«Liquidität ist die Schlüsselfrage»

13.11.2014
Herr Hull, Liquidität ist derzeit eines der am kontroversesten diskutierten Themen. Wann wird die Liquiditätssituation zur Normalität zurückkehren?
Was ist normal? Die Situation war schon von 2005 bis 2007, unmittelbar vor der Finanzkrise, abnormal. Rückblickend war die enorme Liquidität eine Anomalie, und es war tatsächlich diese übermässige Liquidität, die teilweise zum Entstehen der Krise beitrug. Liquidität ist im aktuellen Umfeld ein schwieriges Thema, aber Fondsmanager müssen sich diesem stellen. Es ist einer der Gründe, weshalb Anleger sich an einen Vermögensverwalter wenden und Fondsmanager ein Hauptaugenmerk auf die Liquidität legen sollten.
Fondsvolumen und Handelsbestände entwickeln sich sehr jedoch divergierend.
Ja, globale Fonds, die seit 2009 ihr Volumen verdreifacht haben, sind keine Seltenheit. Gleichzeitig sind die Handelsbestände der «Liquiditätsversorger» oder Market Maker auf etwa 15 Prozent des Niveaus von 2006 geschrumpft. Dies verdeutlicht an sich zwar das Problem einer mageren Liquidität, zeigt aber nicht das Gesamtbild. Es ist auffallend, wie die grösseren Fondsmanager wie PIMCO und BlackRock im Zentrum der Liquiditätsdebatte stehen. Bill Gross’ Weggang von PIMCO hat die Anleger beunruhigt. BlackRock ist daran gelegen, neue Liquiditätsquellen zu erschliessen und verkündet öffentlich, dass die derzeitigen Marktmethoden nichts mehr taugen.
Was müssen Anleger demnach beachten?
Es überrascht vermutlich wenig, dass es die Fixed-Income-Riesen in der Verwaltung von globalen Fonds sind, die das Liquiditätsproblem hervorheben. Sie haben zwar Recht, nach mehr Tiefe und Transparenz an den Märkten zu streben. Unserer Ansicht nach gibt es jedoch drei Schlüsselfragen, die Anleger stellen sollten, wenn sie Fonds und Manager für Fixed-Income-Portfolios aussuchen. Erstens müssen sie sich fragen: Hat der Fonds die richtige Grösse für die ihm zugrunde liegenden Märkte? Es ist zweifelsohne nichts dagegen einzuwenden, einen globalen Anlagefonds für Staatsanleihen mit einem Volumen von 250 Mrd. US-Dollar zu verwalten, wenn der zugrunde liegende Markt x Billionen schwer ist. Weniger angemessen scheint es hingegen, einen 250 Mrd. US-Dollar schweren Hochzins-Fonds zu verwalten, wenn das Volumen des investierbaren Universums 2 Bio. US-Dollar beträgt und sich die Liquidität sehr stark von den äusserst liquiden Benchmarks der Staatsanleihen unterscheidet. Deshalb sehen wir je nach Strategie bei manchen unserer Fonds in Bezug auf die Grösse eine Obergrenze. Laut den Managern unseres Kames High Yield Bond Fund liegt die Ober¬grenze im Hochzins¬bereich bei etwa 10 Mrd. US-Dollar, damit die Strategie noch effektiv umgesetzt werden kann. Dabei berücksichtigen wir sowohl Marktbegebenheiten als auch interne Abläufe.
Ausserdem sollte es pro Fonds eine Limite geben; Phil Milburn hat öffentlich bereits kundgetan, dass das Flaggschiff von Kames, der Kames High Yield Bond Fund, nicht wesentlich über ein Volumen von 2 Mrd. Pfund wachsen solle. Insbesondere auf der Retail-Seite müssten die Anleger Vermögens¬verwaltern die Fragen nach der Fondsgrösse und der Liquidität beharrlich stellen. Anleger könnten einzelne Verwalter, deren Fonds zu gross für ihre Strategien sein könnten, einfach identifizieren. Verwalter sollten zudem mehr Ehrlichkeit an den Tag legen, was die realistische Handlungsfähigkeit ihrer Fonds betrifft.
Welches ist die zweite Schlüsselfrage?
Es ist nach der Verkaufs- und Kaufstrategie zu fragen. Kames folgt dem Grundsatz «Kaufe keine Anleihe, ohne deine Ausstiegsstrategie zu kennen». Es gehört zum Anlageprozess zu verstehen, wie man sich im Markt am besten engagiert. Deshalb sprechen alle Portfoliomanager von Kames aktiv mit den Market Makern. Dies ermöglicht ein praktisches Verständnis davon, in was wir investieren und ein topaktuelles Verständnis davon, welche Anleihen liquide sind und welche nicht. Der Bottom-up-Ansatz wird dadurch keineswegs geschmälert. Es ist vielmehr ein zusätzlicher und praktischer Weg, um das Geld unserer Kunden zu investieren. In unserem Anlageprozess führen wir vor dem Abschluss einer Investition ein technisches Scoring-Rating durch, in dem die Liquidität eine grosse Rolle spielt. Dank diesem Scoring-System sind wir weniger von einem illiquiden Markt betroffen, da eine solche Situation bereits vor der Tätigung der Investition einberechnet wird.
