Fintech, Blockchain, ICO & Co: Gekommen um zu bleiben!

CEO, Betreiber der ETF-Infoplattform 10x10.ch und Veranstalter der Finance 2.0
financialmedia AG, Zürich
10x10.ch
02.03.2018
Herr Borini, seit vielen Jahren sind Sie auch als Digital-Finance-Experte unterwegs. Was geht gerade ab in diesem Thema?
Derzeit laufen ganz viele spannende Entwicklungen. Im EU-Raum ist seit dem 13. Januar 2018 die neue Zahlungsdienstrichtlinie PSD2 gültig und verlangt eine Öffnung der Bankkunden-Schnittstelle. Das ist Chance und Gefahr zugleich, sowohl für etablierte Banken wie aber auch für Fintech-Firmen. Weiter gehen diverse Blockchain-Projekte in Produktion und müssen den Beweis dieser revolutionären Technologie erbringen. Eine andere interessante Entwicklung zeigt sich bei den jungen Fintech-Firmen: Viele konnten den Beweis erbringen, dass ihre Lösung eine breite Kundenschicht anspricht und werden nun weiter schnell wachsen.
Haben Sie konkrete Beispiele?
Blicken wir in die USA: Seit rund drei Jahren ist Robinhood am Start. Das junge Unternehmen bietet kostenlosen Handel von Aktien und ETFs via Smartphone an. Inzwischen ist das Unternehmen auf rund 1,3 Mrd. US-Dollar bewertet und weist einen Kundenstamm von über drei Millionen Kunden auf. Gerade kürzlich haben sie den Handel von Cryptowährungen gestartet. Auf der Warteliste standen im Januar über eine Million Interessenten. Das ist verrückt!
Wie haben die etablierten Online Broker reagiert?
Mit Gebührensenkungen! Im Frühling 2017 haben diverse Online Broker wie Charles Schwab oder E-Trade über Nacht ihre Gebühren bis zu 35 Prozent gesenkt. Warum wohl? Sie haben das schnelle Wachstum von Robinhood unterschätzt und mussten reagieren. Ich frage mich dann schon, wie Kunden eines etablierten Online Brokers reagierten, als die Gebühren plötzlich um einen Drittel purzelten. Ich möchte nur eine Zahl noch liefern: E-Trade ist seit über 20 Jahren aktiv und hat 3,5 Millionen Kunden. Also nur 17 Prozent mehr als das Jungunternehmen Robinhood.
Auf der letztjährigen Finance 2.0 Konferenz trat der Gründer von Revolut auf. Auch dieses Fintech konnte kürzlich erfolgreiche Wachstumszahlen kommunizieren.
Richtig. Der Gründer Nikolay Storonsky hatte seine grosse Schweizer Premiere bei uns an der Finance 2.0. Übrigens auch die Challenger Bank N26 aus Deutschland. Einer der Mitgründer stand 2014 auf unserer Bühne. Revolut vermeldete kürzlich, dass sie über 1,5 Millionen Kunden aufweisen, vor einem Jahr waren es noch rund 500‘000 Nutzer. Auch dieser Case zeigt sehr gut wie Banking künftig sein soll: Die Lösung ist komplett aus Kundensicht entwickelt und der Grundsatz «Simplicity» steht im Vordergrund. Und genau diese beiden erwähnten Beispiele zeigen, dass Fintech ein Problem lösen kann und die jungen Wilden damit viele Kunden, ja sogar Fans, gewinnen können. Fintech ist gekommen um zu bleiben!
Aber es gibt auch solche, die es nicht geschafft haben und vermutlich müssen noch weitere ihre Fahnen einziehen.
Ja, das ist die Schattenseite dieser Entwicklung, aber das gehört zum Spiel. Viele haben es unterschätzt wie schwierig es ist, an Neukunden heranzukommen. Ebenso die hohen Sicherheitsanforderungen sind ein grosser Kostenfresser, und sie haben nicht das Vertrauen, welches Banken geniessen. Nicht vergessen darf man, dass - vor allem auch in der Schweiz - sehr viele Fintechs im B2B tätig sind und die arbeiten sehr eng mit Banken zusammen. Diese sind für die meisten gar nicht sichtbar. Jetzt hat sich aber noch ein neues Fenster geöffnet: Crypto Finance. Im «Crypto Valley» Zug geht regelrecht die Post ab.
