«Eine Verschnaufpause wird es nicht geben»

Head of iShares Sales Germany, Austria, Eastern Europe / Head of iShares Europe Wealth and Retail
BlackRock, München ishares.com/de
28.07.2014
Herr Grüner, wie sieht die Marktstellung von iShares ETFs in Deutschland aus?
iShares hat drei grosse Produktplattformen in Europa. Eine in Dublin, eine in Zürich und eine in München. Unsere Münchner Plattform hat mittlerweile eine Grösse von 52 Mrd. US-Dollar erreicht. Dies macht uns zum grössten ETF-Anbieter in Deutschland, da ungefähr 75 Prozent der Assets auf dieser Plattform von deutschen oder österreichischen Kunden gehalten werden. Je nachdem wie gross Sie den Gesamtmarkt in Deutschland einschätzen, beträgt unser Marktanteil zwischen 40 Prozent und 45 Prozent.
Was sind die Hauptgründe für diesen überragenden Erfolg?
Es gibt hier sicherlich eine ganze Reihe von Gründen. Am wichtigsten schätze ich ein, eine lokale Plattform in Deutschland zu haben. Dies ermöglicht von deutschen Privatkunden, Vertriebspartern und institutionellen Kunden ein erwartetes tägliches Reporting (z.B. steuerliches Reporting, Solvency, VAG und viele andere), das über Jahre genau auf deutsche regulatorische Anforderungen abgestimmt wurde sowie steuerliche Behandlung der ETFs nach deutschem Steuerrecht. Ein zweiter wichtiger Punkt ist Produktqualität und Konstruktion. Als grösster Anbieter physisch hinterlegter ETFs profitieren wir ganz klar von der Kundenpräferenz für klar nachvollziehbare Produkte relativ zu synthetischen ETFs, zudem haben wir über mehr als zehn Jahre und über verschiedene Zyklen hinweg in Deutschland bewiesen, dass unsere Produktqualität im Sinne von günstigsten Handelskosten sowie ausgesprochen guter Replizierung relativ zur Benchmark immer wieder Massstäbe setzt. Als letzten Punkt möchte ich unser breit aufgestelltes Team anführen, das durch seine Grösse und dem Anspruch als Marktführer in der Lage ist, erstklassigen Kundenservice zu bieten. Wir haben über 30 Mitarbeitende quer über alle Funktionen für iShares in Deutschland stationiert: Vertrieb, Kundenservice, Hotline, Portfolio Management, Marketing, Legal, Compliance, Kapitalmarktexperten und vieles mehr. Wir sind eben nicht nur ein Vertriebsoffice, sondern sind in der Lage, unsere Kunden ganzheitlich aus Deutschland heraus zu betreuen.
Legen Sie nun mal erst eine Verschnaufpause ein oder drücken Sie weiter aufs Gaspedal?
Da treffen Sie eines meiner Lieblingsthemen. Ein klares Nein zur Verschnaufpause. Wenn wir als europäische Führungsmannschaft einmal im Monat zusammentreffen, diskutieren wir in kleiner Runde gerne Fallstudien, die nicht immer nur mit Finanzwirtschaft zu tun haben. Es gibt unzählige Beispiele von Marktführern in zahlreichen Industrien, die diese Position eingebüsst haben. Wir werden auf keinen Fall unsere Ansprüche zurückfahren. Unsere Kunden erwarten weiterhin von uns höchste Qualität, Innovation und hohen Kundenservice und schlussendlich, dass wir uns mit verändernden Kundenbedürfnissen ebenfalls ändern. Sollten wir das nicht schaffen, verdienen wir auch die Marktführerschaft nicht. Wir investieren weiter in Deutschland, um dies zu gewährleisten. So haben wir erst letzten Monat drei neue Mitarbeiter in Deutschland hinzugewonnen und auch im August freuen wir uns auf eine neue Mitarbeiterin.
Können Sie verraten, in welche Richtung Ihr Wachstum gehen wird?
Unsere Kernstrategie hat weniger mit dem Ausbau von Marktanteilen relativ zu Wettbewerbern zu tun. Wir sind vornehmlich daran interessiert, den ETF-Markt als Ganzes wachsen zu sehen und investieren dementsprechend. Ich sehe vier grosse Wachstumsfelder: zwei auf der Produktseite und zwei auf der Vertriebsseite. Zunächst bin ich überzeugt, dass sich der ETF auch in Privatkundenportfolios und bei Vertrieben durchsetzen wird. Regulatoren in ganz Europa forcieren Produkttransparenz und klare Gebührenstrukturen für Finanzinstrumente. Der ETF als Finanzinstrument ist hier besser aufgestellt als jedes andere Finanzinstrument und wird deswegen in Bankvertrieben, bei unabhängigen Vermögensverwaltern, Direktbanken, unabhängigen Beratern und Endkunden weiter Marktanteile gewinnen. Wir werden unser iShares Vertriebsteam in Deutschland in diese Richtung signifikant verstärken und haben bereits damit begonnen. Ausserdem sehe ich nach wie vor grosse Wachstumsfelder im institutionellen Geschäft. Der ETF ist durchaus geeignet, andere Finanzinstrumente wie z.B. Futures, Einzelaktien oder Bonds zu ersetzen, da er in vielen Fällen günstiger zu handeln und einfacher zu administrieren ist. Auf der Produktseite sehe ich weiterhin sehr hohes Potential im Fixed-Income-Bereich, auch hier ist der ETF in vielen Fällen liquider als einzelne Bonds und bei weitem einfacher zu handeln. Das Wachstumspotential hier ist enorm. Abschliessend glaube ich, dass wir auch im Bereich alternativer Indexkonstruktion, dem sogenannten «Smart Beta», wir bevorzugen den Ausdruck «Strategic Beta», noch viel Raum für Produktinnovationen haben.
