Jenseits ausgetretener Pfade: Der kühle Norden verspricht heisse Renditen

24.11.2017
Herr Apel, gerade ist das mittlerweile 4. Nordic Investment Managers Forum (NIMF) in Luxemburg zu Ende gegangen. Wie fällt Ihr Fazit aus?
Sehr positiv. Wir hatten mit über 100 Investoren eine neue Rekordbeteiligung. Der luxemburgische Finanzminister Pierre Gramegna hat in seiner Rede die enge Verbindung der nordeuropäischen Länder zu Luxemburg betont. Und die interessanten Vorträge sowie die vielen Gespräche mit den sachkundigen Gästen auf hohem Niveau geben dem NIMF sein ganz besonders Flair. Die Themen der Vorträge reichten dabei von «Value Investing: Der König ist tot - lang lebe der König» über die Bedeutung von Innovationen für die Renditen im Technologiesektor bis zum Konzept eines dänischen Asset Managers, der im Portfoliomanagement statt auf einen «Star-Manager» auf ein starkes Teamwork setzt.
Nächstes Jahr ist dann ja mit dem 5. NIMF ein kleines Jubiläum fällig. Was ist hier geplant?
Wir freuen uns schon auf 2018, da sich das Format so gut etabliert hat. Aufgrund der immer grösseren Resonanz überlegen wir gemeinsam mit unseren Partnern, wie das NIMF als Veranstaltungsformat weiter ausgebaut werden kann.
Nur sehr wenige nordeuropäische Unternehmen sind in den grossen Aktienindizes vertreten. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Skandinavien ist im Vergleich zu Gesamteuropa klein und hat nicht ganz so viele Firmen mit grosser Marktkapitalisierung. Dennoch oder vielleicht gerade deswegen finden Investoren dort ein reiches Angebot an sehr gut geführten Unternehmen. Abseits ausgetretener Pfade sozusagen. Und im Gegensatz zur langläufigen Meinung, die Länder wie Schweden oder Dänemark gerne noch immer in die leicht verschlafene «Sozialstaatsecke» stellt, ist es laut einem Index der Weltbank in diesen Ländern wesentlich einfacher, ein Unternehmen zu gründen als zum Beispiel in Deutschland. Es weht vielfach ein frischer Wind im Norden.
Drückt sich das denn auch in Performancekennziffern aus?
Ja, absolut. Denn betrachtet man die letzten fünf Jahre seit Ende 2016, haben deutsche Aktien ohne Dividenden rund 60 Prozent zugelegt. Der VINX-Index aber, in dem die 100 grössten Unternehmen Norwegens, Schwedens, Finnlands und Dänemarks enthalten sind, brachte es im selben Zeitraum auf ein Plus von rund 120 Prozent, also doppelt so viel. Schwedische Titel sind im Index mit 46 Prozent am stärksten vertreten. 24 Prozent der Aktien notieren in Dänemark, 16 Prozent in Finnland und 9 Prozent in Norwegen. 75 Prozent des Index notiert in skandinavischen Währungen. Und wer in dieser Zeit in der Region investierte und Währungsrisiken einging, wurde mit zusätzlicher Rendite belohnt.
Wo liegt Ihrer Meinung nach das Geheimnis dieses Erfolges?
Es sind sicher mehrere Faktoren. Einer ist, dass die nordischen Staaten die Finanzmarktkrise vor allem dank früherer Reformen recht gut überstanden haben. Nicht wenige Experten sehen die Nordics daher auf den Ranglisten in Bezug auf Wettbewerbsfähigkeit und niedrige Verschuldung nicht zufällig ganz oben stehen. Der umfassende Wohlfahrtsstaat, der in vielen Bereichen heute stärker auch Marktelemente enthält, ist effizienter geworden und so nicht mehr existent. So führten zum Beispiel Schweden und Finnland, ähnlich wie Deutschland, entschlossene Privatisierungen in den Bereichen Telekommunikation und Energiemarkt durch. Dänemark hat seine starren Arbeitsmarkgesetze gelockert, indem ein vergleichbarer geringer Kündigungsschutz mit grosser sozialer Absicherung verbunden wurde. Mit einer aktiven Arbeitsmarktpolitik konnte so die rekordhohe Arbeitslosigkeit reduziert werden. Das gilt vielen europäischen Ländern mittlerweile als Vorbild. Und die Verschuldungsquoten sind insgesamt im europäischen Vergleich zum Teil sehr gering, die Haushaltskonsolidierung wurde entschlossen angegangen.
