Einstiegspotenzial im Anleihenmarkt?

24.03.2020
Herr Tumbrägel, die Aktienmärkte verzeichneten enorme Ausschläge. Wie sah das Bild im globalen Zinsmarkt aus?
In der Tat sind die Zins- und Creditmärkte den Aktienmärkten hinsichtlich Schwankung und Dislokation vergleichbar. Ein Blick auf den Staatsanleihen-Sektor, insbesondere Bundesanleihen, zeigt das enorme Ausmass der Verunsicherung. So haben Save Haven Flows zu Beginn der Krise Renditen für Bundesanleihen auf ein All Time Low von annähernd -0,90 Prozent gedrückt. Als wenig später aber klar wurde, dass die Bundesrepublik Deutschland eine exorbitante fiskalische Unterstützung leisten muss und daher eine signifikante Ausweitung der Staatsverschuldung zu erwarten ist, hat sich innerhalb weniger Tage ein Gegentrend etabliert, im Zuge dessen die Rendite wieder auf -0,20 Prozent angestiegen ist.
In allen anderen Sektoren des Rentenmarktes herrschte ähnlich wie im Aktienmarkt Panik, so dass Investoren sich von allem trennen, was durch den globalen Lock Down in Mitleidenschaft gezogen wird. Anleihen aus dem Energie-, Transport- oder Autosektor sind je nach Bonität überproportional betroffen, Anleihen grosser Banken verzeichnen deutliche Abschläge, und auch die Bonität von Luxusgüterherstellern wird angezweifelt. Das Ausmass der Bewegungen lässt sich am Kursverlauf der High-Yield-Anleihe von Whiting Petroleum verdeutlichen (siehe Grafik). Whiting Petroleum ist ein amerikanisches Öl-Explorationsunternehmen, CCC geratet und natürlich stark abhängig von Öl-Nachfrage und Preis. Ohne tatsächliche Neuigkeiten zur Firma selbst bricht der Anleihekurs um mehr als 80 Prozent ein.
Der Anleihemarkt ist punkto Volumen viel grösser als der Aktienmarkt. Gab es genügend Liquidiät?
Der Anleihemarkt ist im Wesentlichen ein Over-the-Counter-Markt, in dem Investoren mit Investmentbanken oder Brokern Geschäfte schliessen. In Zeiten hoher Risikowahrnehmung werden alle Marktteilnehmer deutlich vorsichtiger. Was man dann vornehm als «Kaufzurückhaltung» bezeichnet, ist faktisch eine Panik und in der Folge kommt der Handel fast vollständig zum Erliegen. Investmentbanken versuchen ihre Bestandspositionen in den Markt zu drücken, ETFs müssen angesichts hoher Mittelabflüsse um jeden Preis Liquidität schaffen und dies führt dazu, dass selbst AAA geratete Titel sich kaum noch verkaufen lassen. Aktiv gehandelt werden aktuell nur noch Staatsanleihen.
Ein weiterer Faktor, der die Handelbarkeit von Anleihen einschränkt, sind die Kaufprogramme der Notenbanken, die zum einen den Markt sehr eng machen und dazu führen, dass relativ sichere Titel nicht auf den Markt kommen.
Da Anleihen in Folge der fehlenden Liquidität nur mit sehr grossen Abschlägen zu handeln sind, nutzen Investoren zunehmend CDS-Indizes, um sich abzusichern. Einer der bekanntesten Credit-Indizes, der Itraxx Main, setzt sich aus 125 Investment-Grade- Emittenten zusammen und wird ähnlich wie ein Aktienindex zur Absicherung von Portfolien genutzt. Im Zuge dieser Absicherungstransaktionen sind die Risikoprämien für CDS deutlich stärker angestiegen als die Creditspreads von Anleihen derselben Emittenten.
In welchem Ausmass sind sie als Fixed Income Asset Manager von der Dislocation der Credit-Märkte betroffen?
