«Fondsanleger sind nicht im Risk-off-Modus»

11.05.2018
Herr Masarwah, Aktien haben in den ersten Monaten des Jahres reichlich Volatilität aufgebaut. Hat sich dies auf den Fondsmarkt insgesamt ausgewirkt?
Ja, das hat im Februar und März schon kräftig gerappelt! Risiko-Assets waren von der Rückkehr der Volatilität betroffen - sowohl auf der Aktien- wie auf der Bond-Seite. Aber, Hand aufs Herz: So wild war das gar nicht, auch wenn der Ton in den Medien teilweise alarmistisch war. Blickt man auf die Performance in diesem Jahr, dann sind - DAX und SMI einmal ausgenommen - doch gut im Plus, vor allem die vermeintlich so korrekturanfälligen Technologie-Aktien. Interessant ist, dass sich die Fondsanleger nur wenig haben beeindrucken lassen. Auch wenn die Nachfrage nach Fonds in Europa seit Februar rückläufig ist, waren die Mittelflüsse in Fonds in jedem Monat positiv. Vor allem Aktien sind unverändert nachgefragt. Bei Bondfonds sieht das etwas anders aus, da gab es im Februar und März Abflüsse. Aber eben nicht überall. Ja, High-Yield-Produkte haben kräftig abgeben müssen, aber Emerging-Market-Bond-Fonds sind unverändert nachgefragt. Fondsanleger sind also nicht wirklich im Risk-off-Modus.
Können Sie etwas über das ewige Aktiv-Passiv-Duell sagen?
Das kann ich. Aber neu ist das nicht: Die Passiven wachsen unverändert schneller als die Aktiven! Auf der Aktienseite sowieso, aber erstaunt hat mich, dass im Februar passive Rentenfonds ordentliche Zuflüsse hatten, derweil aktive Rentenfonds Nettomittelabflüsse hatten. Bedenkt man, dass die Legende lautet, dass aktive Rentenfonds in turbulenten Zeiten profitieren, weil Investoren flexibel agierenden Fondsmanagern vertrauen, dann muss man sagen: Die Anleger haben es wohl anders gesehen.
Das heisst vereinfacht ausgedrückt, ETFs konnten von der Korrektur überdurchschnittlich profitieren?
Ja, das kann man so sagen. Der Trend von aktiv zu passiv geht weiter, ungeachtet, was der Markt macht. Das erinnert mich ein wenig an das Jahr 2008, als aktiv verwaltete Fonds massive Mittelabflüssse hatten und ETFs erstmals als Investmentvehikel für Jedermann entdeckt wurden. Wobei ich natürlich nicht die Panik von damals mit der doch Mini-Korrektur im ersten Quartal vergleichen will.
Wie steht es um die Mischfonds-Flaggschiffe?
Einige gewinnen, andere verlieren, da gibt es keinen einheitlichen Trend. Fonds, die hohe Aktienquoten hatten, haben mehr gelitten, Fonds, die eher vorsichtig positioniert sind, haben die Drawdowns begrenzt. Es gilt heute, per Mitte Mai aber der Befund, den man auch schon in den Jahren zuvor machen konnte: Die Risikomanager wurden nicht belohnt. Lässt man einmal die politischen Turbulenzen um mögliche Handelskriege und das Iran-Abkommen aussen vor, dann muss man auch konstatieren, dass die Aussichten für Risiko-Assets nicht so schlecht sind. Nur weil die Aktienkurse seit Jahren steigen, heisst das nun einmal nicht, dass sie in diesem Jahr fallen müssen. So ein bisschen habe ich den Eindruck, dass Fondsmanager, die beim Risiko auf die Bremse gehen, Gefangene ihrer eigenen Kassandrarufe geworden sind. Einige sehen schon seit Jahren Korrekturgefahren und sichern ab. Mit dem Ergebnis, dass sie zwar dann, wenn es rappelt, die Verluste begrenzen, aber per Stand heute sieht es so aus, wie auch schon nach den kurzzeitigen Korrekturen 2016, 2015 und 2013: Die Verluste wurden grösstenteils nach wenigen Wochen wieder ausgebügelt.
Gibt es für Sie als erstklassigen Kenner des Marktes grosse Überraschungen punkto Neugeldzuflüssen?
Wie gesagt: Mich hat die Robustheit der Nachfrage nach Risiko-Assets erstaunt. Erfreulich finde ich, dass Anleger offenkundig bei alternativen Fonds eher Vorsicht walten lassen. Viele dieser häufig überteuerten Produkte haben in den vergangenen Jahren nicht geliefert, was Anleger erhofft hatten, oft stand das ernüchternde Fazit: Ausser Spesen nix gewesen. Diese Erkenntnis kommt spät, aber sie scheint sich beim Investitionsverhalten jetzt endlich niederzuschlagen.
Ali Masarwah ist Mitglied im europäischen Research-Team von Morningstar und als Chefredaktor für die deutschsprachigen Webseiten von Morningstar verantwortlich. Seit Juni 2015 ist er zudem als Direktor für das Editorial Team von Morningstar EMEA zuständig. Nach seinem Volontariat bei der Wirtschaftsnachrichtenagentur ADX in Berlin fand er recht zügig den Zugang zum Thema Investmentfonds. Im Jahr 2000 wurde er Mitglied der Fondsredaktion bei der Nachrichtenagentur vwd, die er von 2001 bis 2003 leitete. 2003 wechselte Ali Masarwah zur portfolio Verlagsgesellschaft, Frankfurt, wo er zunächst als Chefredaktor das Magazin «portfolio international» übernahm. Von 2006 bis zu seinem Wechsel zu Morningstar im Herbst 2011 hatte er zusätzlich als Redaktionsleiter die journalistische Verantwortung für alle Magazine und Webseiten des Verlags inne.