«Millennials verändern das Investitionsverhalten»

08.06.2018
Herr Welti, wer sind die Millennials und wieso werden sie wichtiger?
Millennials wird die Generation genannt, die etwa zwischen 1990 bis 2000 geboren wurde. Sie sind heute zwischen 20 und 30 Jahre alt und werden in den kommenden Jahren oft die Familienvermögen erben können, welche von den Babyboomern erarbeitet wurden. Weil die Millennials parallel auch die so genannten Digital Natives sind, werden diese Gemeinsamkeiten für die Vermögensplanung und zukünftigen Familienstrukturen von Relevanz sein.
Was wir sich mit den Millennials ändern?
Für die Babyboomer war es wichtig, physische Güter wie Eigenheim, Ferienhaus oder Auto zu akkumulieren. Dagegen sind Millennials und Digital Natives eher interessiert, neue Erfahrungen zu sammeln, neue Orte zu bereisen, im Ausland zu arbeiten oder ganz einfach ihre Grenzen zu testen. Über ihre Erfahrungen und Erkenntnisse tauschen sie sich gerne Online und via Social Media aus. Ob dies gut oder schlecht sein mag, ist nicht die Frage, sondern was dies für die Finanzindustrie bedeutet. Ganz speziell betrifft das Kunden wie Entrepreneurs oder die Superreichen (Ultra High Net Worth Individuals, UHNWI). Die aktuelle Kundengeneration muss sich überlegen, wie die Familienvermögen vererbt werden, wie sie die Nachfolgeplanung innerhalb der Firma und der Familie organisieren wollen. Dies bedeutet eine grosse Umschichtung der Vermögen an die Millennials-Generation, welche komplett andere Massstäbe und Interessen hat als die heutige Finanzindustrie.
Was heisst das nun für die Banken?
Die Banken werden Kunden gegenüberstehen, welche einen hohen Grad an Informationen über das Internet zur Verfügung haben. Sie werden oft sogar besser informiert sein als die durchschnittlichen Bankberater. Diese werden immer weniger Zeit haben, um sich auf die Kundengespräche vorzubereiten und den spezifischen Kundenbedürfnissen zu widmen. Typischerweise werden bei den Grossbanken die Anzahl Kunden per Kundenberater weiter erhöht, da durch zunehmende Technologiesierung innerhalb der Bank Zeit gespart werden kann. Die zusätzliche Zeit sollte eigentlich für die intensivere Betreuung, Bedürfnisabklärung und Ausarbeitung von Lösungen investiert werden. Allerdings ist dies immer weniger der Fall: Während grössere Banken versuchen, die Effizienz zu steigern und dem Berater mehr Kunden zuzuteilen, versuchen die als Boutique aufgestellten Privatbanken den Kunden ganzheitlicher zu unterstützen.
Dementsprechend müssen die Banken für die Veränderungen bereit sein: Der Generationenwechsel hat begonnen, die Babyboomer verlangen mehr und sind dank dem Einfluss der Millennials besser informiert als vor zehn Jahren. Demnach wir der Anspruch an die Banken exponentiell steigen. Dabei muss sich jedes Finanzinstitut entscheiden, entweder Innovationen im Service-Modell oder im technologischen Bereich zu bringen. In beiden Fällen geht es um die sogenannte «User Experience» (Nutzererfahrung).
Was bedeutet das für die Kundenberater?
Die Bank muss den Millennials etwas bieten. Heute geht es nicht mehr darum, die Kunden zu verwalten. Der Kunde wählt die Inhalte und gestaltet die Beziehungen. Für Millennials ist es kein «Erlebnis» und auch kein Service, nur ein Konto zu haben, um die geerbten Millionen zu parkieren. Bei den Kundenbedürfnissen gibt es extrem unterschiedliche Trends: Einerseits gibt es Kundengruppen, welche gerne weniger Komplexität in der Depotstruktur haben wollen und aktiv und passiv verwaltete Fonds zur Vermögensabbildung schätzen. Auf der anderen Seite sind die Investoren müde geworden, mit einer standardisierten Vermögensverwaltung monotone Vorschläge von den Banken zu erhalten, welche wenig oder keine individuellen Wünsche berücksichtigt.
Das heisst, die Millennials werden die Banken zum Umdenken zwingen?
Genau, die Millennials beeinflussen die Zukunft der Banken. Die üblichen Bankkonti werden schnell und ohne Probleme übertragen werden können - online, per Knopfdruck. Somit müssen Banken etwas bieten, das die Millennials in ihrer Interaktion mit der Bank befriedigt und einen echten Mehrwert darstellt. Sie interessieren sich weniger für Marken und Produkte, als vielmehr für Lösungen ihrer Bedürfnisse und Probleme. Millennials informieren sich online über solche Leistungen und suchen Empfehlungen von Freunden und Experten.
Es braucht also eine ganz neue Art von Banker?
