«ESG-Investments sind an den asiatischen Märkten im Vormarsch»

Co-Portfoliomanager - Asia Credit Bond Strategy & Emerging Market Credit Analyst
T. Rowe Price, Baltimore
troweprice.com
29.04.2021
Herr Chan, verantwortliche Investments sind in Europa inzwischen weit verbreitet. Wie präsentiert sich die aktuelle Lage in Asien?
Die Bedeutung nachhaltiger Anlagen in dieser Region wächst zunehmend. Die Integration der ESG-Faktoren Umwelt, Gesellschaft und Corporate Governance in den Anlageentscheidungen hat sich als wichtige Methode bei der Steuerung von Abwärtsrisiken und als wichtiger Treiber für risikobereinigte Renditen durchgesetzt. So gehen im Bereich Unternehmensanleihen 60 Prozent der regionalen Anleger davon aus, dass die Renditen im Jahr 2022 durch Governance-Themen beeinflusst werden, während mehr als 40 Prozent erwarten, dass ökologische und soziale Faktoren eine Rolle spielen werden.
Wie manifestiert sich dies in der Entwicklung der Emissionsvolumen?
Das kumulierte Volumen nachhaltiger Emissionen im asiatischen Raum hat sich zwischen 2016 und 2020 in nur vier Jahren auf 275 Mrd. US-Dollar versiebenfacht. Davon entfallen zwei Drittel auf China und Südkorea und der verbleibende Anteil auf Hongkong und Länder wie Japan, Indien und die Philippinen. Dieser Anstieg ist darauf zurückzuführen, dass die Regierungen zunehmend die Veröffentlichung von vergleichbaren ESG-Daten vorschreiben. In China etwa unterliegen börsennotierte Unternehmen bereits bestimmten Berichtspflichten.
Ist dieser Trend stabil?
Wir gehen davon aus, dass das Volumen nachhaltiger Emissionen in Asien weiter stark ansteigen wird, da ESG-Investitionen für Vermögensverwalter und Anleger gleichermassen immer wichtiger werden. Der Druck, bei Kapitalanlagen auf verantwortliche Investments zu achten, wächst bei sämtlichen Beteiligten. Wenn Investoren ihren Ansatz für Anlagen im asiatischen Raum entsprechend anpassen wollen, gilt es, die aktuellen Entwicklungen in der Region genau zu beobachten und robuste ESG-Analysen durchzuführen. Wir glauben, dass strategische Anleger, die hierzu in der Lage sind, gute Voraussetzungen haben, um positive Veränderungen voranzutreiben und Anlagechancen zu nutzen, die die fortschreitende Entwicklung von ESG-Investments eröffnet.
Welche Sektoren spielen derzeit die wichtigste Rolle?
Derzeit ist das Anlageuniversum auf kapital- und rohstoffintensive Branchen ausgerichtet, während die Sektoren Technologie und Konsumgüter im Vergleich zum regionalen Aktienmarkt, wo sie zusammen mehr als ein Drittel der Benchmark ausmachen, eine deutlich geringere Gewichtung aufweisen. Unserer Ansicht nach dürfte sich dies jedoch ändern, sodass sich Anlegern die Möglichkeit bieten sollte, durch fundamentales Bottom-up-Research ein breiteres Spektrum an Chancen zu nutzen.
Wie wirkt sich die ESG-Integration auf die Performance aus?
Sie kann potenziell dazu beitragen, die Abwärtsrisiken in einem Portfolio zu steuern: In der Praxis zeigte eine ESG-Version des J.P. Morgan Asia Credit Index, einer reinen US-Dollar-Benchmark für die Region Asien ohne Japan, eine positive Konvexität - mit einem grösseren Beta in Wochen mit positiver Spread-Rendite (0,980) als in Wochen mit negativer Spread-Rendite (0,955). Tatsächlich hat sich der J.P. Morgan Asia Credit Index in den vergangenen zehn Jahren in Abschwungphasen mehrfach besser entwickelt als die breitere Benchmark. So verzeichnete dieser Index auch während der durch die Corona-Pandemie ausgelösten globalen Verkaufswelle im März 2020 einen geringeren maximalen Drawdown.
Worin liegen die grössten Herausforderungen?
Asiatische Emittenten haben bislang in Bezug auf die ESG-Offenlegung tendenziell eher schlecht abgeschnitten. Dadurch ist es relativ schwierig, sich ein umfassendes Bild darüber zu machen, welche möglichen finanziellen Folgen sich daraus ergeben, und welche Schritte die Unternehmen ergreifen könnten, um diese abzufedern. Anleger könnten dieser Herausforderung durch einen verstärkten Dialog mit den Unternehmen begegnen. In ähnlicher Weise sollten Anleiheinvestoren, die gemeinsam über die verschiedenen Asset-Klassen hinweg zusammenarbeiten können, einen besseren Zugang zur Unternehmensführung erlangen, um bei der Diskussion von ESG-Faktoren stärker Einfluss zu nehmen. Zudem erwarten wir, dass es innerhalb der Region eine unvermeidliche Divergenz in Bezug darauf geben wird, welche Länder die grössten Fortschritte bei der Förderung des ESG-Bewusstseins und der Verschärfung der Offenlegungspflichten für Unternehmen machen. Dies untermauert die Bedeutung einer robusten, dedizierten ESG-Research-Plattform, die mit neuen Entwicklungen Schritt halten kann.
Link zum Disclaimer
Sheldon Chan ist Portfoliomanager und Kreditanalyst für Schwellenländer in der Fixed Income Division von T. Rowe Price. Er ist Co-Portfolio Manager der Asia Credit Bond Strategy. Zudem ist er Vice President der T. Rowe Price Group, Inc. und von T. Rowe Price Hong Kong Limited.