Mit alternativen Risikoprämien zum Erfolg

28.04.2017
Herr Castrovillari, Neuberger Berman hat vor kurzem den «Multi Asset Risk Premia Fund» in einem UCITS-Format aufgelegt. Welche Arten von Risikoprämien berücksichtigen Sie in Ihrer Strategie und welchen Research-Prozess wenden Sie an?
Das erhöhte Interesse, in Risikoprämien zu investieren, hat die Anzahl potenzieller Risikoprämien, zu denen der Anleger Zugang erhält, um ein Vielfaches gesteigert. Die grössten damit verbundenen Herausforderungen liegen in der Beantwortung folgender Fragen: Wie lassen sich unattraktive bzw. nicht nachhaltige Risikoprämien vermeiden, und wie kann man attraktive Risikoprämien so kombinieren, dass sie in einem breiten Portfoliokontext von Nutzen sind?
Wir glauben, dass Investitionen in Risikoprämien günstig, effizient und für alle Anleger zugänglich sein sollten. Daher liegt unser Fokus auf der ausschliesslichen Implementierung weithin anerkannter Risikoprämien, das heisst solcher, die sich auf wissenschaftlich fundiertes Research stützen und auf die mittels liquider, börsennotierter Derivate zugegriffen werden kann. Dies führt uns zu Anlagen in vier Stilen von Risikoprämien und in vier Anlageklassen:
- Value - günstige Vermögenswerte schneiden besser ab als teure
- Momentum - vorherige Gewinner sind beständig in der Outperformance
- Carry - rentablere Vermögenswerte outperformen die weniger rentablen
- Liquidität - illiquide Vermögenswerte entwickeln sich besser als liquide.
Wir haben diese Stile an den Aktien-, Zins-, Devisen- und Rohstoffmärkten untersucht. Bei der Auswahl und Definition jeder Risikoprämie ist das Ziel, wissenschaftliche Eindeutigkeit zu erhalten. Daher muss jede Risikoprämie folgende Eigenschaften aufweisen: Eine Form von ökonomischer Intuition (research-fundiert, praktisch sowie theoretisch); ferner sollte die Prämie gross genug sein, um ohne exzessives Leverage ausgeschöpft zu werden, und der Zugang zu ihr sollte zu angemessenen Kosten erfolgen können, das heisst, sie sollte liquide und handelbar sein. Und schliesslich sollte jede Risikoprämie eine niedrige Korrelation aufweisen, um so Diversifizierung zu bieten und zu Rendite oder Stabilität des Portfolios beizutragen. Da wir unkorreliert zum Markt bleiben wollen, ist es wichtig, dass die Mehrheit der Prämien auf einer Long-/Short-Basis implementiert wird, um ungewolltes Anlageklassen-Beta zu entfernen.
Unser Fokus auf die ökonomische Intuition und die Maximierung der Diversifizierung über vier Stile und vier Anlageklassen hinweg ermöglicht den Aufbau eines robusten Portfolios, das nicht mit den traditionellen Märkten korreliert.
Können Sie Ihren Anlageprozess erläutern? Wie gehen Sie mit Volatilität und Verlustrisiken um?
Ziel unserer Multi-Asset-Risikoprämienstrategie ist, unseren Kunden ein liquides, transparentes und kosteneffizientes Portfolio anzubieten, das sowohl attraktive Renditen erzielt als auch das Gesamtverlustrisiko des Portfolios verringert. Daher ist die Grundlage unseres Anlageprozesses risikobasiert. Dies ermöglicht uns den Aufbau eines Portfolios, das eine tiefe Korrelation zu Risikoaktiva unter allen Marktbedingungen aufweist, auch in risikoarmen Phasen. Das heisst die Diversifizierung erhöht sich, wenn der Kunde dies am meisten benötigt.
Dazu verwenden wir einen dreistufigen Anlageprozess, beginnend mit der (1) bereits erörterten Prämienauswahl, das heisst mit der Auswahl der attraktivsten Prämien auf der Grundlage unserer Kriterien für ökonomische Intuition, Umfang, Liquidität und Diversifizierung. Darauf folgt (2) der Portfolioaufbau, das heisst die Kombination der einzelnen Prämien unter Berücksichtigung einer fest definierten Risikostreuung, und schliesslich die (3) Implementierung mithilfe von transparenten und vordefinierten Indizes, die monatlich angepasst werden. Unsere Prozesskonstruktion ist systematisch, robust und transparent.
