Liechtenstein ist das Fondsdomizil für Private-Label-Fonds mit vielen erfolgreichen Boutiquenfonds

14.05.2021
Herr Gamper, wenn man an einen Fondsplatz denkt, kommt einem unweigerlich zuerst Luxemburg in den Sinn. Führen in diesem Geschäft wirklich fast alle Wege ins Grossherzogtum?
Luxemburg hat in Europa einen Marktanteil von ca. 26 Prozent, also führen nur ein Viertel der Wege ins Grossherzogtum. Aber Spass beiseite, natürlich ist das Land führend im Cross-Border-Geschäft. Seit Einführung der UCITS-Richtlinie in den 1980er Jahren hat Luxemburg die Fondsindustrie gepusht und eine Marke geschaffen. Alle grossen Player haben dort ihre Strukturen aufgebaut und das notwendige Ökosystem für Fonds ist vorhanden. Das sind sehr gute Voraussetzungen für die grossen Asset Manager, vor allem im Bereich der UCITS-Fonds. Im AIF-Sektor sehe ich Luxemburg nicht ganz so stark.
Dann hört man auch in der Branche, dass der Fondsstandort Irland stark wächst, besonders in jüngster Zeit. Verfolgen Sie auch diese Entwicklung?
Irland ist in den letzten Jahren enorm gewachsen. Der Brexit hat da sicher einiges dazu beigetragen. Betrachtet man die Net Sales, so waren diese laut der European Fund and Asset Management Association (EFAMA) 2019 in Irland mehr als doppelt so hoch und 2020 immer noch 50 Prozent höher als in Luxemburg. Irland legt bei den Marktanteilen stetig zu und Luxemburg ist leicht abnehmend. Auch bei der Anzahl Fonds hat Irland in den letzten fünf Jahren deutlich höhere Zuwächse verzeichnet. Es hat bezüglich Net Assets zwar noch einen Respektabstand, dieser scheint aber zu schmelzen. Ich bin gespannt, ob sich dieser Trend in den nächsten Jahren fortsetzen wird.
Unter diesen Playern von Weltbedeutung hat sich Liechtenstein offensichtlich erfolgreich positioniert. Können Sie ein paar Worte dazu sagen?
Liechtenstein ist wie Luxemburg und Irland ein Cross-Border-Standort und fungiert als Hub für den europäischen Markt. Allerdings dominieren in Liechtenstein nicht die grossen Asset Manager, sondern es ist das Fondsdomizil für Private-Label-Fonds mit vielen erfolgreichen Boutiquenfonds. Zusätzlich hat die Vermögensstrukturierung mittels Fonds für Privatpersonen, Family Offices und Stiftungen in den letzten Jahren stetig zugenommen. Es ist schon erstaunlich, dass laut EFAMA Liechtenstein in den letzten fünf Jahren nicht nur prozentuell, sondern auch in absoluten Zahlen bei der Fondsanzahl einen stärkeren Zuwachs hatte als Luxemburg, Grossbritannien und die meisten anderen europäischen Staaten. Lediglich Irland und Deutschland legten stärker zu. Betrachtet man nur die AIF, bleibt sogar nur Irland übrig.
Gerade bei AIF bietet Liechtenstein sehr viele Vorteile, denn der europäische Gesetzgeber hat bei der AIFM-Richtlinie einigen Spielraum für die nationale Umsetzung gelassen und diesen hat das Fürstentum im positiven Sinn genutzt. Aus meiner Sicht ist Liechtenstein bei der Fondsstrukturierung und bei den Möglichkeiten in der Portfolioverwaltung deutlich flexibler als viele andere Fondsdomizile.
Einen weiteren wichtigen Pluspunkt des Fondsplatzes Liechtenstein bilden die zügigen Prozesse. Dies gilt sowohl für die Fondsgesellschaften als auch für die Finanzmarktaufsicht (FMA). Betrachten wir nur die Fondszulassung: Andere Standorte sprechen bei Zulassungsverfahren von Monaten und wir von wenigen Tagen. Aber nicht nur bei der Zulassung, sondern ganz allgemein ist die FMA Liechtenstein bekannt für ihre kurzen Reaktionszeiten bei Fragen und Anträgen. Sie ist zugänglich und offen für Gespräche. So können Themen oft einfach und ohne grossen Aufwand geklärt werden.
Persönlich, flexibel und natürlich der offene Zugang zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sind also die grossen Trümpfe…
Nicht zu vergessen sind die bereits erwähnten zügigen Prozesse. Die kurzen Wege zu und zwischen den Behörden werden sehr geschätzt. Dass Liechtenstein keine Steuern auf Fonds erhebt, weder Quellensteuern auf Ausschüttungen, noch eine Taxe d’abonnement oder eine Mehrwertsteuer, ist ebenso erwähnenswert.
Aber wie Sie gesagt haben, ist der wichtigste Aspekt der Zugang zum EWR. Liechtensteinische Fonds werden bereits in 24 Ländern Europas vertrieben. Von zentraler Bedeutung ist für Liechtenstein auch die Zoll- und Währungsunion mit der Schweiz. Die Fondsbranche profitiert davon unter anderem durch besondere Vorteile beim Zugang zum wichtigsten Private-Banking-Markt in Europa.
Link zum Disclaimer
Mag. David Gamper ist seit 2014 Geschäftsführer des LAFV Liechtensteinischer Anlagefondsverband. Seit 2020 ist er Mitglied des Stiftungsrates der Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungs-Stiftung SV Liechtenstein. Er hat sich schon während seines Studiums der Betriebswirtschaftslehre auf die Bereiche Finanz- und Bankbetriebslehre spezialisiert. Vor seiner Tätigkeit beim LAFV arbeitete als Vermögensberater und -verwalter und später in Führungspositionen in Finanzdienstleistungsunternehmen in Italien, Österreich und Liechtenstein.