«Goldminenaktien sollten 50 Prozent höher notieren»

01.05.2014
Herr Bachmann, Sie provozieren mit der Aussage, dass Aktien von Goldproduzenten etwa 50 Prozent höher als derzeit gehandelt werden sollten. Was ist das Argument dazu?
Die Goldproduzenten erzielen zum aktuellen Goldpreis eine höhere operative Marge als im 1. Quartal 2013, obwohl der durchschnittliche Goldpreis über 300 US-Dollar pro Unze tiefer liegt. Die Aktien müssten rund 50 Prozent ansteigen, um auf ähnliche Kursniveaus zu gelangen, als die Margen vergleichbar waren!
Bedeutet dies, dass die Unternehmen die Kosten stärker als erwartet senken konnten?
Ja! Unsere Analysen von 80 produzierenden Unternehmen zeigen, dass seit dem Höhepunkt im Q1‘13 die totalen Cash-Kosten von 760 US-Dollar pro geförderte Unze um 9 Prozent auf 690 US-Dollar pro Unze im Q4’13 gefallen sind. Wichtiger noch, die operativen Kosten pro geförderte Unze (All-In Sustaining Costs - AISC) wurden seit dem Höchststand im 1. Quartal 2013 um 23 Prozent auf 965 US-Dollar pro Unze gesenkt. Zum Vergleich fiel der durchschnittliche Goldpreis in dieser Zeitspanne um 22 Prozent.
Geht dieser sinkende Kostentrend weiter?
Ja, die ersten Indikationen der Q1‘14 Resultate bestätigen dies. Zusätzlich zu den anhaltenden Kostensenkungen wurden die Minenpläne und Unzenreserven dem tieferen Metallpreis angepasst. Die tieferen Goldpreisannahmen für die Kalkulation der Reserven und der höhere Erzgrad werden die totalen Cash-Kosten weiter reduzieren. Bezüglich den All-In Sustaining Costs wird ein Teil dieses Rückganges wieder durch höhere Explorations- und Unterhaltsausgaben wettgemacht, weil die Unternehmen diese Kosten in 2013 wohl zu stark reduziert haben.
In welchen Bereichen sparen die Unternehmen denn ihre Kosten ein?
Die Ersparnisse resultierten aus tieferen Ausgaben für Exploration, Gemeinkosten, Unterhaltsinvestitionen, Lizenzgebühren und Verbrauchsmittel. Die Unternehmen steigern dazu ihre Produktivität, wodurch die Inputkosten nochmals fallen. Wir beobachten, dass das Momentum der selbstauferlegten Austerität weiter zunimmt. Dies gilt nicht nur für die Goldproduzenten, sondern für die Breite der Rohstoffunternehmen.
In Anlehnung an die erste Frage, wie sieht das Kurspotenzial denn aus, sollte der Goldpreis ansteigen?
Steigt der Goldpreis von den jetzigen Niveaus an, verbessert sich die Profitabilität der Unternehmen dank der tieferen Kostenstruktur überdurchschnittlich. Beim letzten ähnlichen Zyklus der Industrie in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts übertraf im Wendepunkt der operative Grenzertrag der qualitativ guten Unternehmen die 50-Prozent-Schwelle bei weitem! Dies verbessert die Cash-Flows substanziell und ermöglicht ein relativ überdurchschnittliches Gewinnwachstum pro Aktie. Welch anderer Aktiensektor, wo notabene die Investorengelder abwesend sind, besitzt derzeit eine solch attraktive Ausgangslage?
Bedeutet dies, dass Sie den Goldpreis unmittelbar positiv einschätzen?
Viele der Faktoren, die den Goldpreis in 2013 stark belasteten, haben gedreht. Entgegen den Prognosen schwächten sich die ETF-Abflüsse in diesem Jahr stark ab. Seit Mitte Februar sind sogar Nettokäufe zu verzeichnen. Der physische Markt bleibt weiterhin angespannt (wiederum negative GOFO-Raten), weil die physische Nachfrage, auch aus China, stärker ausfällt als von vielen Aktienhäusern Ende 2013 prognostiziert. Auch erscheint in Indien eine Abschwächung der Goldimportbeschränkungen nach den Wahlen realistisch. Dazu kommt, dass die globale Geldmenge weiter wächst und die realen Zinsen in den USA entgegen den Prognosen nicht ansteigen und vorläufig auch nicht ansteigen werden.
