«Keine geballte Aktivität in Trendthemen»

10.06.2015
Herr Glow, Sie zählen zu den besten Kennern des europäischen Fondsmarktes. Es kommen ständig neue Produkte auf den Markt. Ganz ehrlich, haben Sie noch den Überblick?
Bei der Vielzahl der Produkte, die auf den Markt kommen, ist es nicht wirklich einfach den Überblick zu behalten, aber durch unsere Reportingsysteme bekomme ich täglich beziehungsweise konsolidiert einmal im Monat eine Liste mit den neuen Fonds. Das hilft zumindest im Groben den Überblick zu behalten, was gerade im Markt passiert.
Hat Sie in den letzten Monaten irgendetwas wirklich überrascht?
Die Überraschung in den vergangenen Monaten war nicht die Neuauflage eines Produktes, sondern eher das, was nicht passiert ist. Während es in den vergangenen Jahren häufig der Fall war, dass die Fondsanbieter versucht haben von einem Trend zu profitieren, in dem sie neue Fonds auf den Markt brachten, haben wir weder im Bereich der sogenannten Multi-Asset-Fonds noch bei den Dividendenfonds in diesem und im letzten Jahr eine massive Produktoffensive der Anbieter gesehen. Es scheint, dass die Anbieter im Hinblick auf Fondsneuauflage von ihren Fehlern in der Vergangenheit gelernt haben. Das heisst übrigens nicht, dass wir in den beiden genannten Bereichen keine Aktivität sehen, aber anders als in anderen Jahren halt nicht so geballt.
Was sagen Sie zum Stichwort «Smart Beta ETFs»? Die kommen ja nun so richtig in Mode.
Ich halte gut gemachte Smart-Beta-Konzepte für eine sinnvolle Ergänzung zu den vorhandenen passiven und aktiven Produkten. Zudem dürfte die steigende Anzahl der verfügbaren Strategien ebenso wie die steigende Beliebtheit dieser Produkte dazu führen, dass sich der Wettbewerb, gerade im Bereich der semi-aktiven Fonds, also Fonds, die nur einen geringen Tracking Error zu ihrem Index aufweisen, weiter verschärfen dürfte, was leztendlich gut für die Anleger ist. Ich glaube, dass das Segment der Smart-Beta-Fonds einer der Wachstumstreiber für die ETF-Industrie werden wird.
Das macht das Leben der Anbieter von aktiv verwalteten Fonds noch schwerer…
Bisher ist das Leben der Anbieter von aktiv verwalteten Fonds ja nicht schwer gewesen. Anders, als es von vielen Marktbeobachtern beschrieben wird, haben passive Produkte sowohl bei den verwalteten Vermögen wie auch bei den Mittelzuflüssen derzeit noch keinen exorbitant hohen Marktanteil. Natürlich sehen die aktiven Manager passive Produkte als Gefahr für ihr Geschäft, aber die Beliebtheit der passiven Produkte zeigt ja nur, dass es einen Bedarf für index- beziehungsweise regelbasierte Lösungen gibt und der wird über passive Produkte abgedeckt. Ich glaube übrigens, dass ETFs ihren Marktanteil in den nächsten Jahren noch deutlich steigern werden, denn die ETF-Anbieter haben gerade erst begonnen, das Produkt ETF über alle Verkaufskanäle hinweg zu vermarkten. Hierbei tun sich gerade die grossen etablierten Anbieter durch verschiedene Initiativen zur Erschliessung neuer Marktsegmente hervor.
Also Big is beautiful?
Das ist bedingt richtig. Die grossen Anbieter haben natürlich entsprechende Ressourcen und tun viel für die Vermarktung ihrer Produkte und damit auch für die Popularität des jeweiligen Marktsegmentes bei den Anlegern. Im Gegensatz dazu fokussieren sich kleine Unternehmen oftmals auf spezielle Ansätze und wollen mit innovativen Anlagekonzepten bei den Anlegern punkten. Dies bedeutet nicht, das grosse Anbieter nicht innovativ sind, aber kleine Anbieter sind teilweise hochspezialisiert und daher insbesondere in Nischensegmenten im Vorteil. Für den Gesamtmarkt der Investmentfonds ist beides sehr wichtig, damit die Akzeptanz von Investmentfonds bei den Anlegern weiter steigt, denn letztendlich benötigen die Anleger qualitativ hochwertige Produkte, mit denen sie ihre Marktmeinung sowohl in den breiten Marktsegmenten wie auch in Nischenmärkten umsetzen können.
Ein paar Worte zu Ihrem Job. Wie sieht eine klassische Arbeitswoche aus?
So etwas wie eine klassische Arbeitswoche gibt es bei mir glücklicherweise nicht. Ich habe zwar einige Publikationen, die ich regelmässig liefern muss, aber generell ist bei mir jede Woche mit anderen Themen gespickt. Das bedeutet, dass es bei mir eigentlich nie langweilig wird, was einer der Punkte ist, die ich an meinem Beruf sehr schätze.
Wofür hätten Sie gerne mehr Zeit?
Das Thema Zeit für etwas zu haben, steht bei mir nicht so im Vordergrund, da man alles in seinen Tagesablauf einplanen kann, wenn man nur will. Nehmen wir nur einmal das Thema Sport. Viele Menschen sagen, sie hätten keine Zeit neben ihrer Arbeit noch Sport zu machen. Wenn man es jedoch plant und feste Tage und Zeiten in seinen Kalender aufnimmt, ist es eigentlich kein Problem - auch in einer Woche, die mit Terminen vollgepackt ist. Ich gehe zum Beispiel in solchen Wochen entweder früh morgens oder spät am Abend zum Sport.
Und was würden Sie am liebsten aus der Agenda streichen?
Da fallen mir nur die Reisezeiten ein, also die Zeit, die man benötigt, um von A nach B zu kommen. Denn insbesondere, wenn die Strecke per Flugzeug zurückgelegt werden muss, ist die hierfür benötigte Zeit, oftmals Zeit, die man nicht wirklich produktiv nutzen kann. Da denke ich manchmal schon, dass es cool wäre, wenn man sich wie auf dem Raumschiff Enterprise einfach beamen lassen könnte. Ich gehe aber davon aus, dass ich das während meiner beruflichen Karriere nicht mehr erleben werde.
Detlef Glow, MBA (UoW), begann im Jahr 2005 als Leiter der Fondsanalyse für Deutschland und Österreich bei Thomson Reuters - Lipper. Anfang 2007 übernahm er die Leitung für die Regionen Zentral-, Nord- und Osteuropa. Seit Oktober 2010 ist Detlef Glow Leiter der Fondsanalyse von Lipper in Europa, dem Mittleren Osten und Afrika (EMEA). Zuvor war er als Direktor Portfoliomanagement bei der Feri Wealth Management GmbH in Bad Homburg als Portfoliomanager für vermögende Privatkunden tätig. Seine Karriere begann Glow neun Jahre zuvor bei der tecis Holding AG in Hamburg, wo er zuletzt als Leiter der Fondsanalyse sowohl für das quantitative als auch das qualitative Fondsresearch der tecis Asset Management AG verantwortlich war.