Indexfonds holen auch bei ESG-Investments ordentlich auf

18.12.2020
Herr Masarwah, fangen wir gleich mit einer kniffligen Frage an: Wie fällt die Bilanz der aktiven Fondsmanager in 2020 aus?
Nicht berauschend, aber nur vereinzelt katastrophal. Das Problem ist, dass viele Investoren das gar nicht mehr interessiert.
Können Sie das vielleicht etwas genauer ausführen?
Die Performance von aktiv verwalteten Publikumsfonds war auf der Aktienseite in diesem Jahr gar nicht mal so schlecht. Die Verluste im ersten Quartal fielen oft geringer aus als bei Indexfonds. Selbst bei US-Standardwertefonds war die Bilanz bei aktiven Fonds ganz akzeptabel. Dennoch sieht man, dass Indexfonds noch immer viel mehr Geld anziehen als aktiv verwaltete Produkte, wenn man die organische Wachstumsrate als Mass nimmt, also das Ganze grössenbereinigt betrachtet. Inzwischen machen Indexfonds ein Fünftel des gesamten europäischen Marktes für Langfristfonds aus. Tendenz stark steigend. Wenn ich mir die Zukunft anschaue, dann braut sich da mittelfristig ein perfekter Sturm zusammen. Ich sage Ihnen auch, warum: Aktive Bond-Fonds hatten im Schnitt ein ganz schwaches erstes Quartal. Und das in wichtigen Grosskategorien. Das haben Investoren mitbekommen, und sie stimmen mit den Füssen ab. Auch bei Nachhaltigkeits-Investments holen die Passiven mächtig auf. Das war übrigens der Bereich, der bis vor ein, zwei Jahren noch die Domäne der aktiven Manager war.
Das klingt sehr düster.
Ja, zwar ist Mr. Market der aktiven Industrie wieder einmal beigesprungen in diesem Jahr - die Vermögenswerte haben sich in den Quartalen zwei bis vier gut erholt, sodass die Konsolidierung noch keine Erdrutschdimensionen erreicht wie bei einer Aktienbaisse. Aber wird Mr. Market wirklich immer den aktiven Managern beispringen? Sich darauf zu verlassen, wäre zumindest arg sorglos.
Auf den Punkt gebracht: Sind die Kosten für die Leistungen insgesamt gerechtfertigt?
Nein. Gerade auf der Rentenseite sind die Gebühren viel zu hoch, auf der Aktienseite, wo die Kosten doch ganz ordentlich zurückgekommen sind, ist das aber auch noch der Fall. Das Paradoxe ist, dass die ohnehin Billigen, also die Indexfonds, viel stärker in den vergangenen Jahren die Preise reduziert haben als die aktiv verwalteten Fonds. Ich frage mich wirklich, wie es sein kann, dass manche Geldmarktfonds Gebühren von über 0.5 Prozent und mehr in einem Negativzinsumfeld erheben und dass Standard-Rentenfonds oft rund ein Prozent und mehr pro Jahr kosten. Derweil wir nicht nur am kurzen Ende der Kurve negative Renditen sehen.
Wie steht es um die ETF-Industrie? Konnte sie von der hohen Volatilität an den Märkten profitieren?
Sehr gut steht es um sie, wobei das uneingeschränkt nur für die grossen Häuser und die Spezialisten gilt. Ich denke, die Konsolidierung in der Branche wird weitergehen, weil viele kleinere Häuser, die Me-Too-Produkte anbieten, unter Kostendruck geraten werden. Aber insgesamt wächst die Industrie in einem sehr guten Tempo. Sie hat auch die Kurve beim Thema ESG gekriegt, sodass sie auch hier einen ordentlichen Teil des Kuchens abbekommt. Dass die Märkte volatil sein können, wissen ETF-Anleger, und das hat sie in diesem Jahr nicht abgeschreckt - wie übrigens auch schon 2008 und 2011 nicht.
Sie kennen alle Zahlen: Wurden in diesem Jahr im Asset Management die grossen Adressen noch grösser?
Ja, grosse Brands, die starke Vertriebsnetze haben, haben von den volatilen Märkten profitiert. Das Interessante ist, dass es eigentlich keine besonders ambitionierten Hürden für einen Markteintritt gibt im Asset Management, aber es sehr viel Aufwand und Mühe erfordert, auf eine ordentliche Grösse zu kommen. Stimmt die Performance, zeichnet sich das Vertriebsnetz durch Breite und Tiefe aus, ist der Service gut und der Brand etabliert, dann sind das ordentliche Wettbewerbsvorteile. Wir sprechen von Wechselkosten als Moat-Quelle im Asset Management. Kunden wechseln nun mal nicht sofort einen Asset Manager aus nach einer Phase mit mieser Performance. Warum? Nun, sie können nicht sicher sein, dass der Konkurrent eine bessere Performance liefern wird, und so bleiben sie bei ihrem Manager, auch wenn sie oft unzufrieden sind. Das wird oft übersehen, und deshalb wird das Thema «Sticky Money» noch immer unterschätzt.
Dann gibt es noch ein paar Robo-Advisor - vor allem in Deutschland. Wird das die Zukunft sein, den Fondsmarkt auf den Kopf stellen?
Nein, Robos sind eine Nische und werden es voraussichtlich auch in den nächsten Jahren bleiben. Es sei denn einer der ganz Grossen, etwa Vanguard, entschliesst sich, den Markt aufzurollen, so, wie das in den USA passiert ist. Aber Vanguard in Europa ist nicht Vanguard in den USA, und deshalb glaube ich erst mal nicht, dass das Ausrollen des «Vanguard Personal Advisor» kurzfristig den Knalleffekt hierzulande haben würde wie in den USA. Solange die Grossbanken noch über die starke Stellung verfügen, die sie haben, werden Robos keine wesentliche Rolle im Vertrieb spielen. Es sei denn, sie entwickeln sich noch stärker zu Technologie-Plattformen, dann kommen sie als Partner der Banken ins Spiel; dann könnte das Prinzip der digitalen Vermögensverwaltung durchaus einen Schub bekommen.
Link zum Disclaimer
Ali Masarwah ist Mitglied im europäischen Research-Team von Morningstar und als Chefredaktor für die deutschsprachigen Websites von Morningstar verantwortlich. Seit Juni 2015 ist er zudem als Direktor für das Editorial Team von Morningstar EMEA zuständig. Nach seinem Volontariat bei der Wirtschaftsnachrichtenagentur ADX in Berlin fand er recht zügig den Zugang zum Thema Investmentfonds. Im Jahr 2000 wurde er Mitglied der Fondsredaktion bei der Nachrichtenagentur vwd, die er von 2001 bis 2003 leitete. 2003 wechselte Ali Masarwah zur portfolio Verlagsgesellschaft, Frankfurt, wo er zunächst als Chefredaktor das Magazin «portfolio international» übernahm. Von 2006 bis zu seinem Wechsel zu Morningstar im Herbst 2011 hatte er zusätzlich als Redaktionsleiter die journalistische Verantwortung für alle Magazine und Websites des Verlags inne.