Fonds-Absatztrends 2017 - Nichts von der Stange

15.09.2017
Herr Delrieux, wo lagen in den letzten acht Monaten die Absatztrends?
Seit Jahresanfang nimmt die Tendenz zugunsten von Themen- und Boutiquenfonds weiter zu. Dieser Trend wurde schon in 2016 zunehmend sichtbar und fand im August 2017 seinen bisherigen Höhepunkt. Während Klassiker wie der Flossbach von Storch - Multiple Opportunities R, Kapital Plus oder auch Carmignac Patrimoine Abflüsse verzeichneten, konnten erstaunlich viele Fondsboutiquen zulegen. Gegenhalten muss man jedoch, dass der August ein eher schwacher Monat im Retail-Markt war, so dass besagte Zuflüsse im Sommer eher unterdurchschnittlich waren.
Woher stammt aus Ihrer Sicht die zunehmende Nachfrage nach Themen- und Boutiquenfonds?
Wir sehen unterschiedliche Gründe für die zunehmende Nachfrage. Zwei wesentliche Gründe, die das Fondsmanagement selbst bestimmen, sind Transparenz und Glaubwürdigkeit. Es wird honoriert, wenn ein Fonds mit «offenen Karten» spielt und Anleger genau wissen, in was sie investieren. Darüber hinaus ist die offene Kommunikation ein wichtiges Kaufargument. Bei allgemeinen Anfragen oder zur Fondsstrategie antwortet bei einer Boutique häufig das Management, bei grösseren Investmenthäusern mitunter ein englischsprachiges Call-Center. Die Nachfrage ist aber zu Teilen auch marktgetrieben. In den letzten Jahren verzeichneten viele Top Seller enorme Mittelzuflüsse. Die Folgen: zahlreiche Softclosings und mitunter auch Einbussen bei der Performancequalität.
Interessant. Also spielt für Anleger die Transparenz eine zunehmende Rolle?
Anleger füllen seit Jahren ihre Depots mit erfolgreichen Misch- und Strategiefonds aus den Häusern Flossbach von Storch, Deutsche Asset Management, BlackRock, J.P. Morgan und so weiter. Die Investitionsentscheidung basiert dabei auf Basis der Anlagestrategie, der Fondsgesellschaft oder den Renditeerwartungen. In welche Länder, Branchen oder Unternehmen investiert wird, ist dabei häufig unklar. Doch die Nachfrage nach diesen Informationen nimmt deutlich zu. In anderen Branchen spricht man bereits vom «bewussten Konsumenten» oder auch «Individualkunden», eine ähnliche Entwicklung trifft auf die Finanzbranche zu. Gründe gibt es zahlreiche, wie den Ausschluss von Investitionen in Regionen mit politischen Unsicherheiten oder der Kunde hat ein Faible für eine bestimmte Branche und möchte diese unterstützen und davon partizipieren.
Fondsboutiquen haben häufig deutlich weniger Marketing oder Vertriebspower - wie erfahren die Boutiquen dennoch Aufmerksamkeit?
In der Tat. Wir kennen zahlreiche Fondsboutiquen, die gar keinen Vertrieb haben. Häufig wurde der Fonds auch eher aus administrativen Beweggründen lanciert und ein Drittvertrieb war nie vorgesehen. Eine Boutique hat den Vorteil, dass sie sich auf eine oder wenige Strategien konzentrieren kann. Die Anlagestrategie prägt die Firmenphilosophie und wird zum Brand. Das kommt bei Anlegern glaubhaft rüber. Darüber hinaus sprechen sich erfolgreiche Fonds natürlich rum. Die klassische Mund-zu-Mund-Propaganda ist ein wesentlicher Vertriebskanal und Erfolgsfaktor für Boutiquen. Wir und unsere Marktbegleiter suchen stetig nach attraktiven Produktideen und stellen diese unseren Beratern aktiv vor. Beispielsweise haben wir Anfang 2016 den IP White vorgestellt. Damals war dieser gerade zweistellig im Fondsvolumen, inzwischen umfasst er beinahe 200 Mio. Euro. In diesem Jahr haben wir den Quint:Essence Strategy Social Media & Technology R präsentiert, der ausgewogene Tech-Mischfonds konnte von Januar bis heute unsere üblichen Mischfonds deutlich outperformen.
Welche weiteren Fonds konnten an diesem Trend bisher partizipieren, und wie sehen Sie die Absätze in den nächsten Monaten?
Neben besagten Fonds wie dem IP White und dem Quint:Essence Strategy Social Media & Technology R konnten seit Jahresanfang auch Fonds wie der Apus Capital Revalue Fonds, der 4Q-Special Income, der Deutscher Stiftungsfonds und der Wachstum Global deutlich zulegen. Wir gehen davon aus, dass dieser Trend weiterhin intakt bleibt. Treiber der Entwicklung werden weitere Softclosings, manch schwächelnde Performance einstiger Top Seller sowie der Umstand sein, dass bereits investierte und zufriedene Anleger mit neuen Investments in Themen investieren werden, die sie verstehen und unterstützen möchten.
René Delrieux verantwortet bei der Netfonds Gruppe unter anderem die Fondsselektion. Aufbauend auf Bedarfs- und Marktanalysen werden passende Investmentfonds dem unabhängigen Beratermarkt zugänglich gemacht. Die aktuellen Trends und Absatzzahlen im Fondsvertrieb werden von René Delrieux monatlich in der Fonds-Klima-Gruppe auf Xing zur Verfügung gestellt. Vor seiner derzeitigen Tätigkeit studierte er BWL an der CAU zu Kiel und war in der Wertpapierberatung bei der Sparkasse Mittelholstein AG tätig.