«Eine Re-Orientierung auf die Fundamentaltreiber des Sektors ist durchaus gesund»

22.10.2015
Frau Haueter, im 3. Quartal mussten viele Biotech-Aktien einen Teil der Gewinne des laufenden Jahres wieder abgeben. Was waren die Gründe dafür und wie hat sich BB Biotech entwickelt?
Einerseits sorgte die Schwäche in den Schwellenländern für Volatilität in den breiten Aktienmärkten, wovon auch der Biotech-Sektor betroffen war. Zudem kam der Sektor noch mehr unter Druck, nachdem Preisdiskussionen um Medikamente erneut ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückten. In Zahlen ausgedrückt verlor der Nasdaq Biotech Index im 3. Quartal 17,9 Prozent in US-Dollar, während der NAV von BB Biotech ebenfalls in US-Dollar 17,7 Prozent (Schweizer Franken -14,2 Prozent) nachgab. Die BB Biotech Aktie konnte sich mit einem Verlust von 10,1 Prozent in US-Dollar (Schweizer Franken -6,3 Prozent) etwas besser halten. In den ersten neun Monaten des Jahres belief sich BB Biotechs Gesamtrendite auf 13,8 Prozent in Schweizer Franken und 16 Prozent in US-Dollar. Da wir die Korrektur als übertrieben bewerteten, reinvestierten wir die Cash-Position von rund 200 Mio. US-Dollar sowie 90 Mio. Schweizer Franken in geliehenem Kapital in existierende Portfoliofirmen und zu einem geringeren Teil in zwei neue Positionen.
Sie haben die erneut aufgeflammte Preisdiskussion angesprochen. Wird diese weiter anhalten und wie ist BB Biotech dafür positioniert?
Die Diskussion wurde in den USA von der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton angestossen. Im Fokus waren dabei einige wenige sogenannte «Specialty Pharma» Firmen, welche dafür bekannt sind, die Preise von alten Medikamenten zu erhöhen. Allerdings stimmte dies die Investoren generell negativ gegenüber dem Gesundheits-Thema und führte zu vermehrten Mittelabflüssen aus dem Sektor. Clinton’s Ideen sind nicht neu - ähnliches wurde bereits in der Vergangenheit vorgeschlagen und stiess auf grossen Widerstand im Kongress. Sollten wir es tatsächlich in der Zukunft mit einem preissensitiveren Umfeld in Amerika zu tun haben, denken wir dennoch, dass innovative Medikamente, welche einen grossen medizinischen Bedarf abdecken, auch in Zukunft adäquate Preise verlangen können. Die Integration von Kosten/Nutzen-Analysen wird aber so wichtig sein wie noch nie bei der Evaluation neuer Investments. Der Fokus auf Innovation ist ein zentraler Bestandteil der Investmentphilosophie von BB Biotech und wir denken deshalb, dass wir gut aufgestellt sind für ein solches Preisumfeld.
BB Biotech hat mehr als 30 Unternehmen im Portfolio. Da gab es im 3. Quartal sicherlich viele Neuigkeiten zu verzeichnen. Könnten Sie uns einige davon hervorheben?
Im 3. Quartal wurden viele neue Produktzulassungen in den USA verzeichnet, die unsere Portfoliofirmen Regeneron, Vertex, Tesaro und Novo Nordisk betrafen. Letztere konnte auch auf der klinischen Front ein positives Update zu ihrem Wirkstoff Semaglutide liefern. Auch Gilead konnte mit ihrer Kombination von Sofosbuvir und Velpatasvir bei allen Genotypen von Hepatitis C hohe Heilungsraten berichten. Ein enttäuschendes Update kam hingegen von Tetraphase, als eine Phase-III-Studie in Harnwegsinfektionen den primären Endpunkt überraschend verfehlte, obwohl eine Einleitungsstudie positive Ergebnisse gezeigt hatte. Entsprechend gross war die Reaktion im Markt: Der Titel verlor über 75 Prozent. Dies ist ein typisches Beispiel für das Risiko in der Medikamentenentwicklung und unterstreicht die Wichtigkeit eines diversifizierten Portfolios.
Haben Sie die aktuelle Marktschwäche genutzt, um neue Positionen aufzukaufen?
Ja, wir haben in diesem Quartal mit Esperion und Prothena zwei neue Beteiligungen aufgebaut, die sich gut in unsere Strategie einfügen, nach der wir den Anteil von Mid Caps im Portfolio ausbauen wollen.
Esperion entwickelt einen Wirkstoff für die Reduktion von LDL-Cholesterol bei Patienten, die mit Statinen keinen genügenden Therapieeffekt haben oder die Statine gar nicht vertragen. Das Unternehmen verzeichnete einiges an Volatilität über das letzte Quartal. Anfangs waren Investoren verunsichert, als die Indikation für Regeneron’s Praluent weniger breit ausfiel als erwartet. Als Esperion bekanntgab, dass sie eventuell eine kardiovaskuläre Langzeitstudie vor der Zulassung abschliessen müssen, gab es weiteren Druck auf den Kurs. Wir haben die Position bei Schwäche ausgebaut und sind weiterhin vom Langzeit-Potenzial der Firma überzeugt.
Ausserdem haben wir Prothena gekauft, die einen Antikörper für die Behandlung von AL-Amyloidose entwickelt. Die Erkrankung ist geprägt von toxischen Proteinablagerungen in verschiedenen Organen und die Lebenserwartung nach Diagnose ist je nach betroffenen Organen zwischen einem und drei Jahren. Der Antikörper soll diese Proteinablagerungen abbauen. Erste Biomarker-Daten waren vielversprechend und das Produkt befindet sich zurzeit in einer Phase-III-Studie, welche noch einige Zeit dauern wird. Im Dezember werden wir weitere Updates aus der laufenden Phase-II-Studie erhalten.
Was dürfen Anleger im letzten Quartal noch vom Biotech-Sektor erwarten?
Generell rechnen wir mit weiterer Volatilität im Sektor, mit der Preisdiskussion als wichtigem Bestandteil der demokratischen Präsidentschaftskampagne bis zu den Primaries und eventuell darüber hinweg. Auch die rege Übernahmeaktivität des ersten Halbjahres ist im dritten Quartal praktisch zum Stillstand gekommen und entsprechende Fantasien sind in der Zwischenzeit verflogen. Wir denken, dass eine Re-Orientierung der Investoren zu den nach wie vor starken Fundamentaltreibern des Sektors durchaus gesund ist. Die meisten Firmen haben zudem in weiser Voraussicht die gute Performance für Finanzierungsrunden benutzt und sind nun ausreichend kapitalisiert, um ihre Produktkandidaten unabhängig von den Finanzmärkten voranzutreiben. Echte Innovation, die das Hauptaugenmerk auf das Patientenwohl und die Nachhaltigkeit des Gesundheitssystems setzt, wird auch in Zukunft belohnt werden und wir denken, dass ein dichter Nachrichtenfluss und positive Updates letztendlich in den Kursen reflektiert werden.
Lydia Haueter ist 2011 zu Bellevue Asset Management gestossen und arbeitet als Research Analyst für die Beteiligungsgesellschaft BB Biotech AG. Sie hat an der ETH Zürich studiert und 2011 in der Fachrichtung Systembiologie mit Auszeichnung abgeschlossen.