ETFs in volatilen Märkten gefragt wie nie

Deputy Head iShares Switzerland
BlackRock Asset Management Schweiz AG, Zürich
blackrock.com
05.08.2016
Herr Württemberger, von nicht wenigen ETF-Anbietern hört man, dass nach der Brexit-Abstimmung erfreuliche Mittelzuflüsse verzeichnet werden konnten. Wie sieht es bei iShares aus?
Dem ist absolut so - die steigende Nachfrage nach ETFs im Juni war durch das EU-Referendum in Grossbritannien geprägt und bestätigt erneut das grosse Interesse an ETFs insbesondere in volatilen Märkten. Seit dem Referendum am 23. Juni verzeichnet iShares deutlich stärkere Mittelzuflüsse. Global gesehen sind uns in dieser Zeit etwa 26,7 Mrd. US-Dollar an Nettomitteln zugeflossen, das entspricht etwa 60 Prozent des gesamten weltweiten ETF-Volumens. In Europa sind es mit 8,4 Mrd. US-Dollar sogar über etwa 70 Prozent. Gesamtgesehen bilden die iShares-Mittelzuflüsse in den letzten vier Wochen rund 40 Prozent der Mittelzuflüsse seit Anfang Jahr.
In welche Assetklassen floss das meiste Neugeld?
Im globalen Kontext konnten vor allem Fixed Income - also Obligationen-ETFs, eine ja noch relativ junge ETF-Anlageklasse - grosse Summen an Neugeldern anziehen und den bereits positiven Trend des ersten Halbjahrs vorsetzen. Insbesondere Investment-Grade-Unternehmensobligationen und zunehmend auch Schwellenländer-Anleihen waren und sind stark gefragt. Schwellenländer halten auch auf der Aktienseite den Spitzenplatz - generell sind diese Märkte nach längerer Abstinenz wieder gefragter denn je. Interessant werden sie für Investoren, da sie kaum von den politischen Ereignissen in Europa tangiert zu sein scheinen und insbesondere auf Obligationenseite im aktuellen Tiefzinsumfeld eine gewinnbringende Alternative mit potenziell stabilen Erträgen aufzeigen. In Europa sehen wir zudem reges Interesse an Edelmetallen - primär an Gold - das weiterhin bevorzugt als Investment in «sichere Häfen» gilt.
Sehen Sie diesen Trend nachhaltig oder rein situationsgetrieben?
Das ist schwer zu sagen. Bedingt durch die hohe Volatilität und die hieraus resultierenden Opportunitäten sind die hohen Mittelzuflüsse - die übrigens in diesem Ausmass auch für das ETF-Geschäft bis dato ungewohnt waren - zu einem nicht unwesentlichen Teil taktischer Natur. Jeder möchte am gegenwärtigen Aufwärtstrend teilhaben, insbesondere nach einem sehr verhaltenen ersten Halbjahr vor dem Brexit-Entscheid. Die generelle Marktlage hat sich jedoch nicht fundamental verbessert und entsprechende Risiken bleiben weiterhin präsent.
Sie sprechen täglich mit institutionellen Investoren. Können Sie uns verraten, wie deren Stimmungslage aktuell aussieht?
Eine «verhalten optimistische» Stimmungslage trifft es wahrscheinlich ganz gut. Zum Teil unerwartet waren sicherlich die heftigen Marktbewegungen in Folge des Referendums, die Investoren zu mehr Risikobereitschaft anstelle von mehr Zurückhaltung motivierte. Dies führte zu einem kurzen Aufatmen, da sich nun nach eher mauen Anlagealternativen insbesondere im ersten Quartal neue Möglichkeiten zur Performance- und Renditegewinnung präsentierten. Dennoch sehen wir weiterhin eine kritische Haltung institutioneller Investoren, die sich in einer entsprechenden Absicherung widerspiegelt. Cash - sprich Barbestände - bleiben nach wie vor als Liquiditätspuffer bestehen. Der Schwellenländer-Trend wird allerdings als zartes Licht am nachhaltigen Anlagehorizont wahrgenommen.
Die «Null-Zins-Politik» vieler Notenbanken bleibt aber das entscheidende Thema, richtig?
Diese Politik macht das Anlegen sicherlich nicht leichter und treibt, wie bereits gesagt, Investoren zunehmend in Anlageklassen mit ansprechender Rendite - wenn auch mit einem anderen Risikoprofil als dies etwa Barmittel und/oder «Eidgenossen» aufweisen. Sollte also die Zinspolitik weiter im aktuellen Umfeld verharren, könnte dies den Druck auf institutionelle Investoren nachhaltig erhöhen, in andere Anlageprodukte auszuweichen - diesen Trend haben wir jüngst wahrgenommen. Bisher haben hiervon ertragsreiche Obligationen- und wachstumsstarke Aktienmärkte wie etwa Schwellenländer aber auch die USA profitiert. Gefragt waren in diesem Bereich zudem entsprechende Schwankungsabsicherungen, was den Erfolg sogenannter Minimum Volatility Smart Beta ETFs unterstreicht.
Es bleibt also spannender denn je, oder anders ausgedrückt - «das fehlende Salz scheint nun endlich wieder in der Suppe». Zumindest was das Anlegen anbelangt, fassen Investoren neuen Mut und positionieren sich - wenn auch mit angemessener Vorsicht.
Sven Württemberger ist Deputy Head iShares Switzerland sowie Leiter für die Deutschschweiz. Zuvor war er als Leiter Vertrieb iShares Wealth Deutschland für den Vertrieb an Banken, Vermögensverwalter, Family Offices und Plattformen in Deutschland verantwortlich.