«Keine Abkürzung auf dem Weg zu Netto-Null»

30.06.2023
Frau Jenssen, warum ist die Reduktion von CO2-Emissionen so wichtig?
Inzwischen ist allen bewusst, dass der Klimawandel eine globale Krise ist, die nicht nur die Umwelt bedroht, sondern auch die Zukunft unserer Gesellschaft und Wirtschaft. Da CO2-Emissionen den Klimawandel wesentlich vorantreiben, müssen wir Klimaneutralität erreichen, um dem Planeten keinen weiteren Schaden zuzufügen. Daher suchen Regierungen und Unternehmen nach Wegen, den CO2-Ausstoss zu reduzieren. Auch Investoren erkennen den Ernst der Lage. Deshalb haben wir gemeinsam mit anderen Vermögensverwaltern die Net Zero Asset Managers (NZAM) Initiative ins Leben gerufen. Inzwischen haben sich mehr als 300, die insgesamt beinahe 59 Billionen US-Dollar verwalten, dazu bekannt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Dazu gehören auch Zwischenziele und Statusberichte.
Wie genau will Nordea Asset Management denn klimaneutral werden?
Bei uns sind die Massnahmen zur Verringerung von Emissionen in unseren Portfolios relativ einfach. Allerdings glauben wir nicht, dass Klimaneutralität allein durch Vermeidung und Ausschluss erreicht werden kann. Zwar trennen wir uns von Unternehmen, die den Wandel nicht mittragen, und allokieren Kapital zu den Anbietern von Klimalösungen, aber ein zentrales Element unseres Prozesses ist auch der Dialog mit Unternehmen, denn hier kann der CO2-Ausstoss am wirkungsvollsten reduziert werden.
Welche Massnahmen ergreifen Sie, um die CO2-Emissionen in Portfolios zu reduzieren?
Sehen wir uns zum Beispiel die «Nordea Global Stars Equity»-Strategie an. Sie gehört zur «ESG Stars»-Familie und schliesst emissionslastige Branchen wie Öl und Gas aus. Schon dadurch sind die Gesamtemissionen der Strategie natürlich niedriger als die der Benchmark, dem MSCI All Country World Index. Ende März 2023 etwa lag die gewichtete durchschnittliche CO2-Intensität der «Nordea Global Stars Equity»-Strategie um 30 Prozent unter dem Benchmark-Wert. In den Sektoren, in die wir investieren, führt uns unsere Aktienauswahl allerdings häufiger zu Unternehmen mit vergleichsweise hohen Emissionen.
Das scheint jedoch im Widerspruch zum eingangs erwähnten Ziel der Klimaneutralität zu stehen…
Tatsächlich ist das nicht der Fall. Schliesslich sind die Gesamtemissionen des Portfolios deutlich geringer als die der Benchmark, wodurch Anleger immer noch positive Beiträge leisten, die sie mit einem Indexfonds nicht erreichen würden. Ausserdem ist gerade die Auswahl von Firmen mit einer ungünstigen Klimabilanz Ausdruck unseres Wunsches, Wandel herbeizuführen. Wir wollen Anlegern nicht einfach durch die Vermeidung aller Klimasünder ein klimaneutraleres Portfolio anbieten. Das wäre zwar auf dem Papier der einfachste Weg, in der realen Welt würden so aber keine Veränderungen angestossen werden. Unsere Philosophie ist klar: Wir wollen echten Wandel, indem wir im Dialog mit Unternehmen hohe Emissionen senken. Hier ein Beispiel: Vier der 74 Unternehmen in der «Nordea Global Stars Equity»-Strategie verursachen etwa 70 Prozent der Gesamtemissionen des Portfolios. Wenn wir auf diese Firmen einwirken könnten, ihren CO2-Ausstoss zu halbieren, würde die Klimabilanz des Portfolios um 35 Prozent gesenkt.
Welche konkreten Fortschritte haben Portfoliounternehmen denn zuletzt gemacht?
Ein gutes Beispiel ist Waste Management Inc, ein US-amerikanisches Unternehmen, das Abfallsammel-, Entsorgungs- und Recyclingdienste anbietet. Dabei handelt es sich in der Regel um Aktivitäten mit hohen Emissionen. Das Unternehmen hat sich dazu verpflichtet, die globale Erwärmung auf 1.5 Grad zu begrenzen, indem es die absoluten Treibhausgasemissionen für Scope 1 und 2 bis 2032 um bis zu 42 Prozent im Vergleich zum Basisjahr 2021 reduziert. Das Unternehmen hat zudem seine Ambitionen und Ziele bei der Science-based Target Initiative eingereicht und wartet nun auf die Validierung. Darüber hinaus erhöht der Konzern seine Investitionen in Recyclinganlagen mit rund 825 Mio. US-Dollar in die kohlenstoffarme Energieerzeugung sowie 800 Mio. US-Dollar in die Recycling-Infrastruktur bis 2025.
Link zum Disclaimer
Hilde Jenssen ist Head of Fundamental Equities bei Nordea Asset Management. Sie stiess im Juni 2018 als Produktmanagerin zum nordischen Vermögensverwalter. Zuvor war Jenssen Portfoliomanagerin bei Skagen Funds. Den grössten Teil ihrer Karriere hat sie in New York verbracht, wo sie als Aktienresearch-Analystin bei Credit Suisse First Boston begann und später unter anderem zum Aktienderivate-Team von Goldman Sachs wechselte. Hilde Jenssen hat an der Columbia Business School Kurse unterrichtet, wo sie auch ihren MBA absolvierte.