«Kurzfristig sind die Börsen stark von Makro, Momentum und Sentiment getrieben»

Head of Business Development und Board Member
Aberdeen Asset Managers Switzerland AG, Zürich
aberdeen-asset.ch
12.01.2016
Herr Wandeler, wie würden Sie Ihr Haus in einem Kurzporträt beschreiben?
Wir sind einer der grössten unabhängigen Vermögensverwalter in Europa, arbeiten weltweit in 26 Ländern mit 37 Büros und verfügen über eine grosse Plattform mit praktisch allen Assetklassen. Aberdeen Asset Management ist bekannt als einer der führenden Emerging-Markets-Manager. Dazu gehören sowohl Obligationen- als auch Aktienanlagen. In dieser Region war es objektiv betrachtet in den letzten zweieinhalb Jahren nicht gerade einfach, investiert zu sein. Dafür konnten wir vorher fünf Jahre lang ein explosives Wachstum beobachten. Seit im Mai 2013 das Tapering der US-Notenbank Fed mit dem Ende des Quantiative Easing bekannt wurde, hat das Interesse an Investitionen in Schwellenländer nachgelassen. Wir haben unter diesem Interessenverlust auch gelitten, aber nicht übermässig. Der Rückgang lag im Rahmen der Abflüsse in dieser Assetklasse.
Im April 2014 hat Aberdeen den Vermögensverwalter Scottish Widow übernommen. Dadurch wurde unsere Plattform durch neue Produkte und Kapazitäten erweitert, die auf den ersten Blick nicht sofort mit Aberdeen assoziiert werden. Dazu gehören verschiedene Fixed- Income-Anlagen und Versicherungslösungs-Anlagen, die in Grossbritannien sehr beliebt sind. Das ist ein Segment, das wir in Europa und in der Schweiz ausbauen werden.
Und was zeichnet Aberdeen in der Schweiz aus?
Wir waren früher ein eher kleiner ausländischer Anbieter, bevor wir 2009 durch die Akquisition des Credit-Suisse-Fondsgeschäfts stark zulegen konnten. Weitere Zuflüsse erhielten wir durch eine starke Nachfrage nach Emerging-Markets-Produkten. Wir sind nun daran, dieses Wachstum zu konsolidieren. Durch die Bewertung der Emerging Markets ist das Anlagevermögen in der Schweiz etwas zurückgekommen. Wir sind jedoch noch immer einer der grössten ausländischen Vermögensverwalter für Banken und Pensionskassen in der Schweiz.
Was das Team betrifft, hat eine Repositionierung stattgefunden. Der Fokus hat sich verändert. Wir waren früher in der Distribution traditionell aufgestellt. Wir haben Fonds verkauft; heute muss man dem Kunden Lösungen anbieten. Im heutigen Umfeld braucht es andere Persönlichkeiten, die sich gewohnt sind, den Kunden in einem holistischen Kontext zu betrachten, die Bedürfnisse zu kennen und mit dem Kunden zusammen echte Lösungen zu schaffen. Das Resultat davon können dann ein Fonds, ein Mandat oder sonst eine Struktur sein, die für den Kunden am besten geeignet ist.
Wir müssen heute kreativer sein. Als Berater müssen wir verschiedene Assetklassen miteinander kombinieren können, was ein starkes Know-how voraussetzt. Vielleicht ist es in diesem Kontext gut, ein neues Team am Start zu haben. Wir wollen lokal vertreten sein und global investieren («be local, invest global»). Wir haben nun ein Team mit verschiedenen Backgrounds und Skills. So können wir alle Kunden ideal bedienen, seien dies Banken, Vermögensverwalter, Family Offices oder institutionelle Kunden wie Pensionskassen oder Versicherer.
Was sind Ihre Erwartungen für 2016?
Noch näher beim Kunden sein und ihn besser zu verstehen. Gemeinsam versuchen, Lösungen zu finden. Das ist in diesem Niedrigzinsumfeld keine einfache Angelegenheit. Wir können zum Beispiel als einer der grössten Anbieter von Geldmarktanlagen den Kunden helfen, negative Zinsen zu minimieren. Das können ausländische Geldmarktanlagen sein, die wir gegen den Schweizer Franken absichern und so für institutionelle Kunden eine interessante Rendite erreichen. Weil das Wachstum in den Schwellenländern immer noch höher ist als in der entwickelten Welt, werden auch die Emerging Markets wieder auf grösseres Interesse stossen. Die Region wird nun differenzierter betrachtet. Unser Ansatz mit konzentrierten Portfolios wird sich dabei besser entwickeln, weil sich die Spreu vom Weizen trennen wird. In diesem Umfeld ist ein aktiver Manager von Vorteil, der über grosse Erfahrung verfügt und die Unternehmen gut kennt.
