Fixed-Income-Indizes: Smart Beta wird der Trend in 2015

06.03.2015
Frau Ludwig, wenn Sie einen Anleihen- und einen Aktien-Index konstruieren, was sind die hauptsächlichen Unterschiede in Ihrer Arbeit?
Die grundsätzliche Herangehensweise, um Ideen zu entwickeln, bleibt dieselbe: Es ist wichtig, nahe an den Märkten zu sein, um neue Trends aufzuspüren und sich Änderungen des Marktumfeldes zu Nutze zu machen. Die Hauptunterschiede ergeben sich dann beim Aufsetzen, da das Universum der Anleihen viel grösser ist als im Aktienbereich. Zudem gibt es sehr viele unterschiedliche Ausprägungen und Features (z.B. Callable, covered, fixed, floating), die es sowohl bei der Kalkulation als auch bei der Selektion zu berücksichtigen gilt.
Und für einen Kunden von Solactive, der ihn als Underlying für ein Finanzprodukt einsetzt?
Während auf der Aktienseite vor allem auf Kursaufwertungen und Income-Generierung gesetzt wird, stehen für den Kunden bei Anleihen andere Kennzahlen wie Rendite, Rating und Duration im Vordergrund. Nichtsdestotrotz muss man berücksichtigen, dass gerade Privatanlegern der Index-Anleihenmarkt immer noch sehr fremd ist. Vergleicht man beispielsweise die globale Marktkapitalisierung von Aktien, so beträgt diese rund 65 Bn. US-Dollar¹, während bei Anleihen das weltweite Volumen etwa 90 Bn. US-Dollar² beträgt - also rund das 1,4-fache. Vergleicht man diese Zahlen mit dem investierten Volumen in Exchange Traded Products (ETPs), so ergibt sich ein anderes Bild. Von den global rund 2,7 Bn. US-Dollar³, die in ETPs investiert sind, fallen etwa 80 Prozent auf aktienbasierte ETPs und nur 15 Prozent auf Fixed-Income-Produkte. Ich denke, hier kann man durch gezielte Anlegerweiterbildung das Interesse auch verstärkt an Fixed-Income-Index-Produkten wecken.
Wegen der historisch tiefen Zinsen sind Anleihen besonders für institutionelle Investoren das zentrale Thema. Sehen Sie das auch so?
Das ist sicherlich ein wesentliches Thema. Viele Investoren wie Pensionskassen, Versicherungen und Stiftungen müssen bestimmte Renditen erwirtschaften und müssen dafür bestimmte Risikoklassen einhalten. Wenn mit Staatsanleihen keine Renditen mehr erwirtschaftet werden können, dann müssen diese Investoren über den Tellerrand schauen und sich um Alternativen kümmern.
Auch für Privatanleger wird das Thema zunehmend wichtiger. Aktuell «bunkern» viele Privatanleger ihr Geld auf Tagesgeld oder Festgeldkonten. Ich nehme an, dass das extreme Niedrigzinsumfeld dazu führen wird, dass auch diese Anleger anfangen werden, ihr Geld zu investieren, spätestens wenn sie realisieren, dass sie mit Tages- oder Festgeld real (also nach Inflation) sogar Geld verlieren.
Welches sind die anderen Vermögensklassen, die Sie mit Ihrem Team abdecken?
Solactive versucht, alle Asset-Klassen abzudecken. Deshalb sind wir im Aktien-, Fixed Income-, Rohstoff- und Optionsbereich aktiv, wobei der Fokus nach wie vor auf Aktien und Anleihen gelegt ist.
Was fällt bei Solactive unter den Begriff «Complex Indices»?
