«Japan wird zum neuen Anlegerliebling in Südostasien»

13.10.2023
Herr Rehmann, wieso könnte Japan noch stärker in den Fokus der Anleger rücken?
Momentan gibt es drei Gründe, die für den Nipponstaat sprechen: Der schwache Yen beflügelt den Export. Historisch sind japanische Aktien noch immer niedrig bewertet und die japanische Wirtschaft profitiert auch von steigenden ausländischen Direktinvestitionen («Friendshoring»).
Auf welchen Fakten basieren Sie diese Einschätzung?
Seit einigen Monaten kommen durchwegs positive Nachrichten aus dem Land der aufgehenden Sonne: Der japanische Aktienindex Nikkei 225 ist seit Jahresbeginn in Yen um rund 22 Prozent gestiegen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) kletterte zwischen April und Juni 2023 auf das Jahr hochgerechnet um sechs Prozent. Hauptgründe für die positive wirtschaftliche Entwicklung sind der lebhafte Aussenhandel und steigende ausländische Direktinvestitionen. Die Landeswährung Yen hat im Vergleich zu anderen Währungen stark abgewertet und belebt damit die japanische Exportkonjunktur. Die japanische Währung hat in diesem Jahr etwa 11.43 gegenüber dem Euro und etwa 11.8 Prozent gegenüber dem US-Dollar nachgegeben. Damit ist die Währung auf dem schwächsten Stand seit mehr als zehn Jahren. Das Land zieht derzeit viel ausländisches Kapital an. Selbst der Immobilienmarkt, der traditionell eher in der Hand der Inländer ist, erfährt Zuflüsse aus dem Ausland.
Wie kommt es zu den steigenden ausländischen Direktinvestitionen?
Als wichtiger strategischer Partner der USA profitiert der Inselstaat vom sogenannten «Friendshoring». Damit ist die Auslagerung von Produktion in ein befreundetes bzw. verbündetes Land gemeint. Unternehmen versuchen so, politische Risiken abzufedern und ihre Standorte abzusichern. Das «befreundete» Japan profitiert in diesem Fall von den aktuellen Spannungen zwischen China und den USA. Für die japanische Volkswirtschaft ist China aber dennoch ein wichtiger Absatzmarkt, der etwa 25 Prozent der gesamten japanischen Exporte ausmacht.
Wie präsentiert sich in Japan die Teuerung?
Nachdem Japan jahrelang unter deflationären Tendenzen litt, hat sich das Blatt nun scheinbar gewendet: Die Löhne steigen wieder, ebenso wie das allgemeine Preisniveau und auch die Arbeitslosenzahlen sind rückläufig. Anders als in den USA oder Europa gibt es allerdings keine Probleme mit erhöhter Inflation. Im August lag die Inflation bei 3.2 Prozent und somit nur leicht über dem Zwei-Prozent-Ziel der Notenbank. Die japanische Notenbank geht von einer Inflation von etwa zwei Prozent für 2024 aus. Der Leitzins ist weiterhin im negativen Bereich. Das übt Druck auf den Yen im Vergleich zu anderen Währungen aus, da es für Anleger attraktiver ist, in europäische oder US-Staatsanleihen zu investieren. Andererseits haben fremdfinanzierte japanische Unternehmen durch die niedrigen Zinsen im Heimatland einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Unternehmen in Europa oder den USA, die zumindest perspektivisch unter der höheren Zinsbelastung leiden.
Gibt es sonst noch Trends, die für Japan sprechen?
Ja, die Wirtschaft hat stark von der Öffnung des Landes nach der Covid-19-Pandemie unter anderem auch durch Tourismus profitiert. Zusätzlich wird Japan für internationale Anleger attraktiver. Japanische Unternehmen veröffentlichen inzwischen generell mehr. Eine öffentliche Anweisung der Tokioter Börse zu Beginn des Jahres, dass Unternehmen, die unter ihrem Buchwert notieren, einen Restrukturierungs- bzw. «Wertsteigerungsplan» vorlegen müssen - die so genannte «Tokio Stock Exchange Reform». Sie hat zudem dazu geführt, dass viele Unternehmen ihre Dividenden erhöht oder Aktien zurückgekauft haben. Das treibt die Aktienkurse dieser Unternehmen weiter nach oben. Wermutstropfen für Anleger in Europa bleibt die Währung, da Gewinne an der Tokioter Börse durch den schwachen Yen in Euro bisher deutlich geringer ausfallen. Japan wird so immer mehr zum neuen Anlegerliebling in Südostasien.
Link zum Disclaimer
Moritz Rehmann ist seit März 2005 Mitglied beim Research- und Portfoliokonzeptions-Team der DJE Kapital AG. Er ist Analyst für die Sektoren Finanzen, Konsum und Technologie und betreut als Fondsmanager den «DJE - Multi Asset & Trends». Bevor er seine Karriere bei der DJE Kapital AG begann, studierte Moritz Rehmann Wirtschaftswissenschaften in Osnabrück und Münster mit dem Abschluss als Diplom-Kaufmann. Anfang 2005 absolvierte er den Master in Betriebswirtschaft an der Fachhochschule Oldenburg / Ostfriesland / Wilhelmshaven mit den Schwerpunkten Finanz- und Kapitalmärkte.