«Gleiche Performance - dafür mit positivem Impact auf die Umwelt»

14.10.2020
Frau Coudray, im Bereich von ESG, grünen und nachhaltigen Anlagen herrscht ein Dschungel. Es sollte jetzt eine Initiative aus Brüssel kommen, um alles unter einen Hut zu bringen. Aber niemand ist daran interessiert, oder?
Ja, das stimmt. Derzeit gibt es mehr als 250 Initiativen, um den Impact von Investitionen auf die Wirtschaft zu messen. Jeder hat sein eigenes persönliches Interesse und sein eigenes Modell entwickelt. Das ist zu einem einträglichen Geschäft geworden.
Ist der Wildwuchs gut für Ihr Geschäft oder schadet das Ihrem Unternehmen?
Ehrlich gesagt ist es neutral. Wir haben die Messlatte auf das höchstmögliche Niveau gesetzt. So müssen wir uns als Neueinsteiger auf dem Markt verhalten. Wir müssen einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil bieten. Deshalb haben wir unsere eigene Analyse und Forschung entwickelt und mehr als 5’000 Unternehmen geprüft.
Was ist der Unterschied zwischen Impact Investing und ESG?
Mit ESG werden momentan rund 40 bis 50 Prozent der Gelder verwaltet. Impact Investing macht erst einen Anteil von rund einem Prozent aus. Es ist äusserst wichtig, die ESG-Faktoren in den Investmentprozess zu integrieren. Aber wir müssen bei den ESG-Faktoren auch deutlich sehen: Sie messen, wie sich ein Unternehmen verhält. Und zwar, welchen Einfluss es auf die Umwelt hat, welchen Einfluss es auf die Mitarbeiter im Unternehmen hat und wie die Unternehmensführung aufgestellt ist. Dies sind die drei Buchstaben von ESG. Diese sagen aber nichts über das Geschäftsmodell und den Unternehmenserfolg aus.
Sondern?
Bei ESG kommt bei der Bewertung hinzu, dass diese zu 90 Prozent innerhalb eines Sektors erfolgt. Das bedeutet, dass zum Beispiel ein Ölunternehmen und ein Unternehmen aus der erneuerbaren Energie das gleiche A-Rating aufweisen können. Die beiden Unternehmen arbeiten in ganz anderen Sektoren. Das eine könnte einen positiven Einfluss auf die Umwelt haben, das andere einen negativen. Das Ölunternehmen Total verhält sich zum Beispiel sehr gut und weist ein ausgezeichnetes A-Rating im ESG-Bereich aus. Aber das Unternehmen schadet der Umwelt. Es produziert Energie aus fossilen Brennstoffen, das für einen Grossteil der Umweltverschmutzung verantwortlich ist. Das ist nicht sehr gut für den Planeten. Wenn wir die Klimaerwärmung reduzieren wollen, müssen wir von den fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien umsteigen.
Was macht denn Impact Investing anders?
Mit Impact Investing selektieren wir ausschliesslich die Unternehmen, die einen positiven Beitrag zu den sechs nachhaltigen Zielen der Vereinten Nationen (UN) für die Umwelt haben. Einen positiven Impact können nur die Unternehmen ausweisen, die Produkte, Technologie oder Services offerieren, welche die Umweltbelastung reduzieren. Beim Impact Investing suchen wir Unternehmen, die Tonnen von Wasser reinigen können. Und nicht solche, die Tonnen von Wasser für ihre Tätigkeit verbrauchen.
Dann gibt es als viel weniger Impact-Unternehmen, in die Sie investieren können?
Ja. Es gibt rund 10’000 Unternehmen im weltweiten MSCI World Index. Davon rund die Hälfte liquide. Aus diesen 5’000 Unternehmen filtern wir und wählen die Unternehmen aus, die positive Auswirkungen auf die Umwelt haben. In der Analyse unterteilen wird die Wirtschaft in 370 Aktivitäten. Da gehen wir bis in die Produktion und analysieren jede Unteraktivität, ob sie einen positiven, negativen oder neutralen Einfluss auf den Globus haben. Alles in allem bleiben von diesen 5’000 Unternehmen nur 250, die einen positiven Einfluss auf den Planeten haben. Alle anderen sind neutral oder negativ.
Machen sie weitere Analysen?
