Lieber ETF-Anleger: Darf es ein bisschen günstiger sein - oder doch lieber etwas mehr Performance?

Head of Business Development ETF & Index Solutions - Deutschland, Österreich, Deutschschweiz
BNP Paribas Asset Management, München
easy.bnpparibas.ch
28.09.2018
Herr Hecher, sind immer stärker sinkende Kosten für ETFs das zentrale Thema in der Industrie?
Sehr wohl, der Trend zu immer günstigeren laufenden Gebühren bei ETFs auf Standardindizes ist schon seit einigen Jahren, nicht nur in den USA, sondern auch hier in Europa, zu beobachten. Auch BNP Paribas Easy ETF hat Ende letzten Jahres an der Gebührenschraube einiger ETFs gedreht. Allerdings sollten die Anleger nicht nur auf die ausgewiesene Total Expense Ratio (TER) achten, sondern ETFs auf identische Indizes anhand ihrer Tracking Differenz vergleichen. Darunter versteht man den Unterschied zwischen der Wertentwicklung von ETF und dem abgebildeten Index. Dass der ETF mit der niedrigsten Gebühr noch lange nicht die beste Performance nach Kosten abliefert, ist ein häufiges Missverständnis. Beispielsweise gelingt es unserem Portfolio Management, seit einem Zeitraum von mindestens drei Jahren, selbst bei einem so bekannten Index wie dem S&P 500, für US-amerikanische Aktien die beste Performance unter allen ETFs darzustellen. Aus diesem Grund hat dieser ETF gerade die 3-Milliarden-Euro-Marke beim verwalteten Vermögen geknackt.
Was sind die wichtigsten Stärken der BNP Paribas Easy ETFs?
In unserer Pariser Zentrale haben wir ein sehr erfahrenes Team von elf Portfolio Managern, die im Durchschnitt über mehr als 15 Jahre Berufserfahrung im Portfolio Management von Indexfonds aufweisen. Dabei wählen sie in Abhängigkeit vom abzubildenden Index die optimale Replikationsmethode aus. Beispielsweise kann bei Indizes mit hoher Mitgliederanzahl durch eine synthetische Abbildung das Tracking-Error-Risiko weitgehend ausgeschlossen werden. Die Wahrnehmung, dass synthetische Indexabbildung ein höheres Risiko bedeutet, ist ein weit verbreiteter Irrtum, da sich dieses Risiko durch die vorgeschriebene Hinterlegung mit Sicherheiten kontrollieren lässt. Schliesslich stellen Wertpapierleihegeschäfte ein ähnliches Risiko dar. Wir gehören zu den wenigen ETF-Anbietern, die beim Management von Indexportfolios gegenwärtig vollständig auf Wertpapierleihegeschäfte verzichten.
Faktor-ETFs stellen einen wesentlichen Teil der Produktpalette dar. Wie unterscheiden sich diese von anderen Angeboten?
Das Smart-Beta-Angebot von BNP Paribas Easy konzentriert sich auf ETFs, die die Anlagefaktoren «Low Volatility» (risikokarme Aktien), «Value» (günstig bewertete Aktien), «Momentum» (Aktien, die einen starken Trend aufweisen) sowie «Quality» (Aktien von Unternehmen, die sich typischerweise durch Wettbewerbsvorteile und eine hohe Profitabilität auszeichnen) aufweisen. Bei allen Faktoren wird im Indexkonzept angestrebt, Kriterien für die Auswahl von Aktien eines Faktors zu identifizieren, die Überschneidungen weitgehend vermeiden und den Faktor möglichst präzise abbilden. Alle Indizes werden monatlich - und somit häufiger als in anderen Konzepten - einem Rebalancing unterzogen. Entscheidender Unterschied zu anderen marktüblichen Konzepten ist die Berücksichtigung der Sektorausgewogenheit, um Verzerrungen gegenüber dem Stoxx Europe 600 Index als Investmentuniversum zu vermeiden. Es wird angestrebt, die Schwankung des Alphas bei Werten unter 4 Prozent zu kontrollieren. Die Ergebnisse überzeugen: Alle europäischen Faktorindizes weisen in einem langjährigen Zeitablauf eine höhere Wertentwicklung gegenüber dem mit Marktkapitalisierung und Free Float gewichteten Index als Investmentuniversum auf.
Sind Faktor-ETFs ein vorübergehender Modetrend oder haben sie das Zeug zum Klassiker?
Faktor-Investing steht für Renditequellen, die von der Kapitalmarktforschung empirisch nachgewiesen worden sind. Die Mode hält sich im Falle von «Low Volatility» seit Anfang der Siebzigerjahre und damit schon ziemlich lange. Die von Haugen erforschte Anomalie war mit der Aussage, dass risikoärmere Aktien langfristig besser performen, zu diesem Zeitpunkt vermutlich ähnlich revolutionär wie die Musik der Rolling Stones. Die anderen Faktoren wurden erst später in wissenschaftlichen Studien behandelt.
Wie soll der Anleger solche Konzepte idealerweise in seinem Portfolio berücksichtigen?
Bei einer Aufnahme in eine Gesamtstrategie wäre die Berücksichtigung aller Faktoren zu empfehlen, da die Performance für einen Zeitraum sehr unterschiedlich sein kann. Risikoarme und Qualitätsaktien stellen beispielsweise defensive Faktoren dar, während «Value» und «Momentum» ihre relative Stärke eher im Bullenmarkt aufzeigen. Erfolgreiches Faktor-Timing würde hellseherische Fähigkeiten erfordern und ist daher praktisch nicht umsetzbar. Gerade institutionelle Investoren haben den Mehrwert von Faktorstrategien erkannt und dazu beigetragen, das Thema Faktor-Investing aus der Nische zu holen. Weltweit lässt sich ein starker Anstieg der Mittelzuflüsse in Faktor-ETFs beobachten. Zusätzlich reift das Verständnis, dass durch die langfristige simultane Investition in mehrere Faktoren der grösste Nutzen in Form von Rendite für das Portfolio darstellbar ist.
Nicht zu vergessen: Auch ein ETF ist ein Investment in den Kapitalmarkt und daher mit allen Risiken einer Anlage in Wertpapiere verbunden.
Claus Hecher leitet seit Juli 2016 das ETF-Geschäft von BNP Paribas Asset Management im deutschsprachigen Raum. Nach mehreren Jahren im Derivategeschäft ist er seit 2008 in der ETF-Branche tätig.