«Immer mehr Investoren verlangen von Vermögensverwaltern eine Berufshaftpflichtversicherung»

16.08.2018
Herr Walker, Sie versichern Finanzdienstleister quer durch die Schweiz. Worauf legen Sie den Fokus?
Auf die persönliche Beratung. Unsere Kunden erwarten Lösungen, die klar auf sie zugeschnitten sind. Eine individualisierte Dienstleistung verlangt eine hohe Beratungs- und Fachkompetenz, die wir dank unserer Fokussierung auf ein Marktsegment, dem Finanzsektor, kontinuierlich schärfen.
Gibt es auch Anfragen, die Sie ablehnen müssen?
Nein. Alle Unternehmen, die im Finanzsektor tätig sind, bedienen wir. Für die Versicherungsvermittlung setzen wir auf langfristige Beziehungen mit den Kunden.
Die Regulierungen werden immer strikter. Ist das ein Treiber Ihres Geschäfts?
Ja, Regulierung kann Anlass für einen Versicherungsabschluss sein, insofern diese bei den Unternehmen höhere Eigenmittel einfordert, die in Form einer Versicherung eingebracht werden können. Die zunehmend striktere Regulierung, die grundsätzlich abzulehnen ist, ist in Wirklichkeit nur ein kleiner Treiber. Seit der Finanzkrise im Jahr 2008 nehmen die Ermittlungen seitens der Aufsichtsbehörden zu. Die Untersuchungen von in- und ausländischen Aufsichtsbehörden zählen im aktuellen Wirtschaftsumfeld zu den häufigsten Versicherungsansprüchen überhaupt.
Der externe Anstoss für vermögensverwaltende Finanzdienstleister, eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschliessen, kommt jedoch meist von den institutionellen Investoren: diese Investoren sind zwar bereit, das Anlagerisiko zu tragen, möchten aber das Anlagevermögen gegen allfällige Verluste aus den operativen Risiken des Vermögensverwalters versichert wissen. Die Organhaftpflichtversicherung (auch D&O-Versicherung) hingegen wird eher von den Verwaltungsräten eingefordert, da sie bei allfälliger Pflichtverletzung solidarisch mit ihrem privaten Vermögen haften. Da springen wir ein und bieten passende Lösungen.
Zahlen die Versicherungen dann auch wirklich, wenn mal ein Schaden eintritt?
Ja, sicher. Die Versicherer zahlen die Schäden. Sie zahlen je nach Massgabe der vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen. Nicht mehr aber auch nicht weniger.
Standard-Vertragsbedingungen bevorteilen in der Regel denjenigen, der sie erstellt hat: den Versicherer. Hier leisten ich mit meinem Unternehmen einen Beitrag, indem wir den Wettbewerbsdruck auf die Versicherer erhöhen, damit diese ihre Bedingungen und Konditionen zu Gunsten der Kunden anpassen.
Gibt es einen Fall, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
1992 erfuhr die Öffentlichkeit von der damals grössten Pleite der Schweizer Wirtschaftsgeschichte. Der Bankrott der SASEA-Holding, einer börsenkotierten Finanzierungs- und Beteiligungsgesellschaft mit einem hochdotierten und honorigen Verwaltungsrat, war kolossal: 5,1 Mrd. Schweizer Franken Forderungen (wovon 3 bis 3,5 Milliarden als realistisch angesehen wurden) und praktisch keine Aktiven, lautete die Bilanz einer siebenjährigen Ära in der hundertjährigen Genfer Gesellschaft. Einfacher Konkurs eines glücklosen Geschäftsführers, meinte einer der Verantwortlichen. Gewerbsmässiger Betrug, sagten Banken und Anleger. Ein Fall für die Gerichte also, deren Urteile noch einige Zeit auf sich warten liessen. Tatsächlich sollten die Versicherer ihrerseits diesen Fall erst ca. 20 Jahre später endgültig vergleichen und schliessen können.
Als Zeichen der Zeit trat im Jahr 1992 das revidierte Aktienrecht in Kraft, das den modernen kapitalgesellschaftlichen Verhältnissen sowie den wirtschaftsrechtlichen Bedürfnissen vermehrt Rechnung trug.
Diese beiden Ereignisse anfangs der neunziger Jahre haben den Weg für die Versicherung von Vermögensschäden im schweizerischen Finanzsektor bereitet.
Fast niemand erinnert sich heute an den mittlerweile abgeschlossenen Fall «SASEA-Holding». Er hat mir gezeigt, dass sich komplexe Rechtsstreite über Jahrzehnte hinziehen können. In dieser Zeit dürften die persönlichen und finanziellen Ressourcen der verantwortlichen Personen in Verwaltungsrat und Geschäftsleitung jeweils enorm beansprucht worden sein.
Gregory Walker begann seine Karriere als Wirtschaftsinformatiker bei den Winterthur Versicherungen. Danach war er als Unternehmensberater bei der KPMG Fides tätig. Ab 1999 leitete er beim Versicherer AIG die Abteilung für Vermögensschadenversicherungen. Im Jahr 2010 gründete er die Walker Risk Solution AG, ein im FINMA-Vermittlerregister eingetragener, unabhängiger Versicherungsbroker. Gregory Walker ist CICERO-zertifiziert und Mitglied der Schweizer Vereinigung Dipl. Versicherungsfachleute, Fellow des britischen Chartered Insurance Institute sowie Associate in Risk Management des amerikanischen Versicherungsinstituts.