EZB-Stresstest: wie geht es den europäischen Banken?

Head Financial Institutions Credit Research
AllianceBernstein Ltd, London
alliancebernstein.com
09.11.2018
Herr Hussey, der letzte EZB-Bankenstresstest ist gerade hinter uns, wie ist Ihre Einschätzung?
Angesichts des anhaltenden Kapitalaufbaus gingen die europäischen Banken mit relativ gesehen stärkeren Bilanzen in den Stresstest und haben so besser als beim vorherigen Mal abgeschnitten. Das Ergebnis beinhaltete zwar keine grossen Überraschungen, aber trotzdem viele interessante Informationen. Es ist kein Pass-oder-Fail-Test, sondern gilt mehr als Input für die Aufsichtsbehörden, um mögliche zusätzliche Kapitalanforderungen festzulegen, sogenannte «Säule-2-Puffer». Die sind bedeutend für die Kapitalrendite-Fähigkeit einer Bank - also auch von Interesse für Aktienanleger.
Wenn es Überraschungen gab, dann war es die relativ starke Performance der grösseren spanischen und italienischen Banken und die relativ schwache Performance einiger britischen Banken. Hier ist jedoch anzumerken, dass der Stresstest für das Vereinigte Königreich relativ strikt war, im Einklang mit dem der Bank of England.
Viele Banken sind eng mit den jeweiligen Staaten verbunden - wie sehen Sie die möglichen politischen Risiken für Banken?
Dies ist äusserst wichtig, da die Banken im Mittelpunkt der Wirtschaft eines Landes als Art Übertragungsmechanismus agieren. Änderung der Kreditvergabe der Banken können das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen und die hohen Bestände an Staatsschulden einiger Banken binden diese eng an den Staat.
Erhöhte politische Risiken können Banken auf verschiedene Weise beeinflussen. Ein Beispiel sind «Mark-to-Market»-Verluste bei Staatsanleihen-Portfolios - hier gilt die Annahme, dass steigende politische Risiken zu höheren Zinsen/Spreads führen. Unsichere politischen Zeiten bringen auch höhere Chancen auf eine Konjunkturabkühlung, was wiederum zu erhöhten Kreditausfällen bei den Banken führen kann.
Einige Banken suchen nach neuen und innovativen Wegen zu wachsen, während andere immer noch die Fehler der Vergangenheit ausbessern. Wie wichtig sind diese neuen Wachstumsstrategien?
Im Allgemeinen investieren Banken viel Zeit und Geld in ihre digitalen Strategien, auch wenn die Breite und der Erfolg sehr unterschiedlich ausfallen. Dieses Thema umfasst auch die vielen veralteten IT-Systeme zu erneuern das Cyber-Risko- Management zu verbessern oder spezifische Banking-Apps zu entwickeln. Investitionen in unabhängige Bank-Start-ups stehen auch auf dem Programm.
Wo liegt der Wachstumsfokus dieser Strategie?
In dieser Phase der Entwicklung konzentrieren sich die Banken vor allem darauf, den Zugang der Kunden zu Dienstleistungen auszubauen. Hierbei gilt es insbesondere sicherzustellen, dass die Mobile-Banking-Apps für den jeweiligen Zweck geeignet sind. Es werden aber auch verschiedene Geschäftsmodelle entwickelt, um geeignete «offene Plattformen» anzubieten. Während die Investitionskosten kurzfristig die Rentabilität senken, wird der endgültige Erfolg mittelfristig gemessen, da die Banken diese Investitionen ausbauen und so Marktanteile gewinnen können.
Wo sehen Sie die attraktivsten Chancen bei Anleihen von Finanzunternehmen?
Im aktuellen Kreditzyklus und vor dem Hintergrund erhöhter Volatilität und geopolitischer Risiken bevorzugen wir - im Allgemeinen - Banken, die stärker auf Einzelhandelskunden ausgerichtet sind. Wir favorisieren ebenfalls Banken mit starker inländischer Markenpräsenz und der Möglichkeit, den Vertrieb weiter ausbauen zu können. Des Weiteren achten wir auf eine starke Führung im digitalen Angebot und hohe Kosteneffizienz sowie und das Risikomanagement. Bei diesen Banken bevorzugen wir im Allgemeinen nachrangige Anleihen.
Als Head of Financial Institutions Credit Research ist Steve Hussey auch für die Analyse europäischer Banken und Investmentbanken innerhalb dieser Gruppe verantwortlich. Bevor er im Jahr 2000 zu AllianceBernstein kam, war er sechs Jahre lang bei der Ratingagentur Fitch IBCA tätig, wo er als Direktor für den spanischen und den lateinamerikanischen Bankensektor verantwortlich war. Er hat einen Bachelor of Science in Betriebswirtschaft und Rechnungswesen und einen Master of Science in International Banking und Finance der University of Southampton.