Europas Fondsindustrie - Was bewegte in 2016 und was erwartet uns in 2017?

16.12.2016
Herr Glow, Sie zählen zu den besten Kennern der europäischen Fondsindustrie. Was war das beherrschende Thema in diesem Jahr?
Das Jahr 2016 zeichnete sich eigentlich gerade dadurch aus, dass es eben nicht das eine Thema gab. An den Märkten gab es mit den Entwicklungen in China zu Jahresbeginn, dem Brexit-Votum und der Wahl von Donald Trump einige aussergewöhnliche Ereignisse, die nicht nur die Märkte bewegten. Aber auch in der Investmentindustrie hat sich im ablaufenden Jahr einiges getan. Der Zusammenschluss von Janus und Henderson, die Übernahme von Pioneer durch UniCredit, de Ankündigung des neuen Chefs der Deutschen Asset Management mittelmässige Fonds schliessen zu wollen, all das zeigt, dass die Branche im Wandel ist. Echte Höhepunkte waren sicherlich die «Lipper Fund Awards» in Zürich, Frankfurt oder Wien und last but not least die Auszeichnung von dem englischen Magazin «Investment Week» als beste Research-Blogger für Jake Moeller und mich.
Was ist Ihnen sonst noch so aufgefallen?
Das Jahr 2016 war an den Märkten kein einfaches Jahr, aber es war interessant zu sehen, wie schnell die Märkte nach politischen Ereignissen wie zum Beispiel dem Brexit-Votum in Grossbritannien wieder zur Normalität zurückgekehrt sind. Es scheint so, als würden die Investoren sich, wenn überhaupt, nur kurzzeitig von politischen Ereignissen verunsichern lassen. Aus meiner Sicht zeugt dies davon, dass die Anleger, die im Markt sind, eher besonnen handeln und die von ihnen getroffenen Anlageentscheidungen auch in schwierigen Marktphasen durchhalten. Dies war in den vorhergehenden Jahren anders.
Die ETFs sind weiter auf dem Siegeszug…
Das Wort Siegeszug ist da sicherlich übertrieben. Aber ja, für die europäische ETF-Industrie war das Jahr 2016, zumindest bis Ende November, ein erfreuliches Jahr. Insgesamt betrachtet sehen wir hier, auch nach mehr als 15 Jahren, immer noch eine echte Wachstumsindustrie, allerdings sind die verwalteten Vermögen sehr stark konzentriert, so dass es auch in diesem Teil der Investmentindustrie Gewinner und Verlierer gibt. Generell gehe ich davon aus, dass sich dieser Wachstumstrend auch in den nächsten Jahren weiter fortsetzen wird.
Aber gute aktive Fonds hatten ebenso ein erfreuliches Jahr, richtig?
Bei den aktiv gemanagten Fonds waren, ebenso wie bei den ETFs Fonds, die in festverzinsliche Wertpapiere investierten, die Gewinner. Aber Sie haben natürlich recht, gut gemanagte Fonds konnten auch bei den Aktienfonds, das einzige Segment, das bisher für das Gesamtjahr 2016 Abflüsse vermeldet, Zuflüsse erzielen. Dies ist aber nicht aussergewöhnlich, denn die Investoren passen ihre Allokationen durchaus regelmässig an, wenn ein Fonds die an ihn gestellten Anforderungen nicht mehr erfüllt. Solange die freiwerdenden Mittel nicht abfliessen sondern in einen Fonds aus derselben Anlageklasse investiert werden, wirken sich die so entstehenden Mittelbewegungen dann zwar auf der Einzelfondsebene positiv aus, auf Ebene der jeweiligen Anlageklasse wirken sie sich aber im besten Fall neutral aus.
Was werden die grossen Trends in 2017 sein?
Ich glaube, dass die Rückkehr der Inflation und steigende Zinsen zwei der beherschenden Themen für 2017 sein werden. Gerade das Thema steigende Zinsen könnte hierbei grosse Auswirkungen haben, denn viele der sogenannten Multi-Asset-Fonds haben hohe Allokationen im Bereich der festverzinslichen Wertpapiere und die Manager, die hier einen möglichen Umschwung nicht zur Zufriedenheit der Anleger meistern, werden grosse Mittelabflüsse sehen. Durch diese Mittelbewegungen könnte der Markt der Mischfonds am Ende des Jahres hinsichtlich der Marktanteile einzelner Anbieter deutlich anders aussehen als zu Beginn des Jahres.
Ich glaube zudem, dass die aufstrebenden Volkswirtschaften, die sogenannten Emerging Markets, auch im Jahr 2017 ein wichtiges Thema für die Anleger sein werden. Zum einen haben sich viele Anleger bereits in diesen Märkten positioniert und werden nun abwarten wie sich zum Beispiel die Entscheidungen der neuen Administration in Washington auf diese Märkte auswirken, zum anderen warten aber immer noch viele Anleger auf eine Einstiegsgelegenheit in diese Märkte, was im Falle eines Markteinbruchs zu einer schnellen Stabilisierung und/oder zu einem Kursanstieg führen könnte.
Ein weiterer Trend des Jahres 2017 könnte auch die sogenannten Alternative-UCITS-Fonds werden. Nachdem sich die Anleger aufgrund der Erfahrungen mit diesen Fonds während der Marktturbulenzen zu Anfang des Jahres und nach dem unerwarteten Brexit-Votum in diesem Jahr bei Alternative UCITS sehr zurückaltend zeigten, könnten sie im nächsten Jahr wieder vermehrt in diesen Bereich investieren, denn insbesondere institutionelle Anleger benötigen regelmässige Erträge, die sie in der entsprechenden Höhe im Bereich der festverzinslichen Wertpapieren nur noch sehr bedingt finden, insbesondere dann, wenn sie die möglichen Risiken mit in Betracht ziehen.
Sie haben also weiterhin viel zu tun.
Uns wird im Jahr 2017 sicherlich nicht langweilig werden. Zum einen starten wir wie in jedem Jahr auch in 2017 mit den «Lipper Fund Awards». Für das zweite Quartal haben wir geplant, unsere «UK Fund Selectors Conference» zu vergrössern und als «European Fund Selectors Conference» abzuhalten. Dann arbeiten wir an verschiedenen anderen Projekten, mit denen wir unsere Kunden und den Markt im Jahr 2017 überraschen wollen. Zudem gilt es nach dem Gewinn der Auszeichnung als bester Researchblog für unsere Webseite LipperAlpha.com diesen Titel durch den Einsatz von innovativer Technik und neuer Rubriken zu verteidigen. Sie sehen: wir haben im Jahr 2017 einiges vor, um unsere Services und Dienstleistungen weiter zu verbessern.
Detlef Glow, MBA (UoW), begann im Jahr 2005 als Leiter der Fondsanalyse für Deutschland und Österreich bei Thomson Reuters Lipper. Anfang 2007 übernahm er die Leitung für die Regionen Zentral-, Nord- und Osteuropa. Seit Oktober 2010 ist Detlef Glow Leiter der Fondsanalyse von Lipper in Europa, dem Mittleren Osten und Afrika (EMEA). Zuvor war er als Direktor Portfoliomanagement bei der Feri Wealth Management GmbH in Bad Homburg als Portfoliomanager für vermögende Privatkunden tätig. Seine Karriere begann Glow neun Jahre zuvor bei der tecis Holding AG in Hamburg, wo er zuletzt als Leiter der Fondsanalyse sowohl für das quantitative als auch das qualitative Fondsresearch der tecis Asset Management AG verantwortlich war.