Neben den Draw Downs haben wir, wie alle in der Branche, mit Abflüssen oder drohenden Abflüssen zu kämpfen. Hier kommt ein ganz wesentlicher Faktor ins Spiel, der die Tätigkeit als Fondsmanager aktuell sehr erschwert: Für die Liquidität von Fondsanteilen ist die Liquidität des jeweiligen Zielmarktes ohne Belang. So kann in einem gewöhnlichen UCITS- Fonds ein Investor täglich zum NAV seine Anteile zurückgeben, der Rücknahmekurs gilt unabhängig von der Anzahl der Fondsanteile, mindert sich also nicht, wenn viele Anteile zurückgegeben werden. Der Portfoliomanager ist jetzt gezwungen, die benötigte Liquidität kurzfristig bereitzustellen. Wenn im Markt keine Nachfrage vorhanden ist, können Verkäufe nur mit grossen Preisabschlägen realisiert werden. Dies geht letztlich zu Lasten aller verbleibenden Investoren sowie zu Lasten des Asset Managers.
Sehen Sie eine Lösung für dieses Problem?
Ein einzelner Asset Manager kann da wenig ausrichten. Ich denke aber, dass in einer Extremsituation, wie wir sie derzeit haben, eine branchenweite temporäre Veränderung der Rückgabemöglichkeiten allen helfen würde. Ich kann mir gut vorstellen, dass auch Investoren Verständnis hätten, wenn vorübergehend beispielsweise eine «Notice Period» für Rückgaben von fünf Arbeitstagen eingeführt würde, um so den Handlungsspielraum der Portfoliomanager zu vergrössern.
Sind einzelne Fonds besonders betroffen?
Wie bei vielen anderen Fondsmanagern leiden wir unter der Illiquidität, der allgemeinen Ausweitung der Credit Spreads und der in diesem Umfeld zusätzlich schwierigen Bewertung der Bestände.
In unser Investment-Grade-Strategie haben wir ein Durchschnitts-Rating von A und haben die stark betroffenen Sektoren gemieden, so dass wir keine Ausfallrisiken sehen. Vielmehr sind die Renditen durch den Preisverfall so stark angestiegen, dass ein Einstieg durchaus attraktiv ist.
Im Rahmen unserer Credit-Basis-Strategie sichern wir sämtliche Bonitätsrisiken durch den Kauf von Kreditausfallversicherungen ab. Da wir hier fast ausschliesslich High-Yield-Anleihen nutzen, leidet die Strategie unter dem Anstieg der Liquiditätsprämien für Anleihen. Derzeit übertrifft die Rendite einzelner Anleihen im High-Yield-Segment die Kosten für eine Ausfallversicherung auf denselben Emittenten um bis zu 400 Basispunkte. Wenn man also die Anleihe kauft und sich gleichzeitig durch einen CDS gegen einen Ausfall des Emittenten absichert, verbleibt eine Rendite von 4 Prozent.
Das klingt, als sehen Sie sowohl für High-Yield- als auch für Investment-Grade- Anleihen Neueinstiegsniveaus erreicht?
In der Tat stimme ich Ihnen für die meisten Investment-Grade-Emittenten zu. Insbesondere werden die scheinbar unbegrenzten Ankaufsprogramme der Zentralbanken zu Stabilisierung des Marktes führen. In diesem Segment gilt es in erster Linie, die Emittenten zu meiden, die ihren Investment-Grade-Status verlieren werden.
Für den High-Yield-Markt sehe ich die Entwicklung nicht so positiv. Zwar wird derzeit diskutiert, ob die Notenbanken auch in diesem Segment Kaufprogramme etablieren werden. Diese werden den Markt aber nicht vor einer deutlichen Zunahme der Ausfälle schützen können. Wir erwarten, dass die Ausfallraten bei High-Yield-Anleihen in den zweistelligen Bereich steigen werden. Für Investoren, die High-Yield-Risiko aufbauen möchten, empfiehlt sich der Weg über Credit-Basis-Strategien, die in diesen Sektoren investieren, das Bonitätsrisiko oder Ausfallrisiko aber absichern und im aktuellen Marktumfeld trotzdem Renditen von ca. 4 Prozent erwirtschaften können.
Link zum Disclaimer
Gemeinsam mit Moritz Schildt hat Claus Tumbrägel im Jahr 2009 die nordIX AG gegründet. Zuvor war er verantwortlich für den Credit Sales der HSBC in Europa sowie für das institutionelle Kapitalmarktgeschäft der HSH Nordbank. Innerhalb der nordIX verantwortet er das Asset Management, den Vertrieb und Handel. Darüber hinaus ist er verantwortlicher Portfoliomanager des «Investment-Grade-Fonds». Claus Tumbrägel ist verheiratet und hat fünf Kinder.