Finanzen.net funktioniert wie Google für Finanzinstrumente

29.04.2015
Herr Merle, finanzen.net ist innerhalb der letzten 15 Jahre zum grössten Finanzinformations-portal Deutschlands geworden und gehört zu den grössten in Europa. Woran messen Sie Grösse?
Grösse ist in unserer Branche natürlich auch immer eine Frage der Beliebtheit, die sich in Form von Seitenabrufen und Nutzerzahlen äussert. Mit mehr als einer Milliarde Seitenabrufen im Jahr 2014 ist unser Portal Marktführer. Die nackten Zahlen allein sagen aber noch nicht viel über den Trend aus, der klar nach oben zeigt. So gab es im Januar neue Rekordwerte: Ganze 4,14 Millionen Unique User nutzten finanzen.net Anfang des Jahres. Wir erzielten insgesamt 32 Millionen Besuche und 186 Millionen Seitenaufrufe über unsere Informationsprodukte, wobei rund 40 Prozent der Seitenaufrufe bereits über Handys und Tablets vorgenommen werden. Doch auch Inhalte kann man als Messgrösse nutzen: Mittlerweile stellen wir Kursinformationen von über 100 Handelsplätzen aus 50 Ländern zur Verfügung. Die Nutzer des Portals sind Privatanleger, die über ihre Geldanlage selbst entscheiden, sowie diverse Intermediäre wie Finanzvertriebe, IFAs und Berater aus Privatbanken, Volksbanken und Sparkassen.
Worauf führen Sie den Erfolg der Finanzportale zurück?
Neben dem allgemeinen Interesse an Börse ist ein weiterer Grund für den Erfolg naheliegend: Man muss sich immer wieder vergegenwärtigen, wie relativ jung das Internet ist. Vor 20 Jahren hatten die wenigsten einen Onlinezugang - viele wussten noch nicht einmal, was das Internet überhaupt ist. Zu dieser Zeit ging man in der Regel zu seiner Hausbank, um sich in finanziellen Dingen beraten zu lassen. Im Laufe der Jahre lernten immer mehr Leute, wie man schnell und gut Informationen aus dem Netz bekommen kann. Dabei spielen Selektionstools, mit denen sie zum Beispiel die zum Markt passenden Finanzprodukte finden, sowie Musterdepots zur Orientierung und Übersicht eine wichtige Rolle. Durch Echtzeitkurse und eine bessere Nachrichtenversorgung ist die Faszination Börse für jedermann erlebbar. Und auch der mobile Zugang zu Informationen wird für Nutzer immer wichtiger, besonders in volatilen Marktphasen.
Gibt es Finanzprodukte, die im Zuge der wachsenden Online-Affinität besonders gefragt sind?
Ein schönes Beispiel dafür sind ETFs. Vor einigen Jahren wusste kaum ein Privatanleger, was ein börsengehandelter Indexfonds ist. Nachdem immer mehr Investoren mitbekommen haben, dass sie für diese Fonds erheblich weniger Gebühren zahlen als für klassische Investmentfonds, die ihnen ihre Hausbank offeriert, wurde das Interesse an den neuartigen Produkten immer grösser. Anstatt bei der Filialbank einen Fonds zu kaufen, zogen es immer mehr Anleger vor, einen ETF über ihren Online-Broker zu erwerben. Im Gegenzug müssen sich die Anleger über die entsprechenden Märkte selbst ein Bild machen, in welche sie investieren wollen. Und das geschieht nicht zuletzt auch übers Internet, sprich die Finanzportale. Das Prinzip gilt mittlerweile aber auch für Investmentfonds, die im Vergleich zum Bankschalterverkauf im Internet deutlich günstiger angeboten und von den sogenannten Selbstentscheidern eigenverantwortlich ausgesucht werden. Auch hier können sich Portalnutzer schnell und unkompliziert die Fondsperformance und andere wichtige Kennzahlen genauer ansehen.
Welchen Mehrwert bieten Finanzinformationsportale für Fonds- und ETF-Anbieter?