Jüngst hat BlackRock/iShares eine Core-ETF-Serie an den Start gebracht. Was ist deren Vorteil?
Die iShares Core ETFs sind die Reaktion auf die Bedürfnisse einer neuen ETF-Kundengruppe, dem sogenannten Buy-and-Hold Investor, und tragen oben genannter Strategie Rechnung, den ETF-Markt als Ganzes in neuen Kundensegmenten zu entwickeln. Ursprünglich sind unsere ETFs oftmals als Handelsinstrument genutzt worden, um schnell und günstig ein gewisses Marktexposure auf- oder abzubauen. Es gibt aber ein weiteres Kundensegment, das unsere ETFs langfristig im Kern eines Portfolios halten will - dies trifft sowohl für langfristig orientierte institutionelle Kunden als auch auf Privatpersonen zu, die z.B. ihre Altersvorsorge effizient anlegen wollen. Bei längerfristigen Halteperioden treten Management-Gebühren in den Vordergrund und sind zum Teil wichtiger als günstige Handelskosten. Genau diesen Anforderungen trägt unsere Core Series Rechnung - mit nur 10 einzelnen ETFs können 80 bis 90 Prozent eines langfristig orientierten diversivizierten Kernportfolios effizient und äusserst kostengünstig abgebildet werden - und das natürlich mit der gewohnten iShares Qualität und Konstruktion.
Wie hat der Markt darauf reagiert?
Unsere Kunden haben sich sehr über diese Entwicklung gefreut. Wir haben ja die Core Series in den USA schon vor 18 Monaten lauciert und wussten, dass wir auch in Europa auf grosses Kundenbedürfnis stossen würden. Seit Auflage vor acht Wochen haben uns unsere Kunden mehrere Milliarden Euro in diesen Produkten anvertraut und ich glaube, wir können jetzt schon feststellen, dass wir hier ein grosses Kundenbedürfnis adressiert haben. Ich freue mich sehr über den guten Start und bedanke mich für das Kundenvertrauen.
Denken Sie, die Kosten haben einen so grossen Einfluss oder dient es mehr dem Marketing?
Dies hat mit Marketing relativ wenig zu tun sondern ist einfache Mathematik. Je länger Sie einen ETF (oder generell jedes Finanzinstrument) im Portfolio halten, desto entscheidender sind die laufenden Kosten (im ETF-Geschäft die sogenannten Verwaltungsgebühren). Für langfristig orientierte Anleger ist neben der Produktqualität die Verwaltungsgebühr entscheidend.
Physisch repliziert oder Swap-basiert, ist das Thema durch?
Hier fasse ich mich kurz, ja - das Thema ist aus unserer Sicht durch. Der Kunde hat entschieden und so sind in den letzten drei Jahren 80 bis 90 Prozent der ETF-Mittelneuzuflüsse in physisch replizierende ETFs geflossen. Das sind mehr als 50 Mrd. Euro.
Wir sagen seit jeher, dass wir die physische Architektur als die bessere ansehen. Wo immer eine physische Replikation möglich ist, sollte diese auch zum Einsatz kommen - warum Dinge unnötigerweise komplizieren, wenn es auch einfach und transparent geht? Es freut uns, dass mehr und mehr Wettbewerber sich dieser Sicht anschliessen und auf physische Replikation umstellen. Somit wird die gesamte Industrie für unsere Kunden transparenter und vor allem vergleichbarer.
Michael Grüner ist Managing Director und Mitglied der Geschäftsführung von BlackRock in Deutschland. Er verantwortet seit 1. Januar 2012 das iShares Geschäft in Deutschland, Österrreich und Osteuropa. Seit 1. Januar 2014 ist er zusätzlich verantwortlich für das gesamte Wealth- und Retail-Geschäft von iShares in Europa. Er verbringt viel Zeit mit Vertriebspartnern und Regulatoren in ganz Europa und ist davon überzeugt, dass sich der ETF auch im Endkundengeschäft durchsetzen wird, entweder getragen durch regulatorische Veränderungen oder sich ändernde Kundenbedürfnisse - oder beides.