«Faktorstrategien dringen in die Core-Portfolios vor»

Leiter Passive & ETF Specialist Sales Schweiz und Liechtenstein, Asset Management
UBS AG, Zürich
ubs.com
17.08.2018
Herr Müller, faktorbasiertes Investieren ist eine anhaltende Erfolgsstory: Inzwischen werden weltweit Vermögenswerte von über 650 Mrd. US-Dollar in Faktor-ETFs verwaltet. Und im ersten Quartal entfielen rund 40 Prozent der globalen Zuflüsse auf Faktor-ETFs. Wo sehen Sie die Gründe für diese Entwicklung?
Die sind vielschichtig. Einerseits schwinden die vor Kurzem noch bestehenden Vorbehalte einiger Investoren gegen das faktorbasierte Investieren. Faktor-ETFs werden längst nicht mehr als Mode oder Nische gesehen, sondern als wertvolle Erweiterung des Fondsangebots mit einem echten, wissenschaftlich belegten Nutzen. Und zum anderen hat gerade das Aufkommen von Multi-Faktor-Strategien die Produkte aus ihrer traditionellen Verbannung in Satelliten-Portfolios befreit.
Was meinen Sie damit?
Wer in einzelne Faktoren investiert, geht immer auch eine taktische Position am Aktienmarkt ein - denn unterschiedliche Faktoren verhalten sich in verschiedenen Phasen des Marktzyklus auch unterschiedlich. So verhalten sich Aktien, die den Faktor Momentum aufweisen, tendenziell eher prozyklisch. Andere Faktoren, wie Quality oder Low Volatility, dagegen liefern eher in schwächeren Marktphasen Überrenditen. Jeder einzelne Faktor beinhaltet somit ein gewisses Market-Timing-Risiko. Wer gleichzeitig in mehrere Faktoren investiert, kann dieses Risiko weitgehend eliminieren und von Diversifikationsvorteilen profitieren - eine wichtige Voraussetzung für die Aufnahme einer Strategie in ein Core-Portfolio.
Welche Vorteile bieten Multi-Faktor-Strategien einem Investor im Vergleich zu einer traditionellen, an der Marktkapitalisierung orientierten Core-Allokation?
Ganz wesentlich ist, dass sie die Chance auf Überrenditen bieten, also das Potenzial, marktkapitalisierungsgewichtete Indizes über einen kompletten Marktzyklus hinweg zu übertreffen. Das wurde sowohl in historischen Rückrechnungen, also Backtests, gezeigt, als auch durch jüngere Daten aus Zeiten belegt, in denen die entsprechenden Indizes und Anlageinstrumente bereits tatsächlich existierten.
Wie sollten Investoren, die sich einmal für eine Multi-Faktor-Strategie entschieden haben, den Ansatz in ihren Portfolios implementieren?
Wir bei UBS ETF bevorzugen Multi-Faktor-Lösungen, die auf den MSCI Select Factor Mix Indizes basieren. Bei diesen Lösungen sind die sechs etabliertesten Aktienfaktoren - also Value, Size, Momentum, Quality, Shareholder Yield und Low Volatility - gleich gewichtet. Das Rebalancing der Indizes findet vierteljährlich statt, was für ein angemessenes Gleichgewicht zwischen einem möglichst geringen Portfolioumschlag und der Bewahrung der Faktor-Parität sorgt. Die Indizes verfolgen dabei eine Top-Down-Allokation in sechs einzelne Portfolios, die jeweils ein hohes, möglichst klar abgrenzbares Engagement in einem der sechs Faktoren aufweisen. Dieses Prinzip wird auch als Lego-Ansatz bezeichnet. Mithilfe des UBS ETF (IE) MSCI USA Select Factor Mix UCITS ETF beispielsweise lässt diese Strategie sich sowohl in grossen als auch in kleineren Portfolios einfach und kosteneffizient umsetzen.
Mit welchen Ergebnissen dürfen Anleger dabei rechnen?
Prognosen der Zukunft sind nicht nur schwierig, ich darf auch keine abgeben (lacht). Mit Blick auf die Vergangenheit lässt sich aber sagen: Der MSCI USA Select Factor Mix Index hat den breiten Markt in zwölf der vergangenen 17 Jahre übertroffen. Dabei war die jährliche Underperformance in schlechteren Perioden mit maximal 143 Basispunkten vergleichsweise gering. In guten Jahren gab es dagegen mitunter hohe Outperformances: Im Jahr 2001 waren es 1’200 Basispunkte, 2002, 2004 und 2011 jeweils über 400 Basispunkte. Im Durchschnitt hat der Multifaktor-Index seit 2001 jährlich eine Überschussrendite von 228 Basispunkten verbucht, was zeigt, welchen buchstäblichen Mehrwert diese Multi-Faktor-Strategien bieten können.
Raimund Müller, Leiter Passive & ETF Specialist Sales Schweiz und Liechtenstein, verfügt über eine 15-jährige Erfahrung in der Finanzindustrie mit besonderer Expertise in der Betreuung institutioneller Anleger. Seit 2012 ist er für die UBS AG im Asset Management in Zürich tätig. Vor dem Wechsel zur UBS AG arbeitete er in der Betreuung institutioneller Anleger im Asset Management der Deutschen Bank und bei Lombard Odier. Raimund Müller ist Certified International Investment Analyst (2008). Er beendete seine Studien an der Curtin University of Technology in Perth mit einem Master of Economics und Finance (2005) und an der ZHAW in Winterthur mit einem Bachelor of Business Administration (2003).