ETF-Handel für Privatanleger

31.03.2014
Welche Bedeutung haben ETFs für die Börse Stuttgart?
Der Handel mit ETFs an der Börse Stuttgart hat sich in den vergangenen Jahren ausgesprochen positiv entwickelt. Im Jahr 2013 wurden ETFs im Volumen von mehr als 7 Mrd. Euro gehandelt, das entspricht rund acht Prozent des Gesamtumsatzes an der Börse Stuttgart. Der wachsende Zuspruch für ETFs hängt vor allem damit zusammen, dass immer mehr Privatanleger die Vorteile der Produktklasse erkannt haben. Dank einer breiten Auswahl an handelbaren Produkten können sie Themen gezielt aufgreifen und ihre Investments breit diversifizieren.
Wie sah die Entwicklung in punkto Anzahl gelisteter Produkte und Volumen in den vergangenen drei Jahren aus?
2011 war wegen der Marktturbulenzen rund um die Reaktorkatastrophe in Japan und die Staatsschuldenkrise das bisher umsatzstärkste Jahr im ETF-Handel mit einem Rekordvolumen von rund 7,8 Mrd. Euro. 2012 sank der Orderbuchumsatz an der Börse Stuttgart auf 6 Mrd. Euro, bevor 2013 ein Anstieg auf rund 7 Mrd. Euro zu verzeichnen war. Die Anzahl gelisteter Produkte ist seit 2012 dagegen nahezu unverändert geblieben: Neu in den Handel aufgenommenen Produkten standen die Delistings einiger ETFs gegenüber, die wegen ihres zu geringen Volumens vom Markt genommen wurden. Aktuell sind rund 1.000 ETFs in Stuttgart handelbar.
Und was erwarten Sie fürs laufende Jahr?
Der ETF-Handel hat sich zum Jahresauftakt gut entwickelt, der Januar 2014 war mit einem Orderbuchumsatz von rund 854 Mio. Euro der umsatzstärkste Monat seit August 2011. Grund waren vor allem die Turbulenzen in einigen Schwellenländern. Auch von den jüngsten Rücksetzern der Aktienmärkte im Zuge der Krise in der Ukraine liessen sich die Anleger nicht abschrecken. Bei relativ hohen Umsätzen waren zuletzt mehr Käufe als Verkäufe zu beobachten, vor allem bei ETFs auf europäische Aktienindizes. Für den weiteren Jahresverlauf bin ich zuversichtlich, insbesondere für ETFs, die in Industrieländer investieren. Gerade im ETF-Bereich handeln viele private Anleger als Selbstentscheider, sind extrem gut informiert und reagieren schnell auf neue Entwicklungen. Dabei positionieren sich viele intelligent, um sowohl an der aktuellen Marktdynamik zu partizipieren als auch für gegenläufige Entwicklungen gewappnet zu sein.
Können Sie dies im Orderbuch einsehen: Handeln über Ihren Börsenplatz anzahlmässig mehr Privatanleger oder institutionelle Investoren?
Orders gehen an der Börse anonymisiert ein. Deshalb sehen wir nicht, von wem die Order stammt. Allerdings lassen die Ordergrössen Rückschlüsse zu: Wir führen sehr viele kleinere Orders aus, die wohl von privaten Anlegern stammen. Es gibt bei uns aber auch immer wieder Orders im Millionenbereich. Dahinter dürften häufig Vermögensverwalter stehen, die wiederum für viele Privatanleger handeln. Dies spricht für unsere Preisqualität und Verlässlichkeit bei der Orderausführung.
Kann man sagen, dass Stuttgart eher der Börsenplatz für Privatanleger und Frankfurt der Haupthandelsplatz für Institutionelle ist?
In der Tat trifft dies zu, wenn man die Börsen betrachtet. Hinzu kommt allerdings, dass institutionelle Investoren auch sehr häufig ausserbörslich handeln. Insgesamt sind die Services der Börse Stuttgart konsequent auf die Bedürfnisse privater Anleger ausgerichtet: Ihnen bieten wir ein Höchstmass an Liquidität, Preisqualität und Ausführungssicherheit. Der Schlüssel dazu ist unser hybrides Marktmodell, das ein leistungsfähiges elektronisches Handelssystem und menschliche Expertise kombiniert. Unsere Handelsexperten, die Quality-Liquidity-Provider, betreuen Orders, spenden bei Bedarf zusätzliche Liquidität und vermeiden dadurch Teilausführungen.