Was hält denn die Investoren von einer Anlage ab, wenn die Aussichten derart attraktiv sind?
Die Investoren sind immer noch verunsichert. Die Anlageenttäuschung der Jahre 2012 und 2013 gilt es zu verarbeiten. Die erhöhte Volatilität der Edelmetall- und Rohstoffaktien seit Mitte März im Nachgang stark schwankender Metallpreise hat die positivere Stimmung getrübt. Heute scheinen aber die Investoren zu begreifen, dass die Industrie die Kosten dramatisch senkt, somit gesundet und sich besser aufstellt. Investoren würden sich eine Beruhigung der Metallpreisschwankungen wünschen. Stabile Gold- und Metallpreise genügen vollends.
Wie sieht die Situation im breiter gefassten Rohstoffbereich aus?
Im März kam es in China erstmals zu einem Zahlungsausfall einer Unternehmensanleihe. Statt dies als Zeichen für ein reiferes Finanzsystem zu betrachten (da die Regierung nun ein effizienteres Funktionieren der Märkte zulässt), wertete der Markt diese Entwicklung negativ. Gleichzeitig wuchsen die Sorgen in Bezug auf chinesische Finanzinstrumente, bei denen Rohstoffe als Sicherheit hinterlegt werden. Die Angst vor einer damit verbundenen Marktschwemme hoher Lagerbestände bewirkte einen Einbruch der Preise beispielsweise für Eisenerz und Kupfer. Seither beobachten wir jedoch eine Erholung. Das lässt vermuten, dass der Markt überreagiert hatte. Zudem kündigte der chinesische Ministerpräsident Li staatliche Konjunkturprogramme an und gab die lang erwarteten Urbanisierungspläne bekannt (ein wichtiger Treiber für die Prognosen zur Rohstoffnachfrage). Das beruhigte die Bedenken eines Nachfragerückgangs.
Bedeutet dies, dass Sie weiterhin zu Ihrer These eines überschätzten Angebotsüberhangs stehen?
Ja, absolut! Trotz des «Marktlärms» im März hat sich unseres Erachtens die fundamentale Angebots-/Nachfrage-Dynamik im Rohstoffmarkt ohnehin nicht wesentlich verändert. Ein Aspekt, der in solchen Marktphasen oft vernachlässigt wird. Zahlreiche Analysten haben in den letzten Wochen sogar darauf hingewiesen, dass die Nachfrage durchaus schneller wachsen könnte als das eingeschränkte Angebot, weil der grösste Investitionszyklus in der Geschichte des Bergbaus (2001 bis 2012) jäh beendet wurde. Die in dieser Zeit neu geschaffenen Kapazitäten werden nur vorübergehend genügend Angebot generieren. Inzwischen schafft das «neue Sparbewusstsein» im Bergbausektor die Grundlage für einen neuen Cash-Flow- und Dividenden-Zyklus.
Wie können sich Investoren dafür positionieren?
Investorengelder in diese Anlageklasse fallen derzeit historisch tief aus. Somit werden die stark verbesserten operativen Aussichten der Unternehmen langsam aber sicher Beachtung finden. Eine selektive Auswahl qualitativ guter Unternehmen, beispielsweise mit einem Sektoren-Fonds mit konzentrierten Positionen, die Produktions- und attraktives Cash-Flow- und Gewinnwachstum offerieren, werden überdurchschnittlich profitieren können.
ETFs auf das Metall oder den Rohstoff haben den Nachteil, dass diese den verbesserten operativen Reingewinn- und Dividendenhebel der Unternehmen nicht offerieren können. ETFs auf Unternehmen (z.B. GDX oder GDXJ) haben den Nachteil, dass diese etliche qualitativ ungenügende Unternehmen beinhalten.
Markus Bachmann hat Craton Capital im Jahr 2003 mitbegründet. Er berät die Craton Capital Precious Metal und Global Resources Fonds. Er besitzt einen Abschluss in Betriebs- und Volkswirtschaft (cum laude) der Universität Bern und begann seine Karriere im Corporate-Finance-Bereich der Credit Suisse Group, bevor er 1997 in das Emerging-Markets-Team von SBC Brinson Asset Management (heute UBS) wechselte. Im Jahr 2000 ging er als Senior Portfoliomanager und Spezialist für die globalen Rohstoffmärkte zu Coronation Fund Managers in Kapstadt (Südafrika) und wurde zum verantwortlichen Fondsmanager für mehrere Retail-Produkte und institutionelle Mandate ernannt.