Fintool.ch - denn wir möchten, dass Sie Finanzesisch verstehen

23.09.2015
Herr Prof. Heri, Sie zählen mit Ihrer aussergewöhnlichen Karriere zu den bekannten Namen auf dem Schweizer Finanzplatz. Was waren die prägendsten Abschnitte?
Wichtig war und ist für mich vor allem, dass ich bei all meinen Positionen in der Privatwirtschaft, sei dies als Anlagechef beim damaligen Bankverein, als CIO/CFO der ehemaligen Winterthur Versicherung, später bei der Credit Suisse und schliesslich als Mehrfach-Verwaltungsrat meine Lehr- und Betreuungstätigkeit an der Universität aufrecht erhalten konnte. Ich denke sowohl meine Studenten und Doktoranden als auch die jeweiligen Arbeitgeber und Kunden haben von dieser Kombination profitiert.
Andere würden sich zur Ruhe setzen…
Verständnis über die Prozesse und Funktionsweise der Finanz- und Anlagemärkte in einem immer komplexer werdenden wirtschaftlichen Umfeld, sowie das Weitergeben dieses Verständnisses mit all seinen Unwägbarkeiten und Imponderabilien waren immer nicht nur mein Beruf sondern auch meine Leidenschaft und mein Hobby. Das hat nichts mit dem Alter zu tun.
Und als Resultat daraus haben Sie Fintool.ch gestartet.
Man muss da ein wenig aufpassen. Der Content von Fintool ist das eine. Fintool war und ist für uns aber auch technisch eine Herausforderung. Wir sind ein Internet Start-up und kämpfen an den unterschiedlichsten, nicht zuletzt auch technischen Fronten. Ohne meine Partner hätten wir das Ding nie zum Laufen gebracht. Natürlich ist der «Frontmann» etwas mehr exponiert, und am Schluss schauen alle auf den Inhalt und die Art und Weise der Präsentation. Aber all das, was «hintenherum» an Technischem alles funktionieren muss, ist ein Riesending und daran arbeitet ein ganzes Team.
Und was sind die längerfristigen Ambitionen?
Wir wollen ein unabhängiges und neutrales Portal für Finanz- und Anlagewissen für Jedermann bauen, das ausschliesslich auf Kurzvideos basiert - eine unabhängige und neutrale Videothek des Finanzwissens für Jedermann.
Dabei ist es nicht so, dass das finale Drehbuch bereits auf Papier bestehen würde, so im Sinne eines Inhaltsverzeichnisses bei einem Buch. Das Konzept ist in unseren Köpfen und wir arbeiten das einfach nach und nach ab. Wir malen mit anderen Worten das grosse Bild des Finanzwissens für Jedermann, schneiden das Bild auseinander - wie ein Puzzle - und die einzelnen Schnipsel sind unsere Videos. Am Schluss fügen wir das Ganze in einzelnen Kapiteln - wir nennen sie Wissensgefässe - wieder zusammen.
Wie weit sind Sie schon damit?
Inzwischen (Herbst 2015) finden sich rund 140 Videos auf unserer Homepage, die wir bereits in einzelne Wissensgefässe eingebunden haben. Wöchentlich kommen zwei neue hinzu, die man entweder über die Homepage oder über unsere fintool-App alle kostenfrei beziehen kann. Wer sich registriert (ebenfalls kostenfrei), bekommt die Videos zweimal wöchentlich per E-Mail in seine Mailbox. Inzwischen haben wir inklusive der Abonnenten in unserem YouTube-Kanal eine Community von über 4’000 Mitgliedern. Über die App können wir noch nicht viel sagen, die ist noch ganz neu.
Und wie geht es weiter?
