«Man sollte nicht vergessen, von Zeit zu Zeit seine Ritterrüstung in den Kleiderschrank zu stellen»

19.01.2021
Herr Haas, Sie haben bei zwei grossen Finanzadressen in Zürich gearbeitet und dann «Urban Gurus» ins Leben gerufen. Wie kamen Sie auf diese Idee?
Die Idee ist mit meiner Geschäftspartnerin Christina Kuenzle entstanden. Wir beide wohnen in Pontresina und hatten den Eindruck, dass das Engadin als Kraftort die ideale Kulisse bieten würde, um eine Plattform zu schaffen, bei der sich Executives während dreier Tage ausschliesslich mit sich, das heisst ihrer Vision, ihrem Purpose und ihrer angestrebten Legacy auseinandersetzen können. Im Alltag agieren wir alle stark nach aussen und als Executives umso mehr. Introspektion im Engadin, dies im Austausch mit Gleichgesinnten in einem vertrauten Setting, scheint wahrlich eine Kraftformel zu sein. Zum anderen wollten wir ein Netzwerk aufbauen, welches sich von den bereits klassisch etablierten abhebt. Businesstalk im Business-Outfit in exklusiven Venues gibt es bereits genügend. Wir wollten mit unserem Netzwerk «The Executive Circle for Conscious Leadership» eine Plattform zur Verfügung stellen, bei welcher sich die Teilnehmenden rein als Person kennenlernen. Dies heisst, keine Teilnehmerlisten, keine Corporate Ranks und keine Agenda. Viele unserer Teilnehmenden geben uns das Feedback, dass genau dies extrem befreiend ist. Die Ritterrüstung wieder einmal ganz ablegen zu können. Ritterrüstungen schützen, haben aber auch ein beachtliches Gewicht und im Business auch nötig. Man sollte aber nicht vergessen, diese von Zeit zu Zeit auch in den Schrank stellen zu können.
Hand aufs Herz: Gibt es dieses Format exakt so schon irgendwo oder ist es tatsächlich ein Primeur?
Natürlich gibt es bereits andere Formate, was auch ganz toll ist. Wir widmen uns dem Thema «Conscious Leadership». Nachhaltig führen, dies heisst in meiner Rolle als Executive so zu agieren, dass durch meine Entscheide der grösste Mehrwert für das grosse Ganze und das kontributive Ziel erwirtschaftet wird. Wir sehen uns als Ambassadors für jene Leaders, welche diese Denkhaltung bereits vertreten und leben und aber auch, um an diesem Change weiter zu arbeiten und zu sensibilisieren. Je mehr Formate und Personen sich damit auseinandersetzen, umso besser! Wir hatten auch bereits andere Anbieter zu unseren Retreats als Keynote Speaker eingeladen. Meine Geschäftspartnerin und ich sind sowieso vom Konkurrenzdenken weg. Das ist alte Welt und macht krank. Kunden finden den für sich besten Provider, und das ist wichtig. Wenn ich meine Vision verfolge, meinen Purpose lebe, dann stellt sich der Erfolg von selbst ein.
Man hört viel Positives über Ihren jährlichen Event im Engadin. Wie läuft dieser genau ab und wer ist dabei?
Ein Feedback, welches wir immer wieder bekommen, ist, dass das Retreat emotional anspruchsvoll ist, aber gleichzeitig unsere Teilnehmenden in so kurzer Zeit noch nie so viel Vertrauen zu anderen Personen, welche man nicht kennt, aufbauen. Ein grosser Treiber davon ist, dass bei jedem Retreat (max. zwölf Teilnehmende) ich als einzelne Person Inputs von elf anderen Teilnehmenden erhalte. Sich mit seiner eigenen Vision, seinem Purpose oder seiner Legacy ganz ehrlich auseinanderzusetzen, kann viel Mut erfordern und zwingt mich vielleicht auch dazu, «Türchen» zu öffnen, welche ich bewusst oder unbewusst nicht öffne. Hier trägt einem dann aber die Gruppe und basierend auf diesem Fundament entstehen ganz ehrliche, tiefgehende Freundschaften. Die Teilnehmer sind aus verschiedensten Branchen. Auf unsere Homepage finden Sie einige Testimonials von Leadern, welche sich bereit erklärt haben, eine Referenz zu geben, u.a. Dr. Karen Hübscher, CEO von Solvias, Verwaltungsrats-Mitglied, Tecan oder Wolfgang Wandhoven, CFO der Sanitas Krankenversicherung.
Ist Ihr Ziel Exklusivität oder wollen Sie das Geschäft skalieren und damit mehr Geld verdienen?
Mit unseren Retreats decken wir nur die Selbstkosten, Geld verdienen wir keines damit. Gerne möchten wir aber «Urban Gurus Hubs» und «Chapters» international aufbauen. Geld verdienen wir mit dedizierten «Company Programs».
Schauen wir etwas weiter in die Ferne: was ist Ihre Vision?
Entscheidungsträger in relevanten Funktionen zu sehen, die davon überzeugt sind, dass eine Lebens- und Arbeitsethik, die darauf beruht, für alle Beteiligten Mehrwert zu generieren und ein hohes Mass an Inklusion und Bewusstsein zu leben zu mehr Glück und viel besseren Ergebnissen und mehr Erfolg führt. Unsere Vision ist es, dass wir uns mit Unternehmen und Führungskräften auf diese Themen konzentrieren, um so ein höheres Mass an Selbstbewusstsein, Verantwortung, Fairness und überzeugenderem Purpose zu schaffen.
Link zum Disclaimer
Christian Haas verfügt über mehr als zehn Jahre praktische Erfahrung im Asset Management. Er hat einen Abschluss Fachhochschule Zürich (HWZ) und hat die Ausbildung zum Chartered Alternative Investment Analyst (CAIA) abgeschlossen. Aufgrund seines grossen Interesses für zwischenmenschliche Dynamiken im Unternehmensumfeld hat er einen Executive Master in Change an der INSEAD erworben.
Christina Kuenzle ist seit mehr als 22 Jahren im Executive und Business Coaching in der Schweiz und international tätig. Kernthemen ihrer Arbeit waren die Begleitung von Veränderungsprozessen und das Karrieremanagement. Sie war Konzernleitungsmitglied der Sulzer AG, dort verantwortlich für die Konzernentwicklung. Christina Kuenzle hält einen BA in Betriebswirtschaftslehre, hat einen MBA von INSEAD und einen M.S. in «Coaching and Consulting» der HEC in Paris.