«Fintechs werden die Finanzbranche grundlegend verändern»

29.05.2015
Herr Puchalla, Sie waren bis vor einigen Monaten verantwortlich für eines der führenden deutschen Finanzportale, das auch in der Schweiz ein Begriff ist. Jetzt sind Sie in der Fintech-Szene tätig. Wurde es Ihnen langweilig?
Langweilig wird es in der Finanzbranche bekanntlich nie, aber nach vier Jahren als Geschäftsführer von finanztreff.de und insgesamt zehn Jahren Tätigkeit für die vwd group war es Zeit für eine neue Herausforderung. Fintech ist das nächste grosse Thema, welches den Finanzsektor grundlegend verändern wird. Bereits für finanztreff.de habe ich Kooperationen mit Fintech-Startups wie z.B. ayondo oder yavalu geschlossen und darüber hinaus die vwd group bei der digitalen Transformation einiger ihrer Geschäftsmodelle unterstützt. Dadurch habe ich erfahren, mit welcher Innovationskraft Fintechs in den Markt drängen und mit welcher Nachhaltigkeit die Digitalisierung bestimmte Geschäftsmodelle verändert - und wie schwierig es für Konzerne ist, mit der Geschwindigkeit dieser Entwicklung Schritt zu halten.
Was macht Ihr Unternehmen genau?
Die FintechStars GmbH wurde Ende November 2014 von der etventure Holding gegründet, die als Digitalberatung und Company-Builder tätig ist. FintechStars konzentriert sich auf zwei Bereiche: Zum einen ergänzen wir mit unserer Expertise zum Thema Fintech die bestehenden Startup- und Beratungs-Aktivitäten von etventure. Dadurch können Unternehmenspartner ganzheitlich bei der Umsetzung ihrer Fintech-Vorhaben unterstützt werden. Zum anderen baue ich bei FintechStars eine Knowledge-Unit auf, die anhand umfassender Research-Aktivitäten kontinuierlich Marktchancen identifiziert. Unser Ziel dabei ist die Evaluierung und Umsetzung ausgewählter Geschäftsmodelle mit Partnern aus der Finanzbranche.
Ist Berlin dafür ein guter Ort?
Die Fintech-Community in Berlin wächst beständig. Neben einer zunehmenden Anzahl von Fintech-Events lässt sich ein steigendes Interesse in- und ausländischer Investoren an Fintech-Startups in Berlin beobachten. Ein prominentes Beispiel dafür ist der Paypal-Gründer und Internet-Milliardär Peter Thiel, der sich vor einem Monat zusammen mit weiteren Investoren beim Berliner Girokonto-Startup Number26 mit zehn Millionen Euro engagierte. Bei Gründern punktet Berlin vor allem mit seinen günstigen Lebenshaltungskosten und seinem Potenzial an gut ausgebildeten sowie internationalen Mitarbeitern. Wir freuen uns sehr, dass wir mit dem Berliner etventure-Büro mitten im Herzen dieser lebendigen Startup-Szene zuhause sind.
Was sind aus Ihrer Sicht die interessantesten Entwicklungen im Fintech-Bereich?
Die Entwicklung im Fintech-Bereich gewinnt immer mehr an Fahrt. Laut einer Studie von Accenture haben sich die Investitionen in Fintechs 2014 im Vergleich zum Vorjahr auf weltweit 12 Mrd. US-Dollar verdreifacht. Neben den Startups, die mit neuen Services unter anderem im Bereich Online- / Mobile-Payment, Peer-to-Peer Lending, Personal Finance Management und Online-Services rund um Geldanlagen die Innovation im Markt vorantreiben, setzen auch grosse Digital Player wie Apple, Facebook und Google die Banken zunehmend unter Druck. Dabei orientieren sich die neuen Wettbewerber erfolgreich an den Bedürfnissen ihrer Kunden und daran, was die Kunden heutzutage bei den Banken am meisten stört (den sogenannten «Pain Points»). Daraus leiten die Fintechs mit innovativen Methoden schnell und kundenorientiert neue digitale Produkte ab - und sind damit den meisten Banken einen grossen Schritt voraus.
Welche Trends erkennen Sie in der Fonds- und ETF-Branche?
Fintechs gestalten die Geldanlage im Internet einfach und setzen neue Benchmarks bezüglich Transparenz und Gebührenstruktur. Davon profitiert die ETF-Branche: Die sogenannten «Robo-Advisors» ermitteln online die Risikopräferenzen und Anlageziele eines Investors und empfehlen ihm in Abhängigkeit vom Ergebnis ein Portfolio basierend auf unterschiedlichen ETFs. Die neuen Wettbewerber positionieren sich erfolgreich als kostengünstige Konkurrenz zum Wealth Management der Banken - ihre Assets under Management (AuM) haben 2014 global insgesamt 14 bis 19 Mrd. US-Dollar erreicht und wachsen weiterhin stark. Die Fondsbranche reagiert unterschiedlich auf die neuen Player: Einerseits durch Beteiligungen wie z.B. Schroders, die 2014 als Lead-Investor beim britischen Robo-Advisor Nutmeg eingestiegen ist. Andererseits durch Kooperationen wie z.B. Fidelity, die seit Oktober 2014 mit dem US-amerikanischen Startup Betterment kooperiert und ihren 3’000 Beratern somit die Nutzung der Online-Plattform und die digitalen Services von Betterment ermöglicht.
Was sind Ihre nächsten Projekte?
Ich freue mich sehr, dass wir gerade die erste Ausgabe unseres FintechStars-Reports veröffentlicht haben. Dieser Research-Report hilft Entscheidungsträgern dabei, die digitale Transformation in der Finanzbranche und die innovativen Geschäftsmodelle einzelner Startups besser zu verstehen und zeigt anhand ausgewählter Best Practice Beispiele, wie die etablierten Player von den Stärken der neuen Wettbewerber profitieren können. Eine kostenlose Leseprobe steht unter fintechstars.com zum Download zur Verfügung. Darüber hinaus organisieren wir Veranstaltungen wie z.B. eine Banking- und Fintech-Konferenz zum Thema «Wealth Management 2020» am 1. Oktober 2015 in Berlin. Im Rahmen der eintägigen Konferenz werden ausgewählte Fintech-Startups und Banken unter Anleitung von Design Thinking Coaches strategische Optionen für das Wealth Management erarbeiten und zukünftige Kooperationsmodelle diskutieren. Wir sind schon sehr gespannt auf diesen Blick in die Zukunft!
Gregor Puchalla leitet seit November 2014 die FintechStars GmbH, die von der Digitalberatung und Startup-Schmiede etventure gegründet wurde. Puchalla ist seit über zehn Jahren auf operativer und strategischer Ebene im Bereich Internet und Finanzen tätig und bringt umfangreiches Know-how in der Entwicklung und Vermarktung von Finanzportalen mit. Darüber hinaus hat er langjährige Expertise in der Konzeption von Web- und Mobile-Applikationen sowie in der Leitung von Lizenzkundenprojekten für Finanzdienstleister und Medienunternehmen. Zuletzt war Gregor Puchalla Geschäftsführer der vwd netsolutions GmbH, die unter anderem das führende Finanzportal finanztreff.de betreibt.