«Immer mehr Anleger stellen sich auf langfristig niedrige Zinsen ein»

28.10.2016
Herr Müller, unter professionellen Investoren macht derzeit immer öfter das Schlagwort «Lower for Longer» die Runde. Was ist darunter zu verstehen?
Es setzt sich immer stärker die Erkenntnis durch, dass die Niedrig- und Negativzinsen, die wir seit einigen Jahren erleben, keine vorübergehende Erscheinung sind, sondern uns noch länger begleiten werden. Inzwischen sind die Renditen von Staatsanleihen aus klassischen «sicheren Häfen» wie der Schweiz oder auch Deutschland selbst bei längeren Laufzeiten negativ. Und auch Unternehmensanleihen mit Investmentgrade werfen kaum noch Zinsen ab. Angesichts einer weiterhin lahmenden globalen Konjunktur, niedriger Inflation und politischen Risiken wie dem Brexit am Horizont spricht vieles dafür, dass sich diese Situation so schnell auch nicht ändern wird. Immer mehr Anleger stellen sich darauf ein.
Auf welche Weise tun sie das?
Das gesteigerte Sicherheitsbedürfnis vieler Anleger drückt sich unter anderem in der Renaissance von Gold und insbesondere Gold-ETFs aus. In diesem Bereich ist die Nachfrage unserer Kunden gerade sehr stark. Auch dies ist in meinen Augen ein Indiz für die Furcht vieler Anleger vor den gestiegenen politischen Risiken. Schliesslich ist Gold immer noch eines der bewährtesten Mittel zur Absicherung gegen systemische Krisen. Gefragt sind darüber hinaus nach wie vor auch währungsgesicherte ETFs. Aus nachvollziehbaren Gründen ist dabei zuletzt vor allem die Absicherung von Wechselkursrisiken gegenüber dem Britischen Pfund in den Vordergrund gerückt.
Das Sicherheitsbedürfnis ist allerdings nur die eine Seite der Medaille. Gleichzeitig haben Investoren auch Ertragsziele, die erfüllt werden müssen. Wo können sie heute überhaupt noch Rendite finden?
Bei Anleihe-Investments bieten High Yield Bonds und Anleihen aus Schwellenländern nach wie vor attraktive Renditen im Bereich ihrer historischen Mittelwerte von etwa 4 bis 6 Prozent. Allerdings sollten Anleger gerade bei diesen Assetklassen nicht nur auf die Rendite schauen, sondern in ihrem Entscheidungsfindungsprozess weitere Parameter berücksichtigen. Dazu gehören beispielsweise die Liquidität, die Kreditqualität und die Diversifikation. Unter diesem Blickwinkel halten wir insbesondere Schwellenländer-Staatsanleihen in Hartwährung für eine attraktive Alternative.
Warum?
Emerging Market Debt verfügen unter dem Strich über eine bessere Bonität als Hochzins-Unternehmensanleihen. Viele Anleger setzen Schwellenländeranleihen mit Hochzinsanleihen gleich - fälschlicherweise. Tatsächlich verfügen aber mehr als 50 Prozent der Staatsanleihen aus Schwellenländern über ein Investmentgrade Rating. Darüber hinaus sind sie auch liquider, also besser handelbar. Das ist gerade in Krisenzeiten ein wichtiger Gesichtspunkt. Bei Engagements in Schwellenländer-Anleihen sollten Investoren allerdings darauf achten, dass sie keine Klumpenrisiken eingehen, also zu stark abhängig sind von der Bonität einzelner Schuldner mit hohen ausstehenden Anleihevolumina. Wir setzen daher bei UBS ETFs auf den Barclays EM USD Sovereign and Quasi-Sovereign 3% Capped Index, der die Gewichtung einzelner Emittenten auf 3 Prozent begrenzt und dadurch eine gute Risikostreuung sicherstellt.
Traditionell versprechen Anleger sich vor allem von Aktieninvestments hohe Renditen. Ist der Aktienmarkt aktuell attraktiv?
Natürlich sind die Bewertungen am Aktienmarkt durch die verschiedenen Lockerungsmassnahmen der globalen Notenbanken inzwischen recht anspruchsvoll. Dennoch sehen wir nach wie vor gute Chancen für Investoren. Als interessante Anlageoption haben sich in jüngerer Zeit Faktor-ETFs herauskristallisiert. Mit diesen können Investoren gezielt auf wissenschaftlich belegte Risikofaktoren - und somit Renditequellen - setzen. Solche Faktoren sind etwa Value, Quality oder Total Shareholder Return. Um das Rendite-Risikoprofil eines Portfolios zu optimieren, empfiehlt sich, verschiedene Faktoren zu kombinieren. So können ertragsorientierte Anleger auf Portfolios aus eher zyklischen Faktoren wie Value oder Total Shareholder Return setzen. Wer defensiv agieren möchte, kann dies mit Engagements in den Faktoren Low Volatility und Quality in Erwägung ziehen. Und auch balancierte Portfolios aus vier oder mehr Faktor-Strategien sind denkbar. Auf diese Weise lassen sich Schwankungen im Zeitablauf gut abfedern.
Bietet UBS ETF ein Erfolgsrezept auch für den Fall, dass das Niedrigzinsumfeld doch früher enden sollte als erwartet?
Natürlich stellen Zinserhöhungen immer eine Herausforderung für Anleger dar. Weil aber die Rendite von Schwellenländer-Staatsanleihen und auch Unternehmensanleihen nicht ausschliesslich vom Zinsniveau am Markt abhängen, sondern auch von der Entwicklung der Emittentenbonität, bieten sie für diesen Fall einen gewissen Risikopuffer. Darüber hinaus sollten Investoren prüfen, ob sie sich gegen Zinserhöhungen absichern wollen. UBS bietet auch ETFs auf US-Unternehmensanleihen mit Zinssicherung an. Diese ermöglichen eine Absicherung des Depots gegen Zinsänderungsrisiken auf kosteneffiziente und transparente Weise.
Was ist, wenn der gegenteilige Fall eintritt - und die Zinsen so lange niedrig bleiben, dass die Inflation plötzlich anzieht?
Für diesen Fall können sich Anleger wappnen, indem sie inflationsindexierte Anleihen in ihr Portfolio aufnehmen. Mit diesen Papieren können sich Investoren eine feste reale Rendite sichern - und nicht wie bei gewöhnlichen Anleihen eine feste nominale Rendite. Sollte die Inflation überraschend steigen, spielen inflationsindexierte Anleihen ihre Stärken aus. UBS bietet Investoren entsprechende ETFs auf US-Inflationsanleihen (TIPS) in verschiedenen Laufzeitenbändern und währungsgesichert in Schweizer Franken und Euro.
Raimund Müller ist Leiter UBS ETF Switzerland & Liechtenstein. Seit seinem Eintritt ins Exchange Traded Funds-Team von UBS Asset Management in Zürich im Jahr 2012 ist er für die Kundenbetreuung in der Schweiz und in Liechtenstein zuständig. Vor dem Wechsel zu UBS arbeitete er zwei Jahre für die Deutsche Bank sowie fünf Jahre für Lombard Odier in Zürich, jeweils in der Betreuung institutioneller Kunden. Raimund Müller beendete seine Studien an der Curtin University of Technology in Perth mit einem Master of Economics und Finance (2005), an der ZHAW in Winterthur mit einem Bachelor of Business Administration (2003) sowie die AZEK als Certified International Investment Analyst (2008).