Und das dritte Thema?
Drittens ist zu untersuchen, ob der erwünschte Verkaufskurs für die Anleihe realistisch ist. Liquidität ist kursabhängig. Wenn Kurse unrealistisch sind, so ist es auch die Liquidität. Es besteht kein Zweifel, dass die gegenwärtige Nervosität in Bezug auf die Liquidität teilweise von den Kursen abhängt; der starke Anstieg im Fixed-Income-Bereich macht die grösseren Vermögensverwalter nervös. Sie sorgen sich darum, wer ihre Anleihen kaufen wird, wer der neue Nettokäufer sein wird. Tiefere Kurse sind ein Heilmittel für liquide Mittel, die auf einen festen Platz warten. Im Sommer hat der Abwärtstrend bei den Kursen im Hochzinsbereich die Käuferschaft dazu veranlasst, wieder in den US-Hochzinsmarkt einzusteigen, nachdem der Index auf 6,5 Prozent geklettert war. Die Nervosität bezüglich der Liquidität ist bei Unternehmensanleihen unweigerlich grösser als bei ultratiefverzinslichen Staatsanleihen. Eine Ursache für die illiquide Marktsituation liegt aber auch in der tiefen Volatilität und den trägen Kursnotierungen. Zahlreiche Investment-Grade-Anleihen weisen für die vergangenen 12 Monate einen unveränderten Spread auf. Dies macht es für Händler herausfordernd und nicht sehr lukrativ, für diese Papiere einen Kurs zu stellen. Ergo kümmern sie sich nicht darum. Deshalb ist es wichtig, fokussierte Portfolios zu verwalten, die flexible Kurse aufweisen, und sich bei allen Liquiditätsquellen zu engagieren. Ferner ist es besser, die bittere Preispille früher denn später zu schlucken. Einer der schlimmsten Fehler, die Fondsmanager machen können, ist es, eher das zu verkaufen, was möglich ist, als das, was sie eigentlich möchten. Dies führt unweigerlich dazu, dass eine unerwünschte Position einen zunehmend grösseren Anteil des Fondsvermögens darstellt.
Zahlt sich diese Einstellung aus?
Heute muss man sich vielleicht mit einem tieferen Verkaufskurs als erhofft abfinden. Damit wird aber auch das Risiko eines noch viel dramatischeren Kurszerfalls zu einem späteren Zeitpunkt reduziert. Dies ist keine Strategie, die «Positionen-sammelnde» Fonds anwenden können, da sie der Marktliquidität unterworfen sind und «Markt-Beta» akzeptieren müssen. Ein realistisches und proaktives Verständnis der Marktbedingungen an sich schafft Liquidität.
Wie schätzen Sie die Entwicklung der Illiquidität langfristig ein?
Illiquidität wird für die Märkte zukünftig eine Zeit lang problematisch sein, doch die drei erwähnten und miteinander verknüpften Ideen können für die Liquidität eines Fixed-Income-Fonds klar förderlich sein. Wir sehen keine unmittelbar bevorstehende Veränderung bei der Liquidität des Fixed-Income-Marktes, unterstützen aber gerne Bemühungen, die dem Markt zusätzliche Transparenz und zusätzliches Verständnis bringen. Zum Beispiel wird darüber gesprochen, das US-amerikanische Bondkurs-Informationssystem TRACE an die europäischen Rentenmärkte zu bringen. Wir würden dies begrüssen. Unsere Fonds können jedoch an allen globalen Märkten investieren, weshalb es Teil unseres Investmentprozesses ist, die Liquidität eines jeden Marktes zu verstehen. Wir werden unsere Ärmel weiterhin hochkrempeln und so gut wie möglich investieren.
Adrian Hull ist Produktspezialist bei Kames. Er verfügt über 20 Jahre Erfahrung an den Fixed-Income-Märkten. In den letzten Jahren war er als Leiter Sterling Sales and Trading bei Mizuho International tätig, wo er ein Trading- und Sales-Team für Sterling-Unternehmensanleihen aufbaute. Vor Mizuho war Adrian Hull ebenfalls als Leiter Sterling Sales and Trading bei Nomura International tätig. Davor war er Leiter UK Sales bei der ABN Amro Bank.