Sie meinen damit Kryptowährungen, Blockchain, ICO & Co. Ist in diesem Segment nicht viel Hype?
Man muss mit diesem Begriff vorsichtig umgehen. Ja, derzeit ist viel Hype in diesem Thema, doch auch sehr viel Substanz. Und ja, der Bitcoin-Kurs ist im letzten Jahr explodiert und korrigierte stark. Übrigens, viele andere Kryptowährungen legten um ein Vielfaches mehr zu. Aber einfach pauschal alles als Hype abzustempeln, greift zu kurz. Genau deswegen werden wir das Thema ICO und Blockchain-basierte Geschäftsmodelle auf einem Panel mit führenden Experten diskutieren, damit es einfacher wird, zwischen Hype und Substanz zu unterscheiden.
Banken sind aber sehr zögerlich…
(unterbricht) Was heisst zögerlich? Die meisten wenden sich diesem Thema mehr oder weniger komplett ab, ausser natürlich bei der Technologie dahinter, der Blockchain. Fairerweise muss ich sagen, dass ich ihre Bedenken um Geldwäscherei & Co. schon verstehen kann und dass dann oft die Compliance abwinkt. Aber es gibt sehr wohl Möglichkeiten, aktiv dabei zu sein und die ganze Thematik von KYC/AML kann gelöst werden. Da gibt es schon handfeste Beweise.
Müssen also Banken und Vermögensverwalter sich diesem Thema annehmen?
Ich empfehle den Finanzinstituten, dieses Thema genau zu verfolgen. Schon allein wegen den Kunden. Nicht nur die Millennials zeigen ein grosses Interesse, sondern immer mehr auch sehr vermögende Kunden. Und diese stellen doch Fragen. Und ab und an frage ich mich dann schon, wie ein HNWI-Kundenberater auf Fragen zu diesem Thema reagiert. Die meisten zucken die Schultern. Das kann es doch nicht sein, oder? Als Bank oder Vermögensverwalter würde ich in Wissen investieren.
Nochmals: Ist Cryptofinance gekommen um zu bleiben?
Ja. Einiges wird verschwinden, die Substanz überlebt und wird überproportional wachsen. Übrigens, aus dem Platzen der Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende sind Konzerne wie Google oder Facebook entstanden.
Was für Highlights haben Sie an der diesjährigen Finance 2.0 am 20. März in Zürich - das ist ja inzwischen die grösste Digital-Finance-Plattform der Schweizer Szene?
Also sicherlich ist schon mal allein der Aspekt auf über 350 Maker & Shaker der Finanzindustrie und Tech-Szene zu treffen. Eine hervorragende Möglichkeit für den Austausch. Ein Highlight ist sicherlich die Keynote des neuen Group CEO der SIX. Er wird erstmals - und zwar nach 79 Tagen und nicht nach 100 Tagen seit seinem Start, Einblicke in die neue SIX-Strategie bringen. Ich denke, SIX hat ein paar spannende Themen in der Pipeline. Zudem zeigen wir diverse Innovationen, die künftig für Furore sorgen werden. Übrigens, Ihren Lesern offerieren wir einen 20%-Rabatt auf ein reguläres Ticket. Dazu können die Interessierten bei der Anmeldung diesen Code eingeben: Fundplat-F20-20
Rino Borini ist Mitgründer und CEO der financialmedia AG in Zürich. Das unabhängige Medienhaus gibt verschiedene Publikationen im Wirtschafts- und Finanzbereich heraus und veranstaltet zahlreiche Veranstaltungen wie die schweizweit grössten Fintech-Konferenzen, Finance 2.0. Rino Borini leitet den Certificate of Advanced Studies (CAS) «Digital Finance» an der Hochschule Zürich. Zuvor war er in leitenden Funktionen in der Finanzindustrie tätig.