«Investieren ist kein Sprint, sondern ein Marathon»

23.03.2016
Herr Jourovski, Sie konnten kürzlich in Zürich von «Morningstar» den Award für den besten Schweizer Large-Cap Equity Fund entgegennehmen. Dieser Award zählt zu den begehrtesten Auszeichnungen der Schweizer Fondsbranche. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Wir sind der festen Überzeugung, dass der Schutz vor Risiken und Renditeasymmetrien die Treiber einer langfristigen Wertentwicklung für unsere Kunden sind. Diese Philosophie liegt allen unseren Investmentstrategien zugrunde: Aktien, Alternatives, Private Assets und Cross Asset Solutions. Da die Hälfte unseres Anlagevermögens über Einzelmandate verwaltet wird, verfügen wir über die erwiesene Fähigkeit, die Ziele unserer Kunden zu verstehen und Strategien zu entwickeln, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind.
In den vergangenen Jahren haben angelsächsische Anbieter Schweizer Aktienfonds am besten verwaltet. Nun liegt mit Unigestion wieder ein Schweizer Anbieter an der Spitze. Was machen Sie anders als die anderen?
Der einzige «Free Lunch» beim Investieren ist die Diversifikation. Wir haben 65 bis 75 verschiedene Aktien im Portfolio und konzentrieren uns dabei auf die Risiken und den Investment-Prozess. Der Schweizer Aktienfonds ist Teil einer Familie von acht Fonds, die mit einem Aktienteam von 25 Personen alle nach dem gleichen Prozess verwaltet werden.
Was zeichnet Unigestion weiter aus?
Mit der ausschliesslichen Fokussierung auf die Vermögensverwaltung und einem Aktienkapital, das zu 72 Prozent dem leitenden Management gehört, sind wir frei von Interessenskonflikten. 191 Mitarbeitende aus 21 Nationen sind für uns tätig. Unigestion hat seinen Hauptsitz in Genf und verfügt über Büros in wichtigen Finanzzentren der Welt: Zürich, London, Paris, New York, Toronto, Montreal und Singapur. Diese internationale Präsenz gewährleistet ein umfassendes lokales Markt-Research und ein gutes Verständnis für die lokale Dynamik, welche die Aktivitäten und Anforderungen unserer Kunden steuert. Auch die Stabilität ist ein wesentlicher Faktor, der unserem Geschäft eine langfristige Perspektive verleiht. Im Durchschnitt sind die Mitglieder unseres leitenden Managementteams seit 17 Jahren für Unigestion tätig.
Wie stellen Sie das Portfolio zusammen?
Wenn Sie den Film «Moneyball - die Kunst zu gewinnen» mit Brad Pitt kennen, können Sie unser Vorgehen gut vergleichen. Als Trainer musste er ein Fussball-Team zusammenstellen und investierte dabei kein Geld für Stars. Er fokussierte mit einem computergestützten Statistikverfahren auf die beste Zusammensetzung des Teams. Genau so gehen wir auch vor: Wir achten in der Diversifikation auf eine logische Kombination der Aktien im Fonds. Oft sind Aktien, die alle lieben, viel zu teuer.
Sie haben unter anderem auch Aktien von UBS im Portfolio. Weshalb?
Dafür gibt es verschiedene Gründe. Als Ergänzung zu den Branchen wie Pharma und Konsum diversifizieren wir auch in die Finanzbranche. Bei UBS gefällt uns, dass sie ihre juristischen Probleme der Vergangenheit gelöst hat. Hinzu kommt, dass die UBS selbst ein diversifiziertes Unternehmen mit Bereichen wie Asset Management, Retail- und reichen Kunden oder Investmentbanking ist und damit stabile Gewinne erzielt. Ein weiterer Grund ist die gute Liquidität der Aktie, die ein kostengünstiges Investieren ermöglicht.
Haben Sie den ersten Platz für Schweizer Aktien erwartet oder kam das für Sie überraschend?
Es ist immer ein wenig eine Überraschung, weil die Fondsanalysten teilweise unterschiedliche Kriterien für die Bewertung anwenden. Unser Fonds wurde 1999 aufgelegt und wir wussten, dass unsere defensiven Stärken in einem schwierigen Marktumfeld zum Tragen kommen. So hat der Fonds den Index in den letzten Jahren um durchschnittlich 2 Prozent outperformt. Auch in den ersten beiden Monaten 2016 liegen wir über dem Index. Während der SPI 8 Prozent verlor, ist unser Fonds nur 4 Prozent zurückgegangen.