Im Sommer haben wir auf Responsive Design umgestellt - damit sieht unser Auftritt je nach verwendeter Hardware optimiert unterschiedlich aus - unsere IT-Leute waren der Meinung, das müsse man heute haben - also haben wir es gemacht. Des Weiteren haben wir die oben erwähnte App gebaut. Auch das war nicht ganz so einfach, wie wir gemeint haben. Und nun arbeiten wir an einer Such- und Navigationsfunktion. Wir sind der Meinung, dass erst dies uns letztlich dann zu einem Wissensportal macht. Ohne Such- und Navigationsmöglichkeit bleiben wir eine einfache Videothek. Auch gut, aber nicht ganz das, was wir anstreben. Sie sehen, die Kiste unserer Aufgaben ist als noch ziemlich voll.
Und wer finanziert die ganze Geschichte?
Wie gesagt, wir sind ein Internet Start-up. Die erste Finanzierungsrunde haben wir selber bestritten, die Partner arbeiten grösstenteils umsonst. Wir möchten Fintool auch in Zukunft kostenfrei anbieten. Wir sind der Meinung, dass die Finanzindustrie ein fundamentales Interesse daran haben sollte, dass ihre Kundschaft über besseres Basiswissen verfügt. All die Entwicklungen im Bereich Compliance, MIFID, etc. gehen in die gleiche Richtung. Auf dieser Ebene arbeiten wir und suchen natürlich Sponsoren, welche die Entwicklung langfristig mit uns tragen. Wir können hier auch schon einzelne Erfolge aufweisen, die wir - dort, wo wir das Einverständnis bekommen - im Abspann unserer Videos auflisten. So wurden beispielsweise einzelne Expansionsprojekte grosszügigerweise vom Zürcher Bankenverband finanziert. Auch an der Finanzierung arbeiten wir natürlich weiter.
Erwin W. Heri ist ein «Hybrid» in der internationalen Finanzmarktszenerie. Ausgebildet (Studium, Doktorat, Habilitation) in Bern, Basel, Ann Arbor und Stanford, war er zunächst als Dozent und später Professor für Nationalökonomie und Angewandte Statistik an der Universität Basel tätig, bevor er sich der Banken- und Finanzpraxis zuwandte.
In seiner praktischen Tätigkeit als Anlagemanager verantwortete er weit über 100 Mrd. Schweizer Franken. Zunächst als Führungsverantwortlicher des gesamten Research sowie des Anlage- und Fondsgeschäftes der früheren Bankverein-Gruppe (heute UBS), dann als Finanz- und Anlagevorstand der Winterthur Versicherungsgruppe, als Vorsitzender der Anlagekommission der Pensionskasse des Bundes (Publica) und schliesslich als Generaldirektor und Chief Investment Officer von Credit Suisse Financial Services. Von 2003 bis 2013 leitete Prof. Heri als Chairman eine an der Börse kotierte internationale Bankengruppe in Zürich (Valartis Bank).
Im Augenblick beschäftigt er sich mit der Entwicklung eines Internetportals für Finanzkompetenz (www.fintool.ch). Daneben betreut er eine Reihe von Mandaten im Anlage- und Finanzbereich und leitet unter anderem ein britisches Family Office in der Schweiz.
Während seiner ganzen Zeit in der Finanz- und Anlagepraxis behielt er seinen Status als Professor der Universität Basel bei, hielt dort seine Vorlesungen und betreute seine Doktoranden. Er betreute Forschungsseminarien und publizierte. Die Forschungsgebiete befanden sich immer im Bereich der praktischen Anwendungsmöglichkeiten der theoretischen Finanzmarktforschung, und ein wesentliches Anliegen war die «Übersetzung» der Finanzsprache und der Finanzprodukte für «den Mann auf der Strasse». So entstanden neben wissenschaftlichen Arbeiten auch eine Reihe populärwissenschaftlicher Abhandlungen, von denen sich die «Acht Gebote der Geldanlage» aus dem Jahre 1999 zu einem Bestseller entwickelten.
Tätigkeiten im wissenschaftlichen Bereich beinhalten die Vorlesungstätigkeit an der Universität Basel sowie am Swiss Finance Institute in Zürich, die Doktorandenbetreuung sowie Publikationen und Vorträge.