«Man muss jetzt erst recht Stock Picking betreiben»

Portfoliomanager der Classic Funds
Braun, von Wyss & Müller Value Investing, FL-Triesen/Wilen
bwm.ch
25.09.2014
Herr Braun, das Jahr neigt sich dem Ende zu. Lief es gut, gibt es noch einen Schlussspurt?
Nach zwei Jahren mit einer Outperformance von jeweils 20 Prozentpunkten und mehr haben wir im laufenden Jahr eine Verschnaufpause eingelegt. Aber was zählt, ist der langfristige Leistungsausweis. Seit unserem Start Ende 1997 hat der Classic Global Equity Fund eine durchschnittliche Rendite von +10,3 Prozent pro Jahr erzielt - gegenüber +2,9 Prozent für den MSCI World Index (in CHF inkl. Nettodividende). Ob es noch einen Schlussspurt geben wird, weiss ich nicht.
Was waren für Sie an den Märkten die drei grössten Überraschungen?
Im laufenden Jahr waren wir mit keinen grösseren Überraschungen konfrontiert. Wir stützen unsere Arbeit nicht auf Makroprognosen, sondern konzentrieren uns darauf, fundamental unterbewertete Unternehmen von guter Qualität zu kaufen. Wie wir mit dem Risiko von negativen Überraschungen umgehen, haben wir jüngst auf unserer Website in drei Blogeinträgen dargelegt.
Sie sind mit der Arbeit der Zentralbanken zufrieden?
In der Finanzkrise war es sinnvoll, unbeschränkt Liquidität zur Verfügung zu stellen, um einen Systemkollaps zu verhindern. Ob das die heutigen Probleme lösen wird oder in ein paar Jahren eher noch grössere schafft, bleibt offen. Kurzfristig würde es wohl mehr bringen, wenn vor allem die Europäer ihre Strukturprobleme endlich ernsthaft anpacken würden.
Entdecken Sie noch wirklich günstig bewertete Industrieländer-Indizes oder muss man ein aktiver Stock Picker sein?
Da die Märkte insgesamt fair bewertet sind, muss man erst recht aktives Stock Picking betreiben, um mittel- und langfristig eine zufriedenstellende Rendite zu erwirtschaften. Nach sechs neuen Titeln im ersten Halbjahr haben wir im laufenden Quartal erneut zwei gefunden.
Mit welchen Modellen picken Sie und Ihr Team die aussichtsreichsten Aktien oder ist dies Geschäftsgeheimnis?
Wir berechnen den inneren Wert einer Aktie, indem wir die durchschnittlichen Gewinne und Cashflows über den Zyklus bestimmen und diese mit den entsprechenden durchschnittlichen Bewertungskennziffern wie dem Kurs/Gewinn-Verhältnis multiplizieren. Diesen Wert überprüfen wir mit dem DCF-Modell (Discounted Cash Flows). Wichtig ist, dass die Annahmen realistisch sind.
Trotz aller Sorgfalt können wir Fehler in der Analyse machen oder negative Überraschungen führen zu einem tieferen inneren Wert als ursprünglich angenommen. Deshalb kaufen wir nur mit einem massiven Abschlag zum inneren Wert. Diese «margin of safety» schützt gegen nachhaltige Verluste und erhöht das Renditepotenzial.
Sie bieten zwei bekannte Fonds an. Können Sie deren Unterschiede aufzeigen?
Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass der im Oktober 2004 lancierte Classic Value Equity Fund nur in Unternehmen investieren darf, die beim ersten Kauf eine Börsenkapitalisierung von mindestens 2 Mrd. Schweizer Franken haben. Er ist auch ein UCITS-Fonds.
Kann man sie über das Sponsored-Funds-Segment der SIX Swiss Exchange handeln und wenn ja, wie funktioniert das?
Ja, damit haben unsere Kunden und Interessenten die Möglichkeit, neben der traditionellen wöchentlichen Zeichnung und Rückgabe aus Emission unsere Fonds via SIX jederzeit zu kaufen oder zu verkaufen. Sie müssen ihrer Bank einfach einen entsprechenden Auftrag erteilen. Die Liquidität ist recht gut. Mehr dazu auf unserer Website.
Thomas Braun ist Teilhaber und zusammen mit Georg von Wyss für das Portfoliomanagement und die Finanzanalyse verantwortlich.