«Künstliche Intelligenz an den Finanzmärkten in mehr als nur einem Schlagwort!»

13.11.2019
Herr Nardon, was macht Ihr Unternehmen genau?
Sarasin ist ein in London ansässiger Vermögensverwalter, der Anlagelösungen für Privatkunden, Wohltätigkeitsorganisationen und institutionelle Kunden anbietet. Die DNA der Firma basiert auf «Global Thematic Equities», aber im Laufe der Jahre haben wir Expertise in anderen Bereichen aufgebaut, einschliesslich Quant-Lösungen.
Wie sieht ein Tagesablauf von Ihnen aus?
Der Komfort des Alltags ist längst weg! Jeder Tag ist anders. Generell ist meine Zeit aufgeteilt in die Erforschung neuer Strategien und Handelssignale, den Aufbau neuer Portfoliokonstruktionsmodelle und natürlich das Management von Strategien. In diesem Jahr habe ich auch viel Zeit auf Reisen verbracht, um unsere Forschungen und Erkenntnisse vor Kunden und auf Konferenzen zu präsentieren, insbesondere zu «Machine Learning» und Künstliche Intelligenz hier in Europa, aber auch in Amerika und Asien.
Was fasziniert Sie ganz besonders an Ihrem Job?
Die Herausforderung! In Finanzmärkte zu investieren ist wie ein Wettkampf in einem Sport. Sie müssen in der Lage sein, den Stress des Marktes zu absorbieren, und Sie müssen ständig daran arbeiten, einen Vorsprung aufzubauen, um den anderen voraus zu sein. Es ist sehr herausfordernd, so wie damals, als ich in jungen Jahren in den italienischen Alpen wetteiferte!
Auf den Punkt gebracht: Ist Künstliche Intelligenz mehr als ein Schlagwort?
Ja, es ist mehr als ein einprägsames Schlagwort und auf den Punkt gebracht: ich glaube nicht, dass wir jemals ohne sie leben können. Die Künstliche Intelligenz dringt immer mehr in unser tägliches Leben ein, da sie einen Mehrwert für unser Handeln darstellt. Bei einem übermässigen Einsatz von Künstlicher Intelligenz gibt es jedoch neue Risiken und Konsequenzen, von denen ich nicht sicher bin, ob sie so gut sind. Eine der grossen Risiken, die ich sehe, ist, dass wir uns auf ein komfortableres Leben einstellen und was ist dann die Notwendigkeit, etwas zu lernen, wenn man Google bitten kann, uns die Antwort zu geben, oder was ist der Punkt, um zu lernen, wie man ein Auto fährt, wenn Autos natürlich alleine fahren werden.
Wie lässt sich dies auf die Finanzindustrie übertragen?
Die Finanzindustrie hat gerade erst begonnen, ein höheres Technologie-Niveau einzuführen, und es bedarf keiner Doktorarbeit, um zu sehen, dass die Künstliche Intelligenz einen Beitrag zur Industrie leisten kann, aber man muss realistisch sein, was die Erwartungen betrifft. Künstliche-Intelligenz-Modelle sind in der Lage, sehr komplizierte Probleme zu lösen, daher sind sie mächtig, aber all diese schwierigen Probleme wurden gelöst, weil es eine Lösung gab. Ein Objekt aus einem Bild zu klassifizieren, einen Schriftsteller aus einem Drehbuch zu erkennen, eine Krankheit aus einem Scan zu erkennen, ist nicht so, als würde man eine gute von einer schlechten Investition unterscheiden. Daher bin ich optimistisch in dem Sinne, dass ich glaube, dass Künstliche Intelligenz zunehmend eine grosse Rolle an den Finanzmärkten spielen wird, aber nicht unbedingt in Bereichen wie der Aktienauswahl, sondern vielmehr in der Portfoliokonstruktion, um in der Nähe von Investitionen zu bleiben, aber vor allem wird Künstliche Intelligenz das Marketing, das Reporting und die meisten unserer Backoffice-Tätigkeiten effizienter und effektiver machen.
Link zum Disclaimer
Andrea Nardon ist seit über 20 Jahren als Quant Portfolio Manager und Researcher tätig. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Venedig, wo er über ein Jahr an der Fakultät für Mathematik mit Schwerpunkt auf Anwendungen von neuronalen Netzen und «Neuro Fuzzy Logic» für Finanzzeitreihen arbeitete. Nardon leitet derzeit mehrere Projekte zu «Artificial Intelligence» (Künstliche Intelligenz) und «Machine Learning» (Maschinelles Lernen). Zudem kodiert er in mehreren Programmiersprachen.