«MiFID II wird den Markt wachrütteln und neue, erfolgreiche Geschäftsmodelle hervorbringen»

Geschäftsführer
Petersmann Institut für den unabhängigen Finanzberater GmbH, Bensheim
petersmann-institut.de
09.03.2017
Herr Petersmann, Sie haben in den vergangenen Jahren mit Ihrer Studie über die Transaktionskosten in Fonds manchmal für unangenehme Transparenz gesorgt. Warum meinen Sie jetzt noch, dass Ihre Studie zur MiFID II Pflichtlektüre wird?
Transparenz, insbesondere die Kostentransparenz, wird in der Fondsindustrie eher kritisch beäugt. Der Grund liegt wohl in der Angst vor Margendruck. Unangenehm ist Transparenz ja nur für denjenigen, der vermeintlich etwas zu verbergen hat. Die MiFID II blickt uns heute schon über die Schulter und verlangt beispielsweise absolute Kostentransparenz. Dazu gehören auch die Transaktionskosten eines Fonds. Wer sich also heute schon einen Eindruck verschaffen möchte, was ihn morgen erwartet, sollte ruhig mal einen Blick in unsere Studie werfen. Wir stellen extra zu diesem Zweck eine kostenlose Kompaktversion zur Verfügung.
Warum begreift die Branche die MiFID II als Bedrohung und erstarrt vor ihr in Ehrfurcht?
Ganz einfach. Weil sie ein ziemlich furchteinflössendes Paket neuer Vorschriften und Regularien mit sich bringt. Und nur wer hellwach ist, kann dieses Paket aufschnüren und für sich nutzen.
Geht das auch genauer?
Schauen Sie sich Grossbritannien an. Die Finanzindustrie dort wurde hart stranguliert. IFAs sind massenhaft vom Markt verschwunden. Transparenz sorgte für sinkende Preise. Technik sorgte für effizientere Strukturen. Best Advice und Kostentransparenz wurden in den Vordergrund gestellt. Verkrustete Wertschöpfungsketten brachen auf und es entstanden neue, erfolgreiche Geschäftsmodelle. Zum Wohle des Anlegers. Das war vor fünf Jahren. Diesen Weg haben wir jetzt vor uns. Und der Motor heisst MiFID II.
Klingt sehr spannend. Aber ist das wirklich vergleichbar?
Wir haben es hier schliesslich mit dem grössten Finanzplatz Europas zu tun, der seine Schatten vorauswirft.
Gemäss der neuen Kostentransparenz muss eine Veranschaulichung der Gesamtkosten und deren Wirkung auf die Rendite erfolgen. Ex-ante und Ex-post. Sämtliche Kosten, auch die der eingesetzten Finanzinstrumente sind offenzulegen. Wer sich unabhängig nennt, darf von Dritten - ausser dem Anleger selbst - keine Provisionen mehr empfangen. Nur dem «Abhängigen» ist es noch gestattet - und dies nur unter der Voraussetzung schonungsloser Offenlegung und unter der Voraussetzung dauerhafter Qualitätsverbesserungen. Die neue Geeignetheitserklärung ist die Grundlage und Voraussetzung für jedes Geschäft mit dem Anleger. Dies ist eine wesentliche Erweiterung gegenüber dem Geeignetheitstest. Neue Themen wie Produktüberwachungsverpflichtung und Zielmarktkontrolle ziehen sich vom 34f über KWG-Institut bis hin zum Produktgeber und wieder zurück durch die Branche.
Diese und weitere Details werden, wie in Grossbritannien, den Praxisalltag völlig neu definieren.
Dass die MiFID II wohl wachrütteln wird, haben wir jetzt verstanden oder können es erahnen. Doch wo sehen Sie abschliessend die neuen Geschäftsmodelle?
Zunächst wird es spannend sein zu beobachten, welche alten Geschäftsmodelle nicht mehr funktionieren. Neue Geschäftsmodelle werden einen neuen Fokus bekommen. Fonds und Finanzinstrumente werden wesentlich preissensitiver eingesetzt. Vorhandene Technik wird ganz anders und effizienter zusammengebunden und eingesetzt. Das Thema Digitalisierung wird uminterpretiert werden müssen. Die Beratung selbst und der Mehrwert des Beraters treten in den Vordergrund und werden honoriert, alles Andere tritt als Selbstverständlichkeit in den Hintergrund.
Aus dieser Mixtur in den unterschiedlichen Ausprägungen entsteht ein neuer Beratermarkt. Und dieser setzt Produkte ganz anders ein als heute.
Hartmut Petersmann ist Gründer und Geschäftsführer des gleichnamigen Instituts für den unabhängigen Finanzberater. Das Institut versteht sich als Think Tank für die unabhängige Finanzberatung und etabliert mit seinen angeschlossenen Mitgliedern hierfür ein Gütesiegel. Es ist ein einzigartiges Experten-Netzwerk. Vor 1995 absolvierte Petersmann eine klassische Aussendienstkarriere bei Versicherern und Investmentgesellschaften. Ab 1995 baute er zunächst als Geschäftsführer das Publikumsfonds- und Handelsplattformgeschäft im Privatbankhaus Metzler in Frankfurt auf. Von 2004 bis 2013 war er Partner bei B. Metzler seel. Sohn & Co. Holding AG.