positiven Auswirkungen machen, die sie erzielen können, und darüber, welche Welt sie künftigen Generationen hinterlassen werden. Und nicht zuletzt sind auch Kleinanleger an Impact-Investitionen interessiert, weil sie unter anderem die Notwendigkeit einer grösseren Wirkung und Nachhaltigkeit im Investitions- und Unternehmenssektor sehen.
Viele etablierte Marktteilnehmer, darunter institutionelle Anleger, Stiftungen, Pensionsfonds, Family Offices und Versicherungsgesellschaften, sehen jetzt eine echte Chance, in nachhaltige Lösungen für soziale und ökologische Herausforderungen zu investieren. Untersuchungen zeigen, dass Impact-orientierte Investoren, die auf marktgerechte Renditen abzielen, diese erreichen können. Im jüngst publizierten GIIN Annual Impact Investor Survey 2020 gaben 99 Prozent der Investoren an, dass ihre Impact-Performance-Erwartungen erreicht wurden. Noch beeindruckender ist die Erkenntnis, dass über zwei Drittel der Befragten (67 Prozent) eine risikobereinigte, marktgerechte Renditen für ihre Vermögenswerte anstreben und 88 Prozent der Befragten auch ihre finanziellen Renditeerwartungen erfüllt haben.
Wo liegen die Grenzen für diese Vermögensklasse respektive den Anlageansatz?
Wir sehen Impact-Investitionen über alle Anlageklassen hinweg vertreten. Eine Beobachtung, die wir gemacht haben, ist, dass viele Impact-Investoren mit einer bestimmten Strategie beginnen, wie zum Beispiel nachhaltige Landwirtschaft oder Mikrofinanz, und dann ihr Engagement via verschiedene Sektoren und mittels unterschiedlichen Anlageklassen erweitern. Die Vermögensklassen, in denen wir die meisten Impact-Investitionen sehen, sind Private Equity, Private Debt und Realkapital, aber wir beobachten grundsätzlich ein wachsendes Interesse von Impact-Investoren. Wir beobachten auch ein wachsendes Interesse von Anlegern, die versuchen, über die Auswirkungen nachzudenken, die sie in jeder einzelnen Anlageklasse ihres Portfolios haben können.
Investoren werden mit Anlageprodukten überflutet, die Nachhaltigkeit und Impact versprechen - wie können sie sich da optimal zurechtfinden?
Wenn Investoren Impact-Investitionen tätigen wollen, ist es wichtig, dass sie nicht nur über ihre Wirkungsabsichten nachdenken, sondern auch darüber, wie sie echte Impact-Ergebnisse erzielen können. Hier kann IRIS+ eine wertvolle Ressource sein, weil es ein umfassendes System für Wirkungsmessung und -management ist.
Ein zentraler Aspekt für Investoren ist es, sich darüber im Klaren zu sein, welche Art von Impact sie erzielen wollen, und dann die entsprechenden Opportunitäten zu identifizieren, die ihnen helfen, diesen Impact zu erzielen. Wir sind der Meinung, dass eine der besten Möglichkeiten, die Strategie zu artikulieren, die Verwendung der SDGs (Sustainable Development Goals) sind. Und wir haben ein umfassendes System namens IRIS+, das ein ganzheitliches Instrument zur Messung und Verwaltung von Impact ist. IRIS+ bietet eine kostenlose Online-Möglichkeit für Investoren, mit einem übergreifenden Ziel wie beispielsweise der Förderung der Geschlechtergleichheit oder der Verbesserung des Zugangs zu erneuerbarer Energie zu beginnen und die spezifischen Anlagestrategien und die individuellen Impact-Kennzahlen, die zu diesem Ziel beitragen, zu analysieren. Dies kann ein effektiver Weg sein, um die spezifischen Ziele eines Investors zu identifizieren, und bietet uns dann die Möglichkeit, das zu ordnen, was er im Hinblick auf bestimmte Produkte und Investitionsmöglichkeiten sucht. Daher würde ich auch empfehlen, dass sich jede Anlegerin und jeder Anleger, die/der sich zum ersten Mal mit Impact-Investitionen beschäftigt, die Kerncharakteristika von Impact-Investitionen auf der Website des GIIN genauer anschaut. Denn diese skizzieren die grundlegenden Erwartungen, wie ein guter Impact-Investment-Ansatz aussehen sollte, und sind eine gute Referenz für jeden Investor, der beginnt, sich mit Impact-Investment-Möglichkeiten auseinanderzusetzen.
