«Etliche unserer Portfolio-Firmen präsentieren in diesem Jahr wegweisende klinische Studienergebnisse»

10.06.2022
Herr Dr. Koller, das Innovationspotenzial der Biotech-Branche stand in den vergangenen zwei Jahren ganz im Zeichen der Entwicklung von Impfstoffen und Therapien gegen Covid-19. Wohin geht die Reise nun?
Die Finanzmärkte haben nun stärker chronische und schwere Erkrankungen im Blick, von denen ein grösserer Anteil der Bevölkerung betroffen ist. Wichtige technologische Fortschritte, die sich bislang auf die Behandlung seltener Krankheiten konzentriert haben, werden jetzt häufiger in klinischen Studien für Indikationen mit hohen Patientenzahlen getestet.
Wird die Biotech-Industrie davon profitieren?
Ja, weil sie Vorreiter bei einer Vielzahl von neuen Therapieansätzen ist. Sehr viele Biotechfirmen haben zuletzt damit begonnen, in ihren klinischen Projekten ihren bisherigen Fokus auf seltene Erkrankungen auf die Behandlung von Erkrankungen mit höheren Patientenzahlen zu erweitern. Zum Einsatz kommt dabei eine neue Generation von Technologien, die ein grosses Disruptionspotenzial mit sich bringt. Immer mehr Produktkandidaten decken nicht nur den medizinischen Bedarf in bislang kaum behandelbaren Indikationen, sondern versprechen eine vollständige Heilung. Etliche unserer Portfolio-Firmen präsentieren in diesem Jahr wegweisende klinische Studienergebnisse.
Sehen Sie neue Technologien, welche Milliardenumsätze bringen könnten?
Die sehe ich in der Tat. Vor dem grossen kommerziellen Durchbruch steht etwa die Geno-Meditierung, welches auf eine dauerhafte Heilung von Krankheiten abzielt. Dabei werden Fragmente der menschlichen DNA, die als genetisch bedingte Auslöser von Krankheiten gelten, herausgeschnitten und durch genetische Ersatzstücke repariert. Crispr Therapeutics entwickelt in Kooperation mit Vertex Pharma Therapien gegen Beta-Thalassämie und Sichelzellanämie. Für diese zwei genetisch bedingten Störungen bei der Bildung von Blutzellen, die schwere Krankheitsverläufe verursachen, gibt es bislang keine adäquaten Behandlungsoptionen. Die Marktzulassung der ersten Arznei auf der Basis von Genomeditierung würde die Behandlung dieser Krankheit revolutionieren. Dementsprechend gross ist die Preissetzungsmacht für dieses Produkt, das nur einmal verabreicht werden muss.
Kann künstliche Intelligenz neue Grundlagen für die Forschung und Entwicklung schaffen? Falls ja, inwiefern?
Das «Rational Drug Design» ist ein neuartiger Ansatz, der mit künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen die molekularen Bewegungen von Proteinmolekülen hinsichtlich ihrer Rolle beim Entstehen einer Krankheit analysiert. Unsere Beteiligung Relay Therapeutics hat drei Krebsmedikamente in der klinischen Phase I, welche bei krankheitsauslösenden Proteinen ansetzen, die bislang nicht zugänglich als Zielmoleküle für Therapien galten. Black Diamond Therapeutics, eine andere Firma im Portfolio von BB Biotech, nutzt maschinelle Lernverfahren für Krebstherapien, die unabhängig von spezifischen Tumorarten ihre Wirkung entfalten.
Denken Sie, dass die Biotech-Industrie dank zahlreichen disruptiven Technologien bald wieder das Interesse der Investoren auf sich ziehen kann?
Die Zahlen sprechen für sich. Wurden in den USA, dem weltweit grössten Medikamentenmarkt, zu Beginn der Nullerjahre durchschnittlich 20 Arzneien jährlich zugelassen, so hat sich dieser Wert 2021 auf 58 erhöht. Zugleich ist in rein quantitativer Hinsicht die Gesamtzahl der klinischen Studien und der dabei behandelten Patienten deutlich höher als vor Beginn der Pandemie. Die Bedeutung von biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln wird auch in Zukunft zunehmen. Schätzungen zufolge werden Biotech-Produkte bis 2026 etwa 40 Prozent des Gesamtumsatzes der verschreibungspflichtigen und rezeptfreien Medikamente ausmachen. Für den Biotech-Sektor sind das in der Summe sehr gute Voraussetzungen, um mit kurstreibenden Nachrichten das hohe Renditepotenzial für die nächsten Jahre zu untermauern.
Link zum Disclaimer
Dr. Daniel Koller kam 2004 zu Bellevue Asset Management und ist seit 2010 Head Investment Management Team der BB Biotech AG. Von 2001 bis 2004 war er als Investment Manager bei equity4life Asset Management AG und von 2000 bis 2001 als Aktienanalyst bei UBS Warburg tätig. Er absolvierte ein Studium in Biochemie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich und promovierte in Biotechnologie an der ETH und bei Cytos Biotechnology AG, Zürich.