«Gegenwärtige Periode ist durch mehr Disziplin geprägt»

03.06.2015
Herr Milburn, welche Auswirkungen hat die Verlagerung des Fokus auf die Refinanzierung bestehender Schulden und die Verschärfung der Kreditvergaberichtlinien im Hochzinsbereich?
Er könnte im High-Yield-Segment in den kommenden Jahren sogar noch geringere Ausfälle als in früheren Zyklen bescheren. Während die Erwartungen langsam steigen, dass mit der schliesslich einsetzenden Normalisierung des Zinsumfelds möglicherweise auch die Ausfälle hochverzinslicher Papiere zunehmen, könnte eine Reihe zurückliegender Entwicklungen im Hochzinsbereich den Sektor während seines derzeitigen Zyklus noch widerstandsfähiger machen.
Was führt Sie zu dieser Prognose?
Der Angebotsrückgang bei gehebelten Krediten von 70 Prozent innerhalb der ersten vier Monate des laufenden Jahres erwies sich parallel mit neuen Richtlinien, welche die Bankenfinanzierung von Übernahmen einschränken, als sehr gesunde Entwicklungen. Sie könnten möglicherweise einen rasanten Anstieg der Ausfälle begrenzen.
Was läuft heute im Vergleich zu früheren Phasen anders?
In früheren Zyklen hat der Hochzinsbereich den Samen für seinen Niedergang selbst gesät, indem er Bonitätsanforderungen während der Bullenphase zu sehr gesenkt hat. Das bescherte ihm höhere Ausfallquoten während der drei grossen Abschwünge von Junk-Bond-Krise, TMT-Blase und LBO-Boom/Kreditkrise. Derzeit bewegen sich die Ausfälle auf niedrigem Niveau.
Welche Tendenzen erwarten Sie?
In den kommenden Jahren ist mit keinem ernsthaften Abschwung zu rechnen. Die Ausfallrate dürfte sich weiterhin innerhalb der Bandbreite der vergangenen fünf Jahre bewegen. Als einen Hauptgrund dafür sehe ich den Rückgang an fremdfinanzierten Mega-Übernahmen und die zunehmenden Vorschriften und Auflagen, die den Banken durch die Regulierungsbehörden auferlegt wurden.
Doch die Ausfallraten bewegten sich in ihrem Höchststand im Jahr 2009 auch schon im zweistelligen Bereich. Werden wir diese Werte nicht mehr erreichen?
Aktuell bewegen sich die Ausfallraten beständig unter der Drei-Prozent-Grenze. Einige Unternehmen werden mit Fortschreiten des aktuellen Zyklus unausweichlich Schiffbruch erleiden. Währenddessen könnte die gegenwärtige Periode, die durch mehr Disziplin geprägt ist, einen erneuten Anstieg der Ausfälle auf Kreditkrisenniveau verhindern. Es werden zwar weiterhin Fehler gemacht und Unternehmen werden immer wieder von der Bildfläche verschwinden. Gelingt es dem Markt jedoch, seine Disziplin beizubehalten, dann werden beim nächsten Abschwung die Höchstwerte bei den Ausfallraten niedriger ausfallen als in früheren Zyklen.
Sehen im jüngsten Anstieg der Renditen von Staatsanleihen den Beginn einer länger andauernden Rotation aus dem Fixed-Income-Sektor?
Nein, die jüngste Entspannung der Anleiherenditen ist unseres Erachtens nicht der Anfang einer umfassenden Neuausrichtung auf fundamentale Begebenheiten. Wir bewegen uns nach wie vor in einem Umfeld, in dem die Notenbanken die Zinsen künstlich niedrig halten.
Phil Milburn ist ein Investment Manager im Anleihen-Team von Kames Capital und verfügt über 16 Jahre Erfahrung. Er kam 1987 zu Kames von der Universität von Edinburgh, wo er einen First Class Honours Degree in Ökonomie erlangte. Nach Abstechern in der Aktienanalyse von Grossbritannien und Lateinamerika kam er zum Anleihen-Team, wo er heute strategische und High-Yield-Obligationen-Portfolios verwaltet. Er bringt seine Aktiendisziplin in die High-Yield-Analyse und gebraucht seinen Background in Ökonomie für die Positionierung des Fonds im Makrobereich. Phil Milburn ist auch ein integrales Mitglied des Kommittees der Association of British Insurers (ABI), in welcher viele Initiativen der Industrie unterstützt werden.
Kames Capital ist eine spezialisierte Investment-Management-Gesellschaft mit Sitz in Edinburgh und London. Das Unternehmen verwaltet rund 70 Mrd. Euro für seine britischen und internationalen Kunden - darunter Pensionsfonds, Finanzinstitute, Vermögensverwalter, Family Offices und Finanzberater.