Darüber hinaus empfiehlt es sich für Investoren, die neu in Impact-Investments investieren, sich in einem darauf spezialisierten Netzwerk zu engagieren. Natürlich bietet sich das GIIN als eine Möglichkeit an, aber es gibt auch andere Netzwerke, je nach Interesse des Investors. Solche Plattformen bieten wichtige Anknüpfungspunkte, um mehr über den Impact-Investing-Ansatz und Markt zu erfahren, die eigenen Kompetenzen zu verfeinern, Beziehungen zu seinen Peers zu pflegen und Best Practices in Erfahrung zu bringen. Weitere Informationen über die Mitgliedschaft im GIIN finden Sie unter thegiin.org/about-membership.
Welche Rolle kann Impact Investing im Umgang mit der durch Covid-19 hervorgerufenen Gesundheitskrise und den daraus resultierenden wirtschaftlichen Herausforderungen einnehmen?
Ich denke, dass Impact Investing eine entscheidende Rolle spielt, um die Erholung von der Covid-19-Krise voranzutreiben. Und als Teil der sofortigen Reaktion kommt die Führungsrolle natürlich in erster Linie von Seiten der Regierungen, um auf die Gesundheitskrise zu reagieren. Es gibt jedoch bestimmte Finanzierungsbedürfnisse, die sich abzeichnen, bei denen Investoren eine wichtige Rolle spielen können, um den Zugang zur Gesundheitsversorgung zu verbessern oder zur Nahrungsmittelversorgung und zur Unterstützung gefährdeter Bevölkerungsgruppen im weiteren Sinne beizutragen. Mit dem Übergang von der Reaktionsphase zur Erholungsphase werden wir uns weltweit in einem sehr wichtigen Wiederaufbauprozess wiederfinden. Deshalb ist es für uns wichtig, darüber nachzudenken, was für ein System wir aus dieser Krise heraus aufzubauen versuchen. Und meine Hoffnung ist es, dass wir einige wichtige Lehren aus dieser Krise ziehen konnten und verstehen, dass wir in Zukunft ein inklusiveres, regeneratives und widerstandsfähigeres System aufbauen müssen. Und während wir darüber nachdenken, wie wir dieses neue System konzipieren können, sind Impact-Investments von entscheidender Bedeutung, um Geld in den Unternehmen einzusetzen, die die Bedürfnisse aller Stakeholder, von den Arbeitnehmern bis zum Planeten selbst, erfüllen. Ich denke, die Disziplin, die Impact-Investoren entwickelt haben, indem sie Kapital einsetzen, um gezielt positive Wirkung zu erzielen, wird für die Wirtschaft insgesamt enorm wertvoll sein, wenn es darum geht, das System besser aufzubauen.
Das GIIN hat kürzlich die «Response, Recovery, and Resilience Investment Coalition» (R3 Coalition) ins Leben gerufen, eine marktweite, globale Koalition, die darauf abzielt, die Anstrengungen im Bereich der Impact-Investments zur Bekämpfung der weitreichenden sozialen und wirtschaftlichen Folgen von Covid-19 zu koordinieren.
Link zum Disclaimer
Claude Amstutz ist seit April 2020 als Manager Investors‘ Council & Leadership Initiatives beim Global Impact Investing Network (GIIN) in New York City angestellt. Zuvor war er beim WWF Schweiz als Senior Advisor Sustainable Finance hauptverantwortlich für die Engagement-Arbeit mit dem Schweizer Bankensektor, der 2. Säule, dem Vermögensverwaltungssektor sowie den dazugehörigen Stakeholdergruppen. Weiter verfügt er über 15 Jahre Erfahrung in der Schweizer Finanzindustrie. Als Investment Consultant und Key Account Manager bei ENISO Partners, Bank Sarasin und Credit Suisse fungierte er beratend für institutionelle Anleger, mit Fokus auf nachhaltige und regelbasierte Investitionsstrategien. Claude Amstutz verfügt über einen Business Bachelor in Betriebswirtschaftslehre und hält weitere finanz- und bankspezifische Zertifizierungen (CSIA, CIFB). Darüber hinaus ist er in mehreren Beiräten im Bereich Sustainable Finance engagiert (Mitglied des FNG-Siegel Komitee, Mitglied des Beirats für nachhaltige Versicherungen).