Für die Produkte in unserem Handelssegment ETF Bestx können sich Privatanleger auf festgeschriebene Maximalspreads verlassen. Für die Preisfeststellung werden dabei auch verbindliche Preise von Market Makern berücksichtigt. Zudem haben wir vor einem Jahr erneut die Handelszeiten ausgeweitet: ETF-Anleger können nun von 8 bis 22 Uhr in Stuttgart handeln und so auch am Abend auf internationale Marktgeschehnisse reagieren. Eingestellte Orders werden bis zum Börsenschluss in den USA überwacht. Dies verkleinert die Lücke ohne Limitüberwachung sowie für Limit-Orders als auch für Stop-Orders während der Nacht auf nur noch zehn Stunden.
Welche ETFs sind derzeit besonders beliebt und werden am meisten gehandelt?
Zu den beliebtesten Produkten zählen nach wie vor ETFs auf die klassischen Indizes DAX und Euro STOXX 50. Sie machten beispielsweise 2013 rund ein Drittel des ETF-Handelsvolumens an der Börse Stuttgart aus. Daneben stösst auch die zweite Reihe der Aktienindizes, die mittelgrosse und kleinere Unternehmen umfasst, auf reges Interesse. Aktuell nutzen Privatanleger die jüngsten Rücksetzer aufgrund der Krimkrise, um in solchen ETFs Positionen aufzubauen. Produkte auf US-Indizes, die weiterhin nahe ihrer Allzeithochs notieren, werden hingegen eher verkauft, was auf Gewinnmitnahmen hindeutet. Bei Schwellenländer-ETFs investieren einige Anleger nach den zurückliegenden Turbulenzen wieder selektiv in einzelne Märkte, vor allem ausserhalb Asiens. Auch einige ETFs auf Indizes mit Goldminenaktien wurden zuletzt rege gehandelt.
Welche allgemeinen Trends können Sie beobachten?
Ein wichtiger Markttrend sind ETFs mit einem Absicherungsmechanismus, die einen Mehrwert gegenüber klassischen Indexabbildungen bieten und beispielsweise Fremdwährungsrisiken ausschliessen. Daneben dürfte sich auch die Entwicklung fortsetzen, dass immer mehr Anbieter neben synthetischen auch zunehmend vollreplizierende ETFs in ihrer Produktpalette haben.
Worauf sollten Anleger beim ETF-Handel besonders achten?
Ein wichtiger Aspekt sind die Kosten. Neben den Verwaltungskosten für das Produkt ist hier auch von Bedeutung, an welcher Börse Anleger ETFs handeln. Zum einen können sie das Transaktionsentgelt berücksichtigen, also die expliziten Kosten. Wichtig ist bei der Wahl des Handelsplatzes aber auch, wie gross die Spannen zwischen An- und Verkaufspreisen und damit die impliziten Kosten sind. An der Börse Stuttgart sind für die Produkte im Handelssegment ETF Bestx deshalb Maximalspreads festgeschrieben.
Beim Handel sollten Privatanleger auf jeden Fall auch die unterschiedlichen Ordertypen nutzen. In Stuttgart stehen Limit-, Stop-Loss- und Stop-Buy-Orders zur Verfügung. Die risikoabsichernden Stop-Orders werden dabei losgelöst von Umsätzen durch die Handelsexperten betreut und damit aktiv ausgelöst. Weitere Möglichkeiten bieten unsere intelligenten Ordertypen: Mit ihnen lassen sich Kauf- und Verkaufsaufträge präzise an bestimmte Marktbedingungen knüpfen und automatisiert ausführen. Beispielsweise können Anleger mit der Trailing-Stop-Order im Falle eines Verkaufs bei steigenden Kursen Gewinne kontrolliert laufen lassen. Das Nachziehen des Stop-Loss-Limits erfolgt automatisch im vorab definierten Abstand – dies bietet sich gerade bei Index-Produkten wie ETFs an.
Michael Görgens (41) ist seit 2003 für die Börse Stuttgart tätig und leitet dort den Fonds- und Anleihenhandel. Zunächst betreute er u.a. Covered Bonds und Structured Credits, bevor er 2007 die Verantwortung für den Aufbau des Fonds- und ETF-Handels an der Börse Stuttgart übernahm. Unter Görgens‘ Führung wurde im Jahr 2009 das Handelssegment ETF Bestx gegründet. Seit 2011 ist Görgens auch Leiter des Anleihenhandels an der Börse Stuttgart. Vor seiner Tätigkeit in Stuttgart arbeitete Michael Görgens bei der Landesbank Berlin im Kapitalmarkt- und Emissionsgeschäft als Market Maker für Jumbopfandbriefe im Interbankenhandel.