«Fintechs sind die Innovationstreiber im Finanzmarkt»

14.09.2018
Herr Puchalla, Sie sind ein ausgewiesener Kenner der Fintech-Szene in Deutschland und über die Grenzen hinaus. Was geht Ihnen spontan durch den Kopf?
Fintechs sind weiterhin die Innovationstreiber im Finanzmarkt. Allerdings haben sich die Vorzeichen deutlich gewandelt: Verfolgten viele Fintechs anfangs noch einen disruptiven Ansatz, geht es inzwischen weniger um eine Konfrontation als vielmehr um eine Kooperation mit den etablierten Marktteilnehmern.
Dieser Ansatz hilft beiden Seiten, indem die klassischen Finanzdienstleister vom digitalen Know-how der Fintechs profitieren und die Startups ihre innovativen Services einer breiteren Kundenbasis anbieten können. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Kooperation der ING Diba mit dem Robo Advisor Scalable.
Ein weiterer Trend ist die Umkehr vom «Unbundling» zum «Rebundling»: Anfangs konzentrierten sich die Fintechs auf singuläre Services und zerlegten die Dienstleistungen der traditionellen Finanzinstitute in ihre Einzelteile. Inzwischen gewinnen Plattformen an Bedeutung, welche die einzelnen Services wieder bündeln und dem Kunden ihre Leistungen aus einer Hand anbieten. Ein Beispiel hierfür ist das Fintech N26, das 2013 als reine Girokonto App startete und sich inzwischen zur kompletten Online Bank weiterentwickelt hat.
Haben Sie bei allen Entwicklungen und ihrer Geschwindigkeit noch den Überblick?
Wir beobachten systematisch den Markt, um Innovationen und neue digitale Geschäftsmodelle rechtzeitig zu erkennen. Dabei können mein Geschäftspartner Florian Oswald und ich auf über 25 Jahre Erfahrung im Bereich Internet und Finanzen zurückgreifen. Das hilft uns dabei, den Fokus auf die wesentlichen Entwicklungen zu richten und kurzfristige Hypes herauszufiltern.
Darüber hinaus praktizieren wir seit drei Jahren im Rahmen unserer eigenen «Digital Finance»-Veranstaltungsreihe einen branchenübergreifenden Know-how-Transfer und fördern den Dialog zwischen etablierten Finanzdienstleistern und Startups.
Für welche Bereiche sehen Sie das grösste Zukunftspotenzial?
Aus meiner Sicht gehört die Zukunft den offenen Plattformen, auch in der Finanzindustrie. Plattformen sind das zentrale Geschäftsmodell der digitalen Ökonomie, indem sie existierende Märkte erweitern und komplett neue Märkte schaffen. Google als Suchmaschine bringt Anbieter und Nachfrager von Informationen zusammen, die sich sonst vielleicht nie gefunden hätten. Im Finanzmarkt werden sich die offenen Banking-Plattformen mit der besten Auswahl an digitalen Services durchsetzen, die ihre Kunden unterstützen und beraten können. Der Schlüssel für eine erfolgreiche Positionierung dieser Plattformen liegt in einer flexiblen Kooperation mit Drittanbietern (wie zum Beispiel Fintechs) sowie im direkten Zugang zum Kunden und seinen Daten. Die spannende Frage ist, ob die Banken dabei ihre Marktstellung an Technologiefirmen wie zum Beispiel Google verlieren könnten, die bereits mit ihren eigenen Fintech-Ökosystemen gestartet sind.
Können Sie ein paar Worte zum Thema Robo-Advisor sagen?
Die Robo Advisor haben sich in den letzten Jahren mit ihren passiven Anlagekonzepten bei der digitalen Kundengruppe positioniert und neue Massstäbe bezüglich Transparenz und Gebührenstruktur gesetzt.
Nun erobern die klassischen Vermögensverwalter mit ihren aktiven Anlagekonzepten das digitale Feld. Als Beispiel ist die DJE Kapital AG zu nennen, die als First Mover im Mai 2017 mit ihrer digitalen Vermögensverwaltung «Solidvest» erfolgreich gestartet ist. Neben «Solidvest» hat FinTechCube unter anderem auch das Vergleichsportal «www.vermoegens-fuchs.de» als zentrale Plattform für digitale Vermögensverwalter im Auftrag der Baader Bank entwickelt und technisch umgesetzt.
Die Robo Advisor erhalten also zunehmend Konkurrenz und müssen noch beweisen, dass ihre Geschäftsmodelle dauerhaft tragfähig sind.
Wie positionieren Sie Ihr Unternehmen für das laufende und das nächste Jahr?
FinTechCube wird seine Markstellung als führender Solution Provider für Digitalisierungsprozesse in den Geschäftsmodellen von Finanzdienstleistern weiter ausbauen - mit zukünftiger Ausweitung der Aktivitäten auf die Schweiz und Österreich. Unser Ziel ist es, dort ebenso nachhaltige und langfristige Geschäftsbeziehungen mit Partnern aufzubauen, wie uns dies in den letzten Jahren in Deutschland geglückt ist. Dabei ist FinTechCube durch seine Wurzeln im Aufbau und in der Beratung von Startups in der Lage, Finanzdienstleistungen neu und unkonventionell zu denken. Das heisst, wir sehen die Digitalisierung als zentrale Triebfeder für nutzbringende Innovationen und nicht als Bedrohung!
Gregor Puchalla leitet seit Dezember 2015 zusammen mit Florian Oswald, Vorstand der FINANCE BASE AG, die Geschäfte der FinTechCube GmbH. FinTechCube ist der führende Solution Provider im Fintech-Segment und bündelt Finanzkompetenz sowie Technologie- und Daten-Know-how mit der langjährigen Expertise als Company Builder. Das Ziel von FinTechCube ist, die Entwicklung und der Aufbau neuer, nutzerorientierter Fintech-Geschäftsmodelle als Startup und im Auftrag von Banken, Vermögensverwaltern und Versicherungen. Gregor Puchalla ist seit über zehn Jahren auf operativer und strategischer Ebene im Bereich Internet und Finanzen tätig und ist Experte für die Konzeption von Web- und Mobile-Applikationen sowie die Leitung von Lizenzkundenprojekten für Finanzdienstleister. Vor seiner Tätigkeit bei etventure war Puchalla Geschäftsführer der vwd netsolutions GmbH, die unter anderem das führende Finanzportal «finanztreff.de» betreibt.