Werden Sie den Award nächstes Jahr wieder gewinnen?
Unsere Kunden kaufen unsere Produkte nicht wegen der Performance in der Vergangenheit, sondern aus Überzeugung für unseren Prozess und die Performance in der Zukunft. Investieren ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Wir halten unsere Aktien durchschnittlich 18 Monate im Portfolio. Niemand kann sagen, was die Zukunft bringt. Der defensive Charakter sowohl des Schweizer Marktes als auch unseres Fonds kommt uns hier sicher entgegen. Je nach bewertetem Zeitfenster können wir sicher wieder mithalten.
Sie verwalten rund 100 Mio. Schweizer Franken im Schweizer Aktienfonds. Kommt Ihnen das kleinere Volumen entgegen?
Es ist sicher einfacher, einen Fonds in dieser Grösse zu verwalten. Wenn es ein sehr grosser Fonds mit 10 Mrd. Schweizer Franken Vermögen wäre, könnte man nur noch in liquide Aktien wie Nestlé, Novartis oder Roche investieren. Auch ein sehr kleiner Fonds unter 50 Mio. Schweizer Franken wäre schwierig, weil es die Diversifikation erschwert. Bei unserer Grösse können wir auch in Mid Caps wie Givaudan oder Galenica investieren.
Sie haben kürzlich vor 40 Pensionskassen-Verantwortlichen ein Referat über Factor Investing gehalten. Was ist das Besondere daran?
Wir integrieren diesen Ansatz seit 2015. Beim Thema Factor Investing kommen uns gleich Value, Momentum oder Small-Cap-Fokus in den Sinn. Wir setzen aber nie voll auf einen Faktor, sondern setzen diese Markteigenschaften als Tool in unserem Prozess ein. Wir nutzen Tools, die uns nützliche Informationen geben. Jedes Flugzeug verfügt heute über einen Autopilot. Braucht es daher keine Piloten mehr? Nein, es wird immer Menschen brauchen, welche die Werkzeuge überwachen. Wir sind keine Quant-Investoren, sondern verfolgen einen disziplinierten Prozess. Eigentlich gibt es die erwähnten Faktoren schon lange. Es ist also nicht etwas total Neues, wie uns einige aktuell zu sagen scheinen.
Ein Merkmal Ihres Anlagestils ist die tiefe Volatilität. Wie erreichen Sie das?
Gemäss der Kapitalmarkttheorie werden die Anleger für höheres Risiko mit höheren Renditen entschädigt. Untersuchungen haben aber ergeben, dass Portfolios von Aktien, die geringe Wertschwankungen aufweisen, über längere Zeit höhere Renditen abwerfen als solche mit Aktien höherer Volatilität. Das widerspricht der Theorie, ist aber Realität. Wir investieren in etablierte Unternehmen, die stabile Cashflows generieren. Die Unternehmensgewinne entwickeln sich langsam, schrittweise, nicht exponentiell. Es sind langweilige Firmen, nicht solche, mit denen man über Nacht reich werden kann.
Setzen Sie Futures, Swaps oder Leverage ein?
Nein, überhaupt nicht. Unser Fonds ist immer voll investiert und zu 100 Prozent «long». Weil wir vor allem Risiken vermeiden, setzen wir keine unsicheren Instrumente ein. Unsere Produkte werden in erster Linie von Pensionskassen und Versicherungen gekauft. Bei ihnen steht auch die Sicherheit im Vordergrund.
ETFs sind stark im Kommen. Machen sie Ihnen das Leben schwerer?
Ich persönlich liebe die ETFs. Weil sie in den ganzen Markt investieren, gibt das uns die Möglichkeit, Opportunitäten zu nutzen und andere Gewichtungen festzulegen. Wir wollen smarter sein als der Gesamtmarkt, die guten von den schlechten Aktien unterscheiden und besser als der Index abschneiden.
Alexei Jourovski, Managing Director, ist Leiter Aktienanlagen und Mitglied des Exekutivausschusses von Unigestion. Er ist ausserdem Mitglied des Aktien-Investment & Research-Ausschusses. Seit seinem Eintritt bei Unigestion in 2001 spielt er eine entscheidende Rolle im Management der Aktienfonds von Unigestion. Zu den Hauptaufgaben seines Teams bestehend aus Portfoliomanagern und Analysten gehören die Portfoliokonstruktion, die Investmentüberwachung und die quantitative Forschung. Alexei Jourovski verfügt über einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften der Universität Genf und schloss seine Ausbildung mit Executive Education Programmen an der IMD Business School in Lausanne ab.