Absolut. Damit Millennials sich um ihre echten Leidenschaften ausserhalb der Finanzwelt konzentrieren können, muss der Banker zum «Banker Plus» werden. Das bedeutet, näher an die Kunden rücken und die Tradition des Bankings mit innovativen Angeboten zu ergänzen. Dazu gehören auf der einen Seite Dienstleistungen wie Verfügbarkeit, Schnelligkeit, Erfahrung und Finanz-Know-how. Auf der anderen Seite sind konkrete Fertigkeiten im Bereichen Social Media gefragt, um interessante Angebote zu offerieren und einen Dialog mit den Kunden aufzubauen. Es ist eine ganzheitliche Betrachtung der Kundenkommunikation vonnöten. In der Praxis zeigt sich, dass ein beständiges Lernen notwendig ist und eine Betreuung rund um die Uhr erforderlich sein kann. Kunden sind weltweit und in anderen Zeitzonen unterwegs und möchten manchmal ein Problem rasch lösen können.
Der Bankkunde wird also zum Global Citizen?
Ja, der Kunde kommt nicht mehr so oft bei der Bankfiliale vorbei. Der Grund liegt in der Veränderung des Kunden selbst. Er ist meist nicht mehr nur lokal verankert, sondern zu einem Weltbürger, einem Global Citizen geworden. Er identifiziert sich durch seine Zugehörigkeit zu einer aufstrebenden Weltgemeinschaft und trägt mit seinem Handeln dazu bei, die Werte und Praktiken dieser Gemeinschaft aufzubauen. Diese wachsende globale Identität wird zu einem grossen Teil durch die Kräfte moderner Informations-, Kommunikations- und Verkehrstechnologien ermöglicht. Weltbürger haben die Fähigkeit, mit dem Rest der Welt in Verbindung zu treten - durch das Internet, durch die Teilnahme an der globalen Wirtschaft oder durch die Leichtigkeit, mit der sie reisen und andere Teile der Welt besuchen können.
Als Ergebnis des Lebens in einer globalisierten Welt kaufen oder mieten diese Weltbürger ihre Immobilien auf der ganzen Welt. Ihre Kinder gehen überall selbstverständlich ins Internat und die medizinische Vorsorge muss auch im Ausland gewährleistet sein. Weltbürger haben oft einen hohen Anteil ihrer Anlagen in illiquide Vermögenswerte wie Kunst, Jachten und Immobilien angelegt. Geschäftliche Aktivitäten oder Firmenfusionen verlassen die nationalen Grenzen, was zu komplexen Steuerverhältnissen führt.
So muss der Berater also zum Global Banker werden?
Ja, weil die grösste Herausforderung heute in der globalen Art zu leben besteht. Nur ein Global Banker kann die Bedürfnisse der Kunden verstehen, darauf eingehen und Lösungen erarbeiten, für die ihm interne und externe Spezialisten zur Seite stehen. Den Kunden vor Ort besuchen, die Einbindung in Lösungen von Corporate- und Family Governance und manchmal einfach mit freundschaftlichen Rat zur Seite stehen, sind nur einige Aufgaben, welche Banker heute zu bewerkstelligen haben. Der Bankberater ist wieder Berater des Kunden, nicht nur der Repräsentant eines Finanzinstituts.
Zum Schluss noch: Was heisst das für die Anbieter von Anlagefonds?
Die gut ausgebildeten Millennials werden sich stärker an ETFs bedienen und ihr Geld pragmatisch anlegen. Anbieter von aktiv und passiv gemanagten Anlagefonds müssen die neue Generation mit Leistung und kostengünstigen Lösungen überzeugen können und die Banken müssen Zugang zu den Lösungen «per Knopfdruck» sicherstellen.
Michael Welti ist Managing Director und Leiter der Niederlassung von REYL & CIE AG in Zürich. Er ist verantwortlich für die Betreuung und Entwicklung von Kunden aus der Schweiz, aus Europa sowie den osteuropäischen Staaten / GUS-Staaten. Er begann seine berufliche Laufbahn 1989 bei der UBS in Zürich, wo er bis 1996 als Kundenberater tätig war. Anschliessend wechselte er ins Private Banking der Westdeutschen Landesbank und betreute dort schwerpunktmässig deutsche Kunden. 1999 ist er zu ABN Amro Private Banking gestossen. Während dieser Zeit war er für angelsächsischen Kunden, den deutschen Markt, Mittel- und Osteuropa sowie Zentralasien zuständig und Mitglied der Geschäftsleitung in Zürich. Zu seinen Aufgaben gehörte auch die Leitung und Reorganisation mehrerer Private-Banking-Teams innerhalb der Gruppe. Mit der Übernahme der ABN Amro Schweiz durch die Schweizer Privatbank UBP im Jahr 2011 wurde er Mitglied der Geschäftsleitung der UBP Zürich und leitete weiter dieselben Regionen im Private Banking. Michael Welti kam 2014 zu REYL & Cie. Er besitzt einen Abschluss in Betriebswirtschaft (Höhere Fachschule für Wirtschaft, 1998) und absolvierte ein Executive Management Program (Swiss Banking School, 2003) sowie ein Advanced Executive Program (Swiss Banking School, 2008).