Unser Portal funktioniert wie Google für Finanzinstrumente mit relevanter Nachrichtenversorgung und einer individuellen Beobachtungsfunktion für Anleger. Auf einem guten Finanzportal sieht man die wichtigsten Kennzahlen und Infos zu dem Finanzprodukt auf einen Blick. Kurse - am besten in realtime - sind natürlich die am meisten abgerufene Information. Weiterhin interessiert Anleger, welches Potenzial Aktienanalysten dem Basiswert oder der Benchmark zutrauen. Diese und andere relevante Informationen sind innerhalb kürzester Zeit abrufbar.
Wir können zudem als Portal-Anbieter anhand der Seitenaufrufe erkennen, welche Bereiche Anleger besonders interessant finden. Asset Manager können damit ihr Publikum über unser Portal durch unsere AdServer-Technologie zielgenau ansprechen und entsprechend mit Informationen und Service versorgen. Ein Beispiel: Wenn sich ein Nutzer für einen bestimmten Basiswert, einen Index oder eine passende Nachricht zu diesen Underlyings interessiert und als ETF-/ Fondaffiner-Nutzer gekennzeichnet wurde, kann eine passende Werbung ausgespielt werden. Angesichts der immer grösser werdenden Gruppe von Selbstentscheidern steigt auch das Interesse an innovativen Produkten, die zugleich erklärungsbedürftig sind. Hier gilt es, sich als Asset Manager mit neutralen Informationen als Experte zu positionieren - also klassisches Content-Marketing zu betreiben. Nicht zuletzt spielt auch die Visibilität in der Zielgruppe eine wichtige Rolle - besonders zum Marken- und Vertrauensaufbau. Diese kann beispielswiese durch permanente Integrationen mit Nutzermehrwert erreicht werden. Content-Integrationen und Distribution von Nachrichten werden als Service-Leistung für den Nutzer wahrgenommen.
Immer mehr Finanzprodukt-Anbieter nutzen ebenfalls den intelligenten Einsatz moderner Technologien. Sieht finanzen.net «Fintech» und die neue Endanleger-Kommunikation eher als Wettbewerb oder Ergänzung?
Wir sehen uns ganz klar als Ergänzung zu den neuen Firmen aus der Fintech-Welt. Sie sind eher eine Konkurrenz für die althergebrachten Finanzhäuser. Die neuen Fintech-Unternehmen erleichtern den Einsatz beispielsweise von ETFs; finanzen.net wiederum versorgt Endanleger, aber auch die Fintech-Unternehmen mit aktuellen Marktdaten.
Zum Schluss Ihre eigene Einschätzung: Wird es auf die nächsten 15 Jahre das traditionelle Bankgeschäft noch geben oder werden es vorrangig IT-Unternehmen im Geldgeschäft sein?
Banken sind immens mit dem Thema Regulierung beschäftigt und werden nicht mit den Finanzinnovationen aus der Online-Welt mithalten können. Hinzu kommt, dass die fehlende Marge aus Zinsprodukten die Lage der Banken nicht gerade verbessern dürfte.
Nahezu jeden Tag hört man von neuen IT-Unternehmen, die Innovationen beispielsweise für die vereinfachte Geldanlage oder Geldtransaktion anbieten. Und die grossen Player wie Facebook, Google, Apple und Amazon haben über ihre Kanäle den Zugang zu über einer Milliarde Nutzern mit angereicherten, personalisierten Daten. Es ist also aus meiner Sicht nur eine Frage der Zeit, wann diese Unternehmen den eingeschlagenen Weg forcieren (Apple Pay, Paypal) oder in dieses Geschäft einsteigen werden. Die klassischen Geldinstitute müssen daher aufpassen, dass sie nicht die Kundenbeziehung verlieren und zum «Abwickler» degenerieren. Online-Banken und besonders Fintech-Unternehmen sind schon näher am Puls der Zeit. Das Bankgeschäft von morgen ist eine Technologie-Schlacht und der Kampf um den Zugang zum Nutzer - und dieser Prozess hat nicht erst seit gestern begonnen.
Lars Merle ist Mitglied der Geschäftsleitung bei finanzen.net. Merle verfügt über langjährige Erfahrung in der Führung und dem Ausbau von Finanzinformationsportalen. Seit Januar 2015 verantwortet er den Vertrieb und den Ausbau neuer Geschäftsfelder bei finanzen.net.