Innovationen treiben die Entwicklung im Bereich ESG voran

16.10.2020
Herr Glow, Ihre montäglichen Kommentare zum Fondsmarkt werden in der Industrie stark beachtet. Haben Sie einen roten Faden oder entstehen die Texte je nach Situation?
Die Themen, die ich in meinen «Monday Morning Memos» bearbeite, folgen - was die Berichte zu den Mittelbewegungen angeht - einem roten Faden, der sich an der Verfügbarkeit der Daten orientiert. Da die Daten zu den ETFs in der Regel vor den Daten zu den Mittelbewegungen von Investmentfonds verfügbar sind, werden die Marktberichte zu den ETFs vor den Investmentfonds veröffentlicht. Hier ist eine standardisierte Berichterstattung sehr wichtig, damit die Leser wissen, was wann veröffentlicht wird und die Ergebnisse der Studien dann in ihre Prozesse einfliessen lassen können. Hier geht es also darum, die Erwartungen der Leser an Umfang, Inhalt und Erscheinungsdatum der Studien zu erfüllen.
Die anderen Themen ergeben sich aus meinen Beobachtungen bei einzelnen Produkten und dem aktuellen Geschehen in der europäischen Fondsindustrie, diese Artikel folgen also keinem roten Faden. Dies muss aber auch so sein, denn mit einer Berichterstattung nach Schema F, die immer dem gleichen Muster folgt, ist es schwer, Anbieter und Anleger auf Trends und/oder Fehlentwicklungen hinzuweisen. Allerdings muss man als Marktbeobachter auch darauf achten, dass man sich und seiner Meinung treu bleibt.
Welche Themen sind Dauerbrenner?
Die Dauerbrenner in meinen Reports sind neben den Mittelbewegungen die Bereiche ESG und die allgemeinen Entwicklungen in der europäischen Industrie, insbesondere im Bereich der ETFs. Neben der Berichterstattung zu den Trends in der europäischen Fondsindustrie möchte ich mit meinen Artikeln die Aufmerksamkeit der Anleger und Marktbeobachter aber auch auf Tendenzen lenken, die so nicht im Fokus stehen. Ein Beispiel hierfür ist die Wertpapierleihe, bei der ich Risiken sehe, die so nicht in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden.
Sie haben bestimmt Berge von ESG-Studien auf Ihrem Schreibtisch. Gibt es da wirklich Neues oder dreht sich die Branche nicht langsam im Kreis?
Das ist eine gute Frage. Davon ausgehend, dass es ja schon sehr lange Investmentfonds gibt, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen, könnte man denken, dass es in diesem Bereich keine neuen Entwicklungen mehr gibt. Dies ist aber falsch. Die Nachfrage nach nachhaltigen Investments hat dazu geführt, dass heute wesentlich mehr Daten für Investmententscheidungen zur Verfügung stehen als etwa noch vor fünf Jahren. Auf Basis dieser neuen Datenpunkte können die Asset Manager neue Analyseansätze entwickeln, oder ihre bestehenden Modelle ergänzen. Somit sehen wir im Moment immer noch echte Innovationen und nicht nur Nachahmer von bestehenden Ansätzen. Diese Entwicklung dürfte noch einige Zeit so weitergehen, denn wir sehen, dass zum einen die Unternehmen immer mehr Daten in ihren Nachhaltigkeitsberichten veröffentlichen. Zum anderen gehen auch die Anbieter von Daten und Nachhaltigkeitsanalysen neue Wege und können den Asset Managern so andere Blickwinkel auf die Unternehmen ermöglichen. Hinzu kommt, dass der Druck der Regierungen und Regulatoren dazu führt, dass sich die Produktanbieter an neuen Vorgaben ausrichten müssen, was entsprechend zu neuen Produkten führt. Ob diese regulatorischen Vorgaben das Thema Nachhaltigkeit insgesamt weiterbringen, ist jedoch fraglich, da sich diese Vorgaben derzeit nur auf das Thema Umwelt, also das «E» in ESG, beziehen.
Wir biegen auf die Zielgerade des Jahres 2020 ein. Was war für Sie das wichtigste Ereignis seit Januar punkto aktiver Fonds?
Bei aktiv gemanagten Fonds hat es in diesem Jahr wenig Überraschendes gegeben. Was meiner Ansicht nach dem aktuellen Umfeld der Corona-Pandemie geschuldet ist. Allerdings gab es ab im Laufe des Jahres einige Gerüchte in Bezug auf Übernahmen und Zusammenschlüsse, die, wenn sie eingetreten wären, das Potenzial zu grösseren Verschiebungen in der europäischen Fondsindustrie gehabt hätten.
… und bei ETFs?
Die grösste Überraschung bei den ETFs war sicherlich, dass iShares jetzt wieder ETFs mit synthetischer Replikation anbietet. Nach dem Ende der Finanzkrise hat iShares in der Öffentlichkeit massiv auf die Risiken der synthetischen Replikation hingewiesen und so dazu beigetragen, dass Anleger nur noch selten in ETFs, die diese Art der Indexnachbildung nutzen, investierten. Allerdings konnten ETFs mit sythetischer Indexnachbildung in der jüngsten Zeit deutliche Mittelzuflüsse verzeichnen, was in der Folge zu der Strategieänderung bei iShares führte.
Link zum Disclaimer
Detlef Glow, MBA (UoW), begann im Jahr 2005 als Leiter der Fondsanalyse für Deutschland und Österreich bei Lipper at Refinitiv. Anfang 2007 übernahm er die Leitung für die Regionen Zentral-, Nord- und Osteuropa. Seit Oktober 2010 ist Glow Leiter der Fondsanalyse von Lipper in Europa, dem Nahen Osten und Afrika (EMEA). Zuvor war er als Direktor Portfoliomanagement bei der Feri Wealth Management GmbH in Bad Homburg als Portfoliomanager für vermögende Privatkunden tätig. Seine Karriere begann Detlef Glow neun Jahre zuvor bei der tecis Holding AG in Hamburg, wo er zuletzt als Leiter der Fondsanalyse sowohl für das quantitative als auch das qualitative Fondsresearch der tecis Asset Management AG verantwortlich war.