Unter Complex Indices fassen wir alle Indizes zusammen, die keine reine Delta-One-Struktur aufweisen. Dazu gehören Volatilitätsindizes, optionsbasierte Indizes, marktneutrale Strukturen, gehebelte Indizes oder Optimierungsindizes. Die meisten Kunden dieser Indizes sind grössere Investmentbanken, die diese Indizes mittels Swaps investierbar machen und nur in den seltensten Fällen ist ein öffentlich zugängliches Anlageprodukt auf diese Indizes begeben. Nichtsdestotrotz gehört der Complex-Bereich zu den am schnellsten wachsenden Abteilungen bei Solactive.
Wenn Sie die letzten zwölf Monate zurückschauen, welches waren die interessantesten Indizes, die Sie konstruiert haben?
Solactive hat zwei Geschäftsbereiche, das Aktienindexgeschäft, das von meinem Kollegen Henning Kahre geleitet wird und das Bond & Complex Indexgeschäft, das von mir verantwortet wird. Im Bondbereich gehört sicherlich der Solactive Green Bond Index dazu. Hier waren wir mit der Lancierung des Index im Mai 2014 die ersten, die den Green-Bond- Markt in Zusammenarbeit mit der Climate-Bonds-Initiative in einem Index abgebildet haben. Die Emissionserlöse von Green Bonds werden zur Finanzierung von Umwelt- und Klimaschutzprojekten verwendet. Der Markt ist sehr stark am Wachsen: So hat sich das ausstehende Volumen von Green Bonds in 2014 mehr als verdoppelt. Es wird geschätzt, dass in 2015 weitere 100 Mrd. US-Dollar an Green Bonds begeben werden. Dieser Trend spiegelt aber auch das Investoreninteresse an nachhaltigen Anlagemöglichkeiten wider.
In den USA kalkulierten wir mehrere Duration-hedged Indizes, die sich beispielsweise aus High-Yield-Anleihen zusammensetzen. Zudem wird mit einer Short-Position von Treasury- Anleihen versucht, das Zinsänderungsrisiko abzusichern. Diese Art von Index ist natürlich auf das aktuelle Umfeld in den USA abgestimmt, wenn man davon ausgeht, dass die Fed die Zinsen bald erhöhen wird.
Haben Sie etwas ganz besonders Spannendes auf Ihrem Tisch, das Sie uns verraten können?
Wir arbeiten sowohl im Aktien- als auch im Fixed-Income-Bereich verstärkt an Smart-Beta- Indexlösungen. Im Bondbereich werden die meisten Indizes immer noch nach ausstehendem Anleihenvolumen gewichtet. Überspitzt formuliert, könnte man also sagen, dass Unternehmen mit mehr Fremdkapital somit überbewertet werden. Hier bieten Smart-Beta-Indizes interessante Ansätze, um eine Outperformance zum Markt zu generieren.
Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Index-Industrie in den kommenden Jahren entwickeln?
Ich denke, die Konsolidierungswelle in der Industrie könnte sich in den kommenden Jahren fortsetzen. Wir haben dies bei grösseren Deals zwischen S&P und Dow Jones sowie Russell und LSE beobachten können und ich nehme an, durch die Regulierung werden weitere Indexanbieter veräussert werden oder verschmelzen. Ein grosser Punkt auf der Agenda zu ESMA und IOSCO spielt Unabhängigkeit und Transparenz, d.h. Indizes können nicht weiterhin von bankeninternen Indexabteilungen kalkuliert werden, sondern müssen zu einer unabhängigen Stelle outgesourced werden. Solactive als unabhängiger Berechner profitiert gerade von dieser Entwicklung im Markt, der zudem sämtliche Asset-Klassen abbildet.
¹ 2014, World federation of exchanges
² 2014, Bank for International Settlements
³ 2015, BlackRock ETP Landscape
Astrid Ludwig ist für das Bond & Complex Team bei Solactive AG in Frankfurt verantwortlich. Sie arbeitete im Strukturierte-Produkte-Bereich bei J.P. Morgan in London und Société Générale in Frankfurt, bevor sie bei Solactive in 2010 ihre Karriere begann. Sie hält ein Diplom der Hochschule Augsburg in Betriebswirtschaftslehre.