Investieren in europäische Aktien: keine Angst vor «Langeweile»

Portfoliomanager, EI Sturdza Strategic Europe Value Fund
EI Sturdza Investment Funds, London
eisturdza.com
08.04.2015
Herr Vinke, Sie sind Portfoliomanager des EI Sturdza Strategic Europe Value Fund. Wodurch zeichnet sich dieser Fonds aus?
Die Strategie für den Fonds besteht aus drei Hauptfaktoren. Der erste ist der Anlageprozess. Hier beginnen wir an der Basis: Wir lesen Jahresberichte, treffen uns mit dem Management von Unternehmen und dergleichen. Das Anlageteam arbeitet mit einem disziplinierten Ansatz und bestimmt den inneren Wert von Unternehmen mit einer bewährten proprietären Bewertungsmethode.
Zweitens sind wir Stockpicker. Wir suchen nach hochwertigen Unternehmen - Marktführer, gut prognostizierbare Umsätze, hohe Margen, starker freier Cashflow und geringe Kapitalintensität, wobei die Bewertung 40 Prozent unter dem inneren Wert liegen muss.
Der dritte Faktor ist die Konzentration im Portfolio. Üblicherweise besteht es aus 25 bis 35 Einzelpositionen. Diese Konzentration, der Anlageprozess und die Qualität der Unternehmen bieten unserer Ansicht nach die besten Voraussetzungen für eine Outperformance in steigenden wie fallenden Märkten. Die Up-Capture-Ratio des Fonds liegt bislang bei 104,7 Prozent, die Down-Capture-Ratio ist mit 64,0 Prozent weitaus niedriger, und die annualisierte Rendite beträgt 16,4 Prozent¹.
Ihre Outperformance gegenüber dem MSCI Europe Total Return Index ist beeindruckend. Wie sieht der Anlageprozess dafür aus?
Beim Management des Fondsportfolios achten wir nicht auf die Benchmark. Das Risikoteam von EI Sturdza behält sie natürlich täglich im Auge, aber für unseren Anlageprozess spielt sie keine wichtige oder gar entscheidende Rolle. Wir suchen nach Unternehmen, die zu einem Abschlag gegenüber ihrem inneren Wert gehandelt werden, und durch den Bewertungsprozess finden wir Unternehmen mit überlegenen Geschäftsmodellen - wir sprechen hier von «Quality Value»-Aktien. Unternehmen mit hohen Kapitalkosten fallen bei dieser Methode meist durch das Raster, und auch Branchen wie Versicherungen, Versorger sowie grosse Öl- und Gasfirmen sind im Portfolio unterdurchschnittlich vertreten.
Wie erwähnt, sorgt unser bewährter, disziplinierter Prozess dafür, dass wir konzentriert bleiben und Unternehmen wieder verkaufen, wenn ihre Bewertungen zu weit gestiegen sind. Üblicherweise versuchen wir, pro Monat eine neue Position in das Portfolio aufzunehmen. Bei maximal 35 Positionen muss sich jede einzelne davon die Aufnahme wirklich «verdienen». Wie das Portfolio im Vergleich zur Benchmark aussieht, ist letztlich nur ein Ergebnis dieser Überlegungen und kein Faktor, den wir bei unseren Entscheidungen einfliessen lassen.
Sie sind also hauptsächlich an bestimmten Sektoren interessiert?
Die Ausrichtung kann sich je nach den globalen Marktbedingungen verändern. Derzeit sind für uns aber hauptsächlich Konsumgüter - vor allem Basiskonsum, zum Teil aber auch Nicht-Basiskonsum - interessant, ausserdem Software und Unternehmensdienstleistungen.
Wie finden Sie die viel versprechendsten Aktien?
Als erstes filtern wir das Universum der europäischen Aktien nach bestimmten Kriterien. Anschliessend beginnen die Fundamentalanalysen, und die Aktien werden in eine Watchlist aufgenommen. Wir sind uns im Klaren darüber, dass man es mit dem Filtern auch übertreiben kann - irgendwann bleibt fast nichts mehr übrig. Dadurch kann man zum Beispiel Unternehmen übersehen, die eine Transformation durchmachen, so dass ihre langfristige Fähigkeit zur Cashflow-Generierung vorübergehend nicht erkennbar ist ist. Genau aus diesem Grund ist es so wichtig, auch mit dem Management zu sprechen, was wir seit 19 Jahren so machen. Tendenziell besteht das Portfolio aus Aktien, die man als «langweilig» bezeichnen könnte. Ein Beispiel dafür ist Nestlé, doch durch Neuaufnahmen und Streichungen in seinem Markenportfolio schafft es das Unternehmen immer wieder, seinen Umsatz im Jahresvergleich um einstellige Prozentsätze zu steigern.