Ja, wir führen ein dreifaches Research durch. Wir beginnen mit Impact Research und analysieren diese 5’000 Unternehmen. Wir wählen nur diejenigen aus, die positive Auswirkungen auf die Umwelt haben. Dann führen wir ein eigenes ESG-Research mit eigenem Scoring durch. Zum Schluss untersuchen wir die Unternehmen mit einem Financial Research, das auf einem multifaktoriellen Ansatz beruht. Das bedeutet, dass die Unternehmen bewertet werden, wie sie in Bezug auf die Qualität der Bilanz, das Wachstum, Cashflow, Rendite oder dem Momentum abschneiden.
Wie würden Sie dann die DNA von Asteria beschreiben?
Der wichtigste Teil unserer DNA ist die Fähigkeit, Impact-Forschung zu betreiben. Wir sind eine der wenigen in dieser Welt, die dazu in der Lage sind.
Und was machen die anderen?
Die Integration von ESG-Kriterien auf ein klassisches Modell ist etwas, dass in den nächsten Jahren jeder machen wird. Alle haben die PRI-Prinzipien für verantwortliches Investieren unterzeichnet. Daher ist ESG zu einem Commodity Business geworden. Jeder Vermögensverwalter muss das umsetzen. Man kann es mit einer leichteren oder auch mit einer stärkeren Version umsetzen.
Das ist eine gute Formulierung: Commodity-Geschäft.
Jeder muss es machen. Und der Trend ist klar, denn alle institutionellen Anleger haben einige Einschränkungen auf diesem Gebiet. Einige der klassischen Vermögensverwalter haben verstanden, dass es sich hier um eine gute Sache handelt und der Trend sie unterstützt, mit nachhaltigen Anlagen unterwegs zu sein. Aber wie kürzlich eine Studie der Universität Zürich darlegte, hat ESG keinen Impact auf Nachhaltigkeit. Das war für uns keine Überraschung, weil ESG nur das Verhalten der Unternehmen anschaut. Nicht aber, was sie produzieren und ob sie die Umwelt belasten.
Der Industrie gefällt das Ergebnis der Universität Zürich wohl nicht?
Bei ESG geht es nur darum, zu messen, ob das Unternehmen transparent ist, ob das Unternehmen eine positive Gleichstellungsagenda hat, ob das Unternehmen ein wenig auf Geschäftsreisen achtet oder den Kohlenstoff-Fussabdruck beobachtet. Wenn wir von Impact Investing sprechen, ist das eine andere Geschichte. Es geht darum, die Investitionen zu nutzen, um das grosse Problem dieser Welt anzugehen. Das ist ein ganz anderer Blickwinkel. Es geht darum, dieses Geld zur Finanzierung von Unternehmen zu verwenden, die Lösungen zur Verringerung des ökologischen Fussabdrucks, zur Reduktion der Kohlenstoffemissionen, zur Verringerung der Umweltverschmutzung und zum Abbau der weltweit produzierten Abfalltonnen erarbeiten. Bei Impact Investing geht es darum, Lösungen zu finden, um entweder die Klimaprobleme anzugehen oder um eine bessere Lebensqualität für alle zu erreichen. Unser Geschäftsmodell besteht darin, die Investitionen an den richtigen Ort zu bringen, um gemeinsam mit den NGOs, den Staaten und allen anderen in die richtige Richtung zu gehen.
Aber Sie können doch nicht nur in Impact-Unternehmen investieren. Sonst könnten wir nicht mehr mit unseren Autos fahren.
Sie können ein Elektroauto fahren. Sie werden sehen, dass es nicht so viel anders ist.
Aber das ist ein sehr umstrittenes Thema.
Das ist es. Das öffnet mir die Tür, um ein paar technische Details zu erläutern. Mit Impact Investing muss man irgendwo beginnen. Elektroautos sind ein gutes Beispiel dafür. Es gibt immer wieder Leute, die sagen: Aber die Batterien zu recyceln ist nicht umweltgerecht und so weiter. Am Ende des Tages muss man die tatsächlichen Auswirkungen berechnen und dabei die positiven und negativen Auswirkungen berücksichtigen. Das ist es, was wir hier tun. Zum Beispiel ist das Netto-Scoring für Elektroautos positiv. Selbst wenn man aus dem Impact Scoring, der Belastung für das Recycling der Batterien, herauskommt, ist die Reduzierung des Kohlenstoffausstosses enorm und am Ende ist sie positiv.
