«Einige grosse Biotechunternehmen werden aktuell deutlich unter ihrem fundamentalen Wert gehandelt»

20.04.2018
Herr Dr. Koller, blicken wir kurz zurück: Wie ist das erste Quartal 2018 an den Aktienmärkten verlaufen?
Die Aktienmärkte starteten mit grossen Schwankungen ins Jahr 2018. Die 2017 begonnene Rally setzte sich im ersten Quartal 2018 zwar kurzzeitig fort, im Februar drehten die Märkte jedoch angesichts der Straffung der Fiskalpolitik in den USA ins Minus und im März gerieten sie aufgrund des sich androhenden Handelskrieges zwischen den USA und China erneut ins Stocken. Der S&P 500 Index tendierte im Quartal mit einer Rendite von -0.8 Prozent stabil, der Dow Jones Index gab 2.0 Prozent nach und der Nasdaq Composite Index legte um 2.6 Prozent zu. Im Gegensatz zu den US-Märkten, die dank der Abwertung des US-Dollars teilweise Gewinne verbuchten, verloren die Indizes in Europa an Boden.
Ist diese Tendenz auch im Gesundheitssektor erkennbar?
Der Gesundheitssektor folgte den breiter gefassten US-Aktienindizes. Medikamentenhersteller standen im Zeichen von Spekulationen über niedrigere Arzneimittelpreise. Neue Vorschläge, wonach unter anderem die Kostenträger Rabatte mit den Patienten teilen sollen und anhaltende Debatten über eine wertbasierte Preisbildung für Arzneimittel schüren weiterhin kurzfristige Sorgen über den Arzneimittelsektor und andere Subsektoren im Gesundheitswesen. Der MSCI World Healthcare Index und der Nasdaq Biotechnology Index entwickelten sich seitwärts.
Trotzdem hat sich BB Biotech gut entwickelt…
Ja, trotz des Gegenwinds an den Aktienmärkten legte die BB Biotech-Aktie um 8.8 Prozent in Schweizer Franken zu. Der Innere Wert blieb im Wesentlichen unverändert.
Was haben Sie im ersten Quartal an Ihrem Portfolio verändert?
Angesichts der Turbulenzen an den Aktienmärkten haben wir die bestehenden Portfoliopositionen sorgfältig angepasst. Gewinnmitnahmen aus den Beteiligungen bei Agios, Neurocrine, Sage, Alnylam und Gilead haben wir in Unternehmen wie Tesaro, Ionis und Regeneron investiert, die attraktive Wiedereinstiegspunkte boten. Gleichzeitig haben wir das Engagement bei Akcea Therapeutics und Voyager Therapeutics ausgebaut.
Haben Sie auch neue Beteiligungen ins Portfolio aufgenommen?
In Anknüpfung an die auf innovative kleine und mittlere Firmen ausgerichtete Strategie haben wir das Privatunternehmen Moderna Therapeutics ins Portfolio aufgenommen, das ein Pionier bei einer neuen Klasse von mRNA-Therapeutika ist. In seiner Pipeline befinden sich unter anderem Kandidaten für Impfstoffe und Behandlungen in verschiedenen Therapiebereichen. Wir haben 70 Mio. US-Dollar in die Series G-Finanzierungsrunde von Moderna investiert und damit das Engagement im Bereich RNA-Technologie ausgeweitet, dessen Portfolioanteil am Ende des ersten Quartals bei 19 Prozent lag.
Die zweite neue Portfolioposition im ersten Quartal 2018 ist Argenx, welche über eine Antikörper-Plattform mit mehreren Produktkandidaten in der mittleren bis späten Phase der klinischen Prüfung verfügt.
Welche positiven Studienergebnisse haben wir im 1. Quartal sehen dürfen?
Novo Nordisk präsentierte positive Ergebnisse für oral verfügbares Semaglutid zur Behandlung von Typ-2-Diabetes. Alder veröffentlichte positive Ergebnisse zu Eptinezumab zur Vorbeugung von chronischer Migräne. Bei einem Drittel der Patienten verringerte sich die Zahl der Migränetage gegenüber Baseline um 75 Prozent. Sollte die Zulassung erteilt werden, wird Alder Eptinezumab voraussichtlich 2019 auf den Markt bringen. Alexion hat positive Daten zu seinem Komplementinhibitor ALXN-1210 zur Behandlung von PNH-Patienten publiziert. In der zweiten Jahreshälfte 2018 soll die Zulassung in den USA, der EU und in Japan beantragt werden.
Gab es auch Zulassungen?
Im ersten Quartal 2018 hat die FDA die Marktzulassung für Produkte von zwei Portfoliounternehmen erteilt. Gilead erhielt die Zulassung für die Dreifach-Kombinationstherapie Bictarvy für HIV-Patienten. Vertex erhielt die Zulassung für Symdeko. Zielgruppe dieser dritten Therapie von Vertex gegen zystische Fibrose sind Patienten mit homozygoter oder heterozygoter F508del-Mutation.
Waren Rückschläge zu verzeichnen?
Wir waren enttäuscht über die Ablehnung des Zulassungsantrags (Refuse-to-File-Mitteilung) für Ozanimod von Celgene bei Patienten mit rezidivierender Multipler Sklerose durch die FDA. Und Radius erhielt einen Negativbescheid der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) für Adaloparatid-sc zur Behandlung von Osteoporose bei postmenopausalen Frauen.
Was dürfen Anleger in den kommenden Monaten erwarten?
2018 werden voraussichtlich wichtige Meilensteine im Biotech-Sektor erreicht, die zur Überwindung des vorübergehenden Stimmungstiefs im ersten Quartal beitragen werden. Einige grosse Biotechnologieunternehmen werden aktuell deutlich unter ihrem fundamentalen Wert gehandelt, sodass Pipelineerfolge und Übernahmen die Kennzahlen und Bewertungen positiv beeinflussen dürften. Im restlichen Jahr dürften die Ergebnisse klinischer Spätphase-Studien und Produktzulassungen den Wert der BB Biotech-Aktie nach oben treiben. Ausserdem werden sich die M&A-Aktivitäten voraussichtlich fortsetzen. Pharmaunternehmen und grosse Biotechnologiefirmen haben ein reales Interesse am Erwerb führender Technologien bekundet.
Dr. Daniel Koller trat 2004 bei Bellevue Asset Management ein und ist als Senior Portfolio Manager im Bereich Biotechnologie mit Spezialgebiet Herz-Kreislauf-Krankheiten tätig. Seit 2010 ist er Head Management Team der börsenkotierten Beteiligungsgesellschaft BB Biotech AG. Vor seinem Eintritt bei Bellevue Asset Management war er während vier Jahren in der Finanzindustrie tätig, zuerst in der Funktion als Aktienanalyst bei UBS Warburg, danach als Private-Equity-Investor bei equity4life. Daniel Koller studierte Biochemie an der ETH Zürich und doktorierte im Bereich Biotechnologie während seiner Tätigkeit bei Cytos Biotechnology.