«ETFs haben gehalten, was sie versprechen»

Head Passive & ETF Specialist Sales Deutschland & Österreich
UBS Asset Management (Deutschland) GmbH, Frankfurt ubs.com/etf
23.06.2020
Herr Rodewald, wir alle blicken auf turbulente Wochen und Monate zurück. Welche Auswirkungen hatte die Corona-Pandemie auf den ETF-Bereich?
Die Entwicklung, die wir in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten seit März sehen, ist sicherlich beispiellos. Im ETF-Bereich haben wir dabei in den vergangenen Wochen teilweise sehr interessante Beobachtungen machen können. Fixed-Income-ETFs beispielsweise wurden während der grössten Marktturbulenzen zum Teil deutlich unter ihrem Nettovermögenswert gehandelt. Dieses Phänomen überrascht allerdings auch nicht angesichts der Tatsache, dass der Handel mit Anleihen, insbesondere Unternehmensanleihen, zwischenzeitlich mehr oder weniger zum Erliegen kam. Der Markt schien zeitweise ausgetrocknet, Unternehmensanleihen, selbst einige Staatsanleihen waren phasenweise unverkäuflich. Dahingegen waren Fixed-Income-ETFs jederzeit handelbar, selbst wenn einzelne Anleihen es nicht mehr waren. ETFs haben also selbst in dieser aussergewöhnlich schwierigen Marktphase nicht nur das gehalten, was sie versprechen. Vielmehr haben sie als Quelle für Liquidität an den Märkten fungiert und dadurch sogar stabilisierende Wirkung gehabt. Ich möchte sogar noch einen Schritt weitergehen: Die Preise für ETFs signalisieren in Stresssituationen in den Märkten die fairen Preise, gerade und vor allem dann, wenn die im Index enthaltenen Anleihen nicht oder nur schwierig handelbar sind.
Als die Auswirkungen der Corona-Krise und der ergriffenen Gegenmassnahmen Europa trafen, haben Anleger massiv Mittel abgezogen, die Abflüsse aus Fonds hatten Rekordniveau. Waren ETFs davon genauso betroffen?
Natürlich waren ETFs davon nicht unbetroffen, auch im passiven Bereich wurden Assets abgezogen. Doch trotz aller Unsicherheit und teilweise Panik an den Märkten konnten wir in einigen Segmenten Zuflüsse in ETFs verzeichnen - speziell bei Unternehmensanleihen. Anleger haben insbesondere in ETFs investiert, die US-amerikanische Unternehmensanleihen beinhalten. Hier gab und gibt es einen gewissen Folgeeffekt aus den Käufen der Fed. Was die US-Zentralbank kauft, wird auch am Markt nachgefragt. Aber auch Unternehmensanleihen aus Europa sind beliebt, allerdings in geringerem Masse.
Zudem hatten wir im Bereich nachhaltiger ETFs bemerkenswert stabile Zuflüsse. Wenn wir uns die Entwicklung der Inflows in unsere Nachhaltigkeits-ETFs seit Jahresanfang anschauen, sehen wir nahezu keine Auswirkungen durch die Corona-Pandemie. Die Kurve der Zuflüsse steigt auch während der besonders turbulenten Wochen stetig an, der Anstieg hat sich lediglich etwas verlangsamt.
Wo sehen Sie die Gründe für diese Zuflüsse?
Wie bereits erwähnt, war im Bereich der Unternehmensanleihen die Ankündigung der Fed, Unternehmensanleihen zu kaufen, ein wirkmächtiger Motivator. Die nachhaltigen ETFs konnten in der Krise ihre Stärken ausspielen, das steigert das Interesse. Unsere SRI-ETFs haben eine gute Performance gezeigt, gerade auch im Vergleich zu ihren nicht-nachhaltigen Pendants. Nehmen wir beispielsweise den MSCI World Index und dessen auf Nachhaltigkeit gefilterte Variante, den MSCI World SRI. Der MSCI World SRI performt bereits seit Jahren konstant stärker als der Mutterindex und konnte das auch während der Corona-Monate bestätigen. Seit Jahresbeginn hat der MSCI World SRI sich gut 1.6 Prozent besser entwickelt als der MSCI World (Stand: 12.06.2020).
Auch unabhängig von der aktuellen Situation sehen wir seit einiger Zeit einen fundamentalen Wandel weg von Standard-Produkten und hin zu Produkten, die Nachhaltigkeitskriterien integrieren. Diese Entwicklung dürfte sich durch die gegenwärtige Krise noch beschleunigen. In den vergangenen Wochen konnten nachhaltige ETFs erneut ihren Wert beweisen, was mich in der Überzeugung bestärkt, dass Nachhaltigkeit der neue Standard wird.
Welche spannenden Themen sollten Anleger ansonsten noch im Blick haben?
Insbesondere der chinesische Markt ist ein ebenso weites wie interessantes Feld für Investoren. Chinas Bedeutung für die Weltwirtschaft ist heute bereits gross, wird aber in den kommenden Jahren noch bedeutend wachsen: Obwohl China die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt ist und über eine vergleichsweise niedrige Verschuldung verfügt, ist das Land in den weltweiten Indizes noch immer unterrepräsentiert. Dieses Missverhältnis wird Stück für Stück ausgeglichen. Sowohl bei Aktien- als auch bei Anleiheindizes integrieren die jeweiligen Indexanbieter chinesische Titel. Dadurch dürfte der gesamte Markt mittelfristig einen gewaltigen Schub erfahren.
Wir haben vor ein paar Wochen den «UBS ETF - J.P. Morgan CNY China Government 1- 10 Year Bond ETF» lanciert, der chinesische Staatsanleihen und chinesische Policy-Bank-Anleihen in Renminbi (CNY) beinhaltet. Der ETF bietet Investoren einen direkten Marktzugang zu chinesischen Onshore-Anleihen und damit zu einem der Segmente mit sehr viel Potenzial. Aber auch auf der Aktienseite gibt es viele interessante Möglichkeiten. 2019 haben wir beispielsweise den «UBS MSCI China ESG Universal ETF» aufgelegt. Mit diesem Produkt wurden erstmals chinesische Aktien, die ESG-Kriterien erfüllen, passiv investierbar. Beide Beispiele zeigen, dass es mittlerweile bei chinesischen Aktien und Anleihen einige interessante und variantenreiche passive Produkte gibt. Gleichzeitig ist aber auch noch viel Raum für Neues. UBS Asset Management hat eine starke Expertise in China und bereits einige innovative Produkte entwickelt. Wir sehen uns hier als Vorreiter und wollen dieser Rolle auch in Zukunft gerecht werden.
Link zum Disclaimer
Dag Rodewald ist Head Passive & ETF Specialist Sales Deutschland & Österreich bei der UBS Asset Management (Deutschland) GmbH, in Frankfurt. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung an den Finanzmärkten. Vor seinem Eintritt bei UBS ETFs im Jahr 2013 war er für verschiedene internationale Investmentbanken tätig, zuletzt als Leiter des Sales Trading bei der Commerzbank. Dag Rodewald ist Diplom-Volkswirt und hat an den Universitäten in Heidelberg und Regensburg sowie der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee, studiert.