Haben Sie Tesla in Ihrem Portfolio?
Ja, wir haben Tesla im Portfolio. Es ist eine umstrittene Aktie, wegen des ESG-Ratings. Das «G» ist bei Tesla immer eine kleine Herausforderung.
Aber die Performance ist gut.
Wir sind Vermögensverwalter und betrachten die erwähnten drei Aspekte. Interessant ist, dass wir das dreifache Research getrennt voneinander durchführen. Wir haben eine sehr klare Philosophie. Wir glauben nicht, dass eine Aktie, nur weil sie ein gutes Jahresergebnis erzielt hat, eine Outperformance erzielen wird. Es gibt keine erwiesene Korrelation zwischen den beiden. Wenn wir die Aktien auswählen, dann deshalb, weil sie einen positiven Beitrag zum Impact leisten, weil sie ein gutes ESG-Score aufweist und gute fundamentale Daten aufweist.
Auf Ihrer Webpage habe ich den Satz gelesen «Um innovative Unternehmen und Projekte aufzudecken, die sich mit grossen ökologischen und sozialen Herausforderungen befassen, haben wir eine proprietäre High-Tech-Plattform für Wirkungs- und Finanzforschung entwickelt, bei der grosse Datenmengen und maschinelles Lernen zum Einsatz kommen». Können Sie das erläutern?
Ja, mit Vergnügen. Es gibt zwei Gründe, warum wir mit einer so begrenzten Anzahl von Mitarbeitern so effizient arbeiten können. Wir konnten auf der grünen Wiese beginnen. Ich hatte erkannt, dass viele Aufgaben innerhalb der Vermögensverwaltung nicht wirklich zum Kerngeschäft gehören: Handel, Middle Office und all diese unterstützenden Funktionen. Wir haben uns da für ein Outsourcing entschlossen und konzentrieren uns auf das Core Business - Investment Management und Business Development. Wir haben zum Beispiel keine eigenen Händler angestellt.
Können Sie da auf die Infrastruktur von Reyl zurückgreifen?
Nein, wir führten eine Ausschreibung durch und haben Amundi rekrutiert. Dort haben wir einen direkten Zugang zu ihrem Handelsraum. Amundi verwaltet weltweit Vermögen von 1.3 Billionen US-Dollar. Die haben Händler überall auf der Welt, 24 Stunden am Tag. Ich glaube, das war eine der besten Möglichkeiten, skalierbar zu sein und Zugang zu jedem Vermögen zu haben.
War Reyl glücklich, das zu hören?
Ja, absolut, denn REYL hilft uns bei verschiedenen Dingen. Aber wir sprechen hier von einer der mächtigsten und qualitativ hochwertigsten Vermögensverwaltungsfirmen der Welt. Reyl tut eine Menge für uns. IT, Infrastruktur, HR, Finanzen usw.
Warum war es notwendig, eine von Reyl getrennte Einheit einzurichten? Warum nicht eine Abteilung der Reyl-Gruppe?
Als wir uns mit François Reyl trafen und anfingen, über diese Initiative zu diskutieren, war es am Anfang klar: Für die Legitimation von Impact Investment muss ein Pure Play und mit grösster Unabhängigkeit bestehen. Das ist der einzige Weg, um wirklich ernsthaft in Betracht gezogen zu werden. Wie können wir den Investoren sagen, dass Sie zum Beispiel bei diesem Fonds mit der Absicht investieren, Gutes zu tun und positiv zu investieren aber bei den anderen Fonds weiterhin in fossile Brennstoffe investieren? Für mich ist das nicht möglich.
Ich verstehe, Interessenkonflikt.
Das ist eine Entscheidung, die mir sehr schwer gefallen ist, weil ich und mein Team die Expertise habe, in alle klassischen Anlageklassen zu investieren. Aber wir haben beschlossen, fokussiert in das Segment von Impact Investing einzusteigen. Das war auch eine politische Entscheidung.
Zu Ihren Expansionsplänen: Sie sind jetzt in der Schweiz aktiv. Ist es Ihnen erlaubt, in andere Kontinente oder Länder zu gehen? Irgendwelche Pläne?