Wie haben sich Ihre Produkte in diesem Umfeld entwickelt?
Wir sind ein aktiver und fundamentaler Investor. Bei der Performance haben wir in letzter Zeit Licht und Schatten gesehen. Die Entscheidungen der Investoren basieren mehr und mehr auf den Massnahmen der Zentralbanken. Daher sind die kurzfristigen Entwicklungen stark getrieben von den Themen Makro, Momentum und Sentiment. Wir werden aber an einen Punkt kommen, wo die fundamentale Bewertung wieder mehr Gewicht erhalten und sich dieser Ansatz langfristig durchsetzen wird.
Ist jetzt wieder Zeit, in die Schwellenländer zu investieren?
Nach fast drei Jahren muss sich jeder überlegen, ob nun nicht der Zeitpunkt für ein neues Engagement gekommen ist. Wir haben im letzten Sommer die grosse Korrektur gesehen, als es Schwierigkeiten in China gab. Danach sind die Investoren langsam wieder zurückgekehrt. So haben z.B. die beiden CIOs von Credit Suisse und UBS ihre Gewichtung für Emerging Markets von Untergewichten auf Neutral angepasst. Auch bei institutionellen Kunden sehen wir wieder stärkere Engagements. Auch von den Bewertungen her sind die Emerging-Markets-Aktien attraktiv, obwohl man dieser Kennzahl im Umfeld von Quantiative Easing nicht zu viel Gewicht beimessen sollte.
Gehören Immobilienanlagen auch zu Ihrem Angebot?
Ja, auch im Bereich Property sind wir durch Übernahmen stark gewachsen. Wir verwalten in Europa ein Immobilienvermögen von 27 bis 28 Mrd. Schweizer Franken. Da stossen wir in der Schweiz auf grosses Interesse, weil Pensionskassen im Umfeld von negativen Zinsen bereit sind, in Immobilien im Ausland zu investieren. Bisher sind Schweizer Pensionskassen zu 15 bis 18 Prozent in Immobilien investiert - davon zu 95 Prozent in der Schweiz. Weil die Renditen sich lange gut entwickelt haben, gab es keinen Zwang zur Diversifikation. Jetzt aber ist der Immobilienmarkt Schweiz praktisch ausgetrocknet und die Renditen sind stark gesunken. Innerhalb von Europa sind wir schwergewichtig im Bereich Residential unterwegs. Als Entwickler sind wir einer der grössten Investoren in Deutschland. Das ist speziell für Schweizer Pensionskassen interessant, die ihr Geld bisher stark in Schweizer Wohnliegenschaften angelegt haben. Als nächsten Schritt ziehen sie Wohnliegenschaften in Deutschland in Betracht. Da sind wir mit verschiedenen Produkten präsent, die auf eine gute Nachfrage stossen. In diesem Bereich bieten wir auch Multi-Manager-Produkte an - eine Art Fund-of-Funds.
Aberdeen ist ein sehr aktiver Investor. Wie begegnen Sie dem Trend zu immer mehr passiven Anlagen?
Passive Anlagen haben durchaus ihre Berechtigung, wenn sie effiziente Märkte wie USA, Europa oder den deutschen Markt abdecken. Oder die Core-Fixed-Income-Assetklassen, die sehr aufwändig wären, fundamental abzudecken. Der Konkurrenzkampf ist dort am grössten, wo es Sinn macht, diese passiv abzudecken. Aber in Bereichen wie Immobilien, Emerging Markets oder Solutions, die verschiedene Assetklassen kombinieren, ist der aktive Ansatz nach wie vor zu bevorzugen. Eine Kombination von aktiv und passiv macht daher Sinn.
Edmund Wandeler ist Head of Business Development und Board Member der Aberdeen Asset Managers Switzerland AG. Er führt ein Team von Sales Managern und verantwortet die komplette Distributionsstrategie der Schweiz. Er ist bei Aberdeen seit Juli 2013 tätig, davor war als Senior Sales Manager fünf Jahre bei DWS Schweiz GmbH (Deutsche Bank Group) verantwortlich für die Deutschschweiz und Liechtenstein. Er verfügt über 16 Jahre Erfahrung u.a. als Trader, Institutional Equity & Derivative Sales, Fund Manager, Senior Sales und Relationship Manager für die Deutschschweiz und Liechtenstein. Edmund Wandeler studierte an der Illinois Institute of Technology (ITT) in Chicago und schloss mit einem MBA Master of Business Administration und mit einem MSc Master of Science mit Schwerpunkt Financial Markets and Trading ab.