Wie sind die Aussichten für die europäischen Märkte im Jahr 2015?
Dieses Jahr fällt mir ein Ausblick schwerer als in der Vergangenheit. Im letzten Jahr war das Wachstum in Europa enttäuschend. In Bezug auf 2015 bin ich mir nicht sicher, ob die Massnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) wirklich an der Basis der europäischen Volkswirtschaften ankommen werden. Die zusätzliche Liquidität wird sich auf die Aktienmärkte auswirken, und das Auseinanderlaufen der Geldpolitik in Europa und den USA bedeutet eine weitere Stärkung des Dollar. Das ist positiv für Länder wie Italien, in denen ein schwächerer Euro das BIP-Wachstum in Schwung bringen könnte. Auch der sinkende Ölpreis ist allgemein positiv für Europa, vor allem für die Konsumnachfrage.
Auf kurze Sicht scheinen die Aussichten also positiv zu sein. Risiko-Assets werden durch die Aktivitäten der EZB wahrscheinlich weiter zulegen. Ein starker US-Dollar ist ausserdem positiv für die Gewinne vieler europäischer Multinationals. Wir haben mit der Euro-Schwäche gerechnet und das Portfolio so positioniert, dass es von diesen Entwicklungen profitiert - das dürfte einer unserer Performance-Treiber in den vergangenen Monaten gewesen sein. Wenn alles gut geht, wird sich das Wirtschaftswachstum beschleunigen, vor allem in den Ländern Europas, die Änderungen ihrer Haushaltspolitik vorgenommen haben.
Allerdings gibt es auch politische Risiken zu beachten. Zu nennen sind hier Griechenland und Grossbritannien - das Ergebnis der Wahl in Grossbritannien lässt sich kaum vorhersagen.
Wie steuern Sie das Risiko im Portfolio?
Für einen Portfoliomanager liegt der wichtigste Aspekt beim Risikomanagement in der Auswahl der richtigen Aktien. Ich gewichte die einzelnen Positionen meist ungefähr gleich, weil man nie weiss, woher letztlich die Performance kommen wird. Und natürlich sollte keine der Positionen das Potenzial haben, das gesamte Portfolio zu ruinieren, was ebenfalls für eine Gleichgewichtung spricht.
Bei der Aktienauswahl achten wir auch auf Liquidität, so dass wir keine Positionen in Mikro-Caps haben. Mit Derivaten können wir das Abwärtsrisiko weiter eingrenzen.
Ausserdem könnte es für Anleger beruhigend sein, zu hören, dass ich auch persönlich in den Fonds investiert habe.
Noch ein paar Worte über den Strategic Europe Value Fund. Wann wurde er in welchem Land aufgelegt und wie viel Geld ist darin investiert?
Der EI Sturdza Strategic Europe Value Fund ist ein UCITS-IV-konformer offener Fonds, aufgelegt am 29. Oktober 2010 mit dem Domizil Dublin, Irland. Das verwaltete Vermögen liegt derzeit bei 425 Mio. Euro.
In welchen Ländern ist der Fonds zum öffentlichen Vertrieb zugelassen?
Der Fonds ist in den meisten europäischen Märkten registriert - unter anderem Deutschland, Grossbritannien, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Niederlande, Österreich, Schweden, Schweiz und Spanien. Diese Märkte werden von unserem erfahrenen Vertriebsteam betreut, und unser Investor-Relations-Team sorgt dafür, dass Anleger bei Bedarf Zugang zu Informationen und Personen bekommen.
¹ Angaben basierend auf rollierenden Vierjahresdaten bis Ende Februar 2015.
Willem Vinke ist der Portfoliomanager des EI Sturdza Strategic Europe Value Fund. Vinke arbeitet seit 1995 als Manager im Bereich Aktien Europa und seit 1992 in der Finanzbranche. Er beherrscht fünf Sprachen und hat einen Abschluss als BSc (Hons) in Management Sciences von der University of Manchester, einen MA in European Studies vom College of Europe in Bruges sowie einen MSc in Economics von der London School of Economics and Political Sciences. Vinke ist ausserdem ein Chartered Financial Analyst.
EI Sturdza Investment Funds ist eine rasch wachsende, unabhängige Fondsanlagegesellschaft, die preiskrönte High-Conviction-Strategien für institutionelle und private Kunden anbietet. Gegründet wurde das Unternehmen 1999 als Teil der Schweizer Privatbanking-Gruppe Banque Baring Brothers Sturdza S.A. Seine Wurzeln im Bereich Private Banking geben ihm eine sehr spezielle Perspektive, die den Anleger ins Zentrum sämtlicher wichtiger Entscheidungen über Fonds und Portfoliomanager stellt.