Unser Expansionsplan, was die Strategien und das Angebot betrifft, ist der Start mit den Liquid Assets. Dann bereiten wir Private Debts in Form einer Private-Equity-Impact-Firma vor. Und wir bieten auch individuelle Managed Accounts für Institutionen an. Was den Markt betrifft, so beginnen wir in der Schweiz. Aber wir erwägen den Schritt in die Europäische Union wahrscheinlich im Laufe des nächsten Jahres. Erlaubt ist es, sofern die Lizenzen vorhanden sind.
Zurück zu Big Data und Machine Learning. Wie funktioniert das?
Um effizient zu sein und sich auf Investitionen zu konzentrieren, war es wichtig, die administrativen Funktionen an grosse Akteure und an die wirklich wahrscheinlich effizientesten Akteure auszulagern. Danach muss man erkennen, dass die Herausforderung in dieser Branche darin besteht, den Kunden drei Arten von Research zu einem vernünftigen Preis anzubieten. Bei ESG und Impact geht es immer um Daten: Die richtigen Daten sammeln oder aus verschiedenen Quellen auswählen und bereinigen. Um diese Daten robust und konsistent zu haben, braucht es kohärente Technologie. In der alten Welt hätte man dafür 20 Analysten benötigt.
Sie könnten auch einen Filter auf Bloomberg setzen.
Aber bei Bloomberg gibt es nicht alle Daten. Wir müssen viel mehr Datenquellen integrieren. Das ist wahrscheinlich einer der höheren Kosten in unserem Geschäft - die Kosten der Daten. Deshalb haben uns entschieden, eine eigene Big-Data-Plattform zu lancieren. Das bedeutet, dass wir jeden Tag Terabytes von Daten hochladen. Alle diese Daten werden bereinigt und verfeinert und mit einer Reihe von Sicherheiten versehen. Dann können wir unser Research laufen lassen.
Auf der gleichen Plattform integrieren wir ESG-Research, das Impact Research, das Financial Research und die Portfolio-Konstruktion. Wir verwenden rund 90 Prozent der Zeit für das Research. Aber die Portfolio-Konstruktion ist genau so wichtig, um den Tracking Error zu minimieren. Wir können zum Beispiel den MSCI World mit verschiedenen Aktien replizieren, die klimafreundlich sind. So können professionelle Investoren von einem klassischen ETF zu einem klimafreundlichen Approach wechseln. Da haben wir wohl einen Added Value, weil wir nicht grosse Risiken eingehen, sondern diversifziert investieren.
Ihre Aktienprodukte haben eine ähnliche Performance wie der MSCI World?
Genau. Pensionskassen stehen heute vermehrt unter Druck, etwas Gutes zu tun und in solche Strategien zu investieren. Aber meistens ist das Risiko zu hoch, die Diversifikation stimmt nicht und die Anlage ist zu teuer. Daher haben wir unser Konzept so umgesetzt, dass die Risiken der Strategien gering sind, die Diversifikation wirklich breit aufgestellt ist und die Kosten trotzdem nicht höher ausfallen. Dazu ermöglichen wir einen positiven Impact. Damit wollen wir Pensionskassen und auch die Schweizerische Nationalbank ansprechen, die ihr Geld zu 90 Prozent passiv investiert.
Link zum Disclaimer
Katia Coudray ist CEO der Asteria Investment Managers SA - ein unabhängiger Vermögensverwalter, der sich ausschliesslich auf Investitionen mit direkten Auswirkungen auf die Umwelt konzentriert. Bevor Katia Coudray seit Juli 2019 am Asteria-Gründungsprojekt mitwirkt, arbeitete sie mehr als sieben Jahre lang bei der Banque SYZ als Head of Asset Management, war Mitglied der Gruppenleitung und Leiter der Investment Division. Zuvor arbeitete die Walliserin elf Jahre lang bei der Union Bancaire Privée als Mitglied der Asset-Management- und der Generaldirektion. Sie entwickelte und leitete viele Departemente wie die Multi-Management-, Beratungs- und Produktinnovationsplattform. Im April 2019 nahm sie Einsitz im Verwaltungsrat der Fondsfirma GAM. Ebenfalls sitzt Katia Coudray im Aufsichtsrat von CA Indosuez Schweiz, der hiesigen Vermögensverwaltungs-Tochter der franzöischen Grossbank Crédit Agricole.