Gebühren gehen gegen Null

CEO, Betreiber der Anleger-Infoplattform 10x10.ch und Veranstalter der Finance 2.0
financialmedia AG, Zürich
10x10.ch
28.02.2020
Herr Borini, Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit der digitalen Transformation und Fintechs. Was geht ab?
Wir sehen, dass viele Finanzinstitute in ihrem angestammten Geschäft zunehmend Mühe bekunden, die Margen zu halten. Das Zinsgeschäft für Universalbanken ist sehr anspruchsvoll. Viele Banken schaffen ein positives Zinseinkommen - wenn überhaupt - fast nur noch über geringere Refinanzierungskosten und höhere Volumen. Ein ähnliches Bild sieht man auch im Kommissionsgeschäft. Die verwalteten Vermögen steigen, aber diese können die Ertragserosion nicht kompensieren. Die Zeiten von hohen Gebühren, wie beispielsweise Courtagen im Wertpapiergeschäft, sind vorbei.
Warum?
Blicken wir in die USA, sie sind meist der Vorläufer neuer Entwicklungen, das war übrigens bei ETFs auch so. In den Vereinigten Staaten sind Börsengebühren faktisch abgeschafft. Auslöser war das rasante Wachstum des Fintech-Unicorns Robinhood. 2016 startete das Fintech mit kostenlosem Börsenhandel. Dies führte dazu, dass die drei grössten US-Online-Broker im Spätherbst 2019 ihre Gebühren - sozusagen über Nacht - auf Null gesenkt haben.
Wie können diese Plattformen überhaupt überleben?
Jetzt sind wir bei der Tragik: Für E-Trade war das der Todesstoss, und das Unternehmen musste sich in die Arme von Morgan Stanley begeben. Dasselbe Schicksal erlebte TD Ameritrade: sie wurden von Charles Schwab geschluckt. Wir haben einen klassischen «Hockey-Stick-Effekt» gesehen, ein unerwünschter und fast überraschender Effekt sowohl bei E-Trade und TD Ameritrade. Grösse ist in diesem Umfeld Trumpf. Ein interessanter Zahlenvergleich möchte ich noch erwähnen: E-Trade hatte rund 3,5 Millionen Kunden, das bedeutend jüngere Unternehmen Robinhood (seit 2016 im Markt aktiv) rund zehn Millionen Kunden. Die neue digital-getriebene Welt folgt einem exponentiellen Wachstum, das muss man verstehen. Und ich gebe zu, das ist nicht einfach, denn unser Hirn denkt linear.
Wenn die Gebühren auf Null gehen, woher sollen denn die Einkünfte herkommen?
Zum einen über das Zinsgeschäft, zumal viele Kunden in Cash investiert sind. Zum anderen über den Verkauf von Daten. Dabei werden die Daten von Kundenaufträgen, sogenannte Orders, an Hochfrequenzhändler verkauft. Letztere wissen auf dem Markt davon zu profitieren. In der Fachsprache nennt sich das «Payment for Order Flow». Und natürlich haben die Überlebenden auch noch weitere Angebote wie Vermögensverwaltung oder Premiumangebote. Kunden sind bereit für Mehrwerte zu bezahlen, für «Commodity» nicht. Das ist übrigens vergleichbar mit ETFs auf Kernmärkte: auf einen ETF auf den S&P 500 Index würden sie heute nie und nimmer mehr als 20 Basispunkte bezahlen, aber für eine intelligente Smart-Beta-Strategie, basierend auf den S&P 500, schon.
Werden Banken diesen Preisdruck auch zu spüren bekommen?
Ja, sicher! Digitalisierung kennt keine Landesgrenzen. Noch Zahlen die Kunde die hohen Börsengebühren. Aber die Robinhood’s dieser Welt sind auch in Europa unterwegs, und die Schweiz ist sowieso, obwohl ein kleiner Markt, lukrativ. Und der Pionier aus Palo Alto hat seine Zelte bereits in London aufgeschlagen und rund 90’000 Interessenten stehen davor. Ein weiterer Druck ist die neu aufkommende Generation. Diese sieht in der Abwicklung einer 0815-Transaktion keinen Mehrwert. An der Konsumentenfront sind Generation Y und Z seit 2020 in der Mehrheit. Und die Fintechs sprechen deren Sprache, die Sprache des Internets und der «Next Generation».
Aber ein grosser Trumpf ist das Vertrauen und Sicherheit der Banken. Sehen Sie das nicht auch so?
Ja, das stimmt schon. Aber beim jüngsten FINMA-Notfalltest sind drei systemrelevante Banken durchgefallen. Doch letztlich ist Vertrauen ein riesen Vorteil der etablierten Industrie. Sie dürfen dies nicht verspielen. Man kann einerseits nicht von Vertrauen sprechen und andererseits Kunden mit hohen Gebühren, ohne zusätzliche Mehrwerte, schröpfen. Und das, weil man es verpasst hat, frühzeitig End-to-End zu digitalisieren oder ein zeitgemässes Produktoffering zu schaffen.
Was ist Ihre Empfehlung an die Industrie?
Die Digitalisierung und den digitalen Wandel, das ist nicht dasselbe, mit offenen Armen empfangen. Mutig sein, mehr probieren statt monatelanges Planen und diese Veränderungen als riesen Chance zu sehen. Letztlich sage ich immer: Make Banking sexy. Das WEF hat in einem Report klar attestiert, dass die Fintechs den Weg vorgegeben haben, wie eine Customer Experience sein soll. Ich sehe viele Chancen für die Finanzindustrie, wenn man das Denken ändert.
Link zum Disclaimer
Rino Borini ist Mitgründer und CEO der financialmedia AG in Zürich. Das unabhängige Medienhaus gibt verschiedene Publikationen im Wirtschafts- und Finanzbereich heraus und veranstaltet zahlreiche Veranstaltungen wie die schweizweit grössten Fintech-Konferenzen, Finance 2.0. Rino Borini leitet den Certificate of Advanced Studies (CAS) «Digital Finance» an der Hochschule Zürich. Zuvor war er in leitenden Funktionen in der Finanzindustrie tätig.