Und gibt es auch «weiche Faktoren», die ja bekanntlich immer wichtiger werden, man denke nur an das Thema Nachhaltigkeit.
Ja, das ist auch ein wichtiger Punkt für die gute Entwicklung, wie auch die hohe Lebensqualität in den Nordics. Bei den entsprechenden Rankings belegen sie immer wieder Spitzenplätze. Ähnliches gilt beim Thema Nachhaltigkeit. ESG (Environment, Social, Governance) oder nachhaltiges Investieren. Das ist ja heute in aller Munde. Doch es ist auch ein Modebegriff, viele verkaufen alten Wein in neuen Schläuchen. Auch weil es noch zu wenige einheitliche Standards gibt und es zu oft nur um Ausschlusskriterien und «Rote Listen» geht. Nordische Länder wie Schweden, Norwegen oder Dänemark sind hier schon sehr lange aktiv und First Movers. Das gilt besonders auch für Banken wie beispielsweise DNB aus Norwegen. In vielen Nachhaltigkeitsrankings zum Beispiel der UNO belegen die Nordics sehr oft vordere Plätze.
Sie erwähnen Norwegen. Das Land ist sehr stark vom Erdöl abhängig. Ist das nicht ein Problem?
Sicher, das Land hat aber auch eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen und mit Oslo eine der teuersten Hauptstädte der Welt. Man hat es geschafft, mit der Öl- und Gasindustrie als Basis eine stabile und dynamische Wirtschaft zu formen, die Jahr für Jahr hohe Leistungsbilanz- und Haushaltsüberschüsse aufweist. Der einzigartige Mix von Rohstoffen und deren effiziente Gewinnung und Nutzung (Öl, Gas, Strom aus Wasserkraft, Fisch und Holz) macht dem Land so schnell keiner nach. Der norwegische Staat ist praktisch schuldenfrei. Norwegen ist auch Europas grösster Wasserkraftproduzent. Dank der grossen Wasserressourcen und Höhenunterschiede des Landes kann Norwegen seinen eigenen Elektrizitätsbedarf zu etwa 95 Prozent aus Wasserkraft decken. Das Land ist ebenfalls Vorreiter bei der Zulassung von Elektroautos. Im Lande gibt es derzeit über 110’000 batteriegetriebene Kraftfahrzeuge. Das Bild ist also differenziert.
Und dann ist ja noch der norwegische Staatsfonds, der grösste der Welt…
Richtig. Und der eilt aktuell von Rekord zu Rekord und durchbrach jetzt die Schallmauer von 1 Billionen US-Dollar. Mit dieser Summe könnte in Deutschland der Bund zwei Drittel seiner gesamten Schulden in Höhe von 1,3 Billionen Euro (gut 1,5 Billionen US-Dollar) tilgen. Auch in der Pro-Kopf-Rechnung erreicht der norwegische Staatsreichtum somit schwindelerregende Höhen. Auf jeden der knapp 5,3 Millionen Einwohner entfallen nun etwa 192.700 US-Dollar, das sind 164’000 Euro. Der Fonds soll helfen, für schlechte Zeiten vorzusorgen und die Pensionen der Norweger zu sichern.
Letzte Frage: Wo sehen Sie die Herausforderungen für die Wirtschaft Skandinaviens in den nächsten Jahren?
Trotz der beschriebenen Reformen sind die Staatsquoten zum Beispiel in Dänemark, Finnland und Schweden mit über 50 Prozent noch sehr hoch. Auch die Steuerbelastungen sind mit über 40 Prozent im Vergleich zu anderen EU-Ländern noch recht üppig. Grosser Handlungsbedarf besteht auch bei der Integration der zahlreichen Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt. Gemessen an der Bevölkerungszahl verzeichnet zum Beispiel Schweden in der EU einer der höchsten Aufnahmequoten von Flüchtlingen. Das System ist dabei wenig effizient. Die starke norwegische Abhängigkeit vom Öl wurde schon angesprochen. Dennoch bieten die Nordics, wie ich meine, gute Investmentchancen jenseits ausgetretener Pfade.
Hagen-Holger Apel ist seit Juli 2015 bei DNB Asset Management S.A. als Senior Client Portfolio Manager beschäftigt. Er ist Diplom-Volkswirt (LMU München), Certified International Investment Analyst der DVFA Frankfurt und seit mehr als zehn Jahren am luxemburgischen Finanzplatz tätig.