Der Portfolioaufbau stützt sich auf eine fest definierte Risikostreuung. Zunächst streben wir ein spezifisches Volatilitätsniveau von 5 Prozent an und bringen das Portfolio monatlich auf dieses Risikoziel zurück. Für eine grösstmögliche Diversifizierung im Portfolio allozieren wir zunächst alle vier Risikoprämienstile gleichmässig - das heisst 25 Prozent Risiko je Stil - und anschliessend einzeln nach Anlageklasse. Aus diesem Grund erzielen wir den grösstmöglichen Diversifizierungsvorteil auf Stilebene anstatt auf Ebene der Anlageklasse. Da wir Risikogewichtungen vornehmen, erhalten Risikoprämien mit höherer Volatilität, zum Beispiel Momentum-Prämien, eine niedrigere Portfoliogewichtung und Strategien mit grösseren Diversifizierungsvorteilen, beispielsweise niedrige Volatilität oder niedrige Korrelationen, eine höhere Gewichtung (zum Beispiel Value oder Liquidität). Darüber hinaus ist der Portfolioaufbau dynamisch. An den monatlichen Anpassungsstichtagen berechnen wir unser erwartetes Risiko und die erwartete Korrelation je Risikoprämie neu unter Anwendung unseres selbstentwickelten Risikomodells, das auf dem preisgekrönten Research der NB Quantitative Investment Group basiert.
Wir glauben an volle Transparenz und sind keine «Black Box». Daher wird jede Risikoprämie über einen Index implementiert. Das bedeutet, dass die vollständige Methodik und alle Regeln zur Anpassung zuvor festgelegt und dem Anleger zur Überprüfung zur Verfügung gestellt werden.
Wir glauben, dass das Gesamtergebnis ein transparentes, dynamisches und robustes Portfolio ist, das in der Lage ist, bei einem Volatilitätsziel von 5 Prozent pro Jahr wirklich unkorrelierte Renditen für den Anleger zu erzielen. Dank der definierten Risikoallokation und der Diversifizierung in der Strategie insgesamt liegt die maximale Standardabweichung bisher bei etwa 5 Prozent.
Beabsichtigen Sie, mit dieser Art von Produkt mit Hedgefonds zu konkurrieren?
Wir wollen dem Anleger attraktive und unkorrelierte absolute Renditen bei einer Zielvolatilität von 5 Prozent bieten. Daher sollte die Strategie für jeden Anleger attraktiv sein, der nach einer Diversifizierung seines Portfolios abseits von traditionellen Anlageklassen Ausschau hält. Die Renditen dieser traditionellen Anlageklassen werden vorwiegend durch das Aktien-, Durations- und Kreditrisiko bestimmt. Das Ziel von Investitionen in Risikoprämien ist, neue und unkorrelierte Risikoquellen in ein Portfolio einzuführen, die dem Anleger attraktive Diversifizierungseigenschaften ermöglichen.
Angesichts der Aktienmärkte, die neue Höchststände erreichen, und Zinsen, die voraussichtlich steigen werden, bleibt die Nachfrage der Anleger nach Diversifizierung unverändert sehr hoch. In der Vergangenheit haben sich die Anleger Hedgefonds zugewandt, die diese Funktion in ihrem Portfolio übernommen haben. Doch die Sorgen über mässige Performance, hohe Gebühren, fehlende Liquidität und Transparenz oder regulatorische Vorgaben führten dazu, dass viele Anleger Investitionen in Risikoprämien als Alternative oder Ergänzung zu ihren Hedgefonds-Portfolios betrachteten.
Unserem Erachten nach sind Risikoprämien eine sehr gute Ergänzung zu Anlagen in Hedgefonds. Auch wenn die Risiko-Rendite-Eigenschaften (niedrige Volatilität, niedrige Korrelation) ähnlich sind, ist die Korrelation zwischen Hedgefonds-Indizes und unserer Risikoprämienstrategie in der Regel relativ niedrig. Sorgfältig ausgewählte Hedgefonds können mithilfe kompetenter Vermögensverwalter nach wie vor attraktives Alpha generieren - Alpha durch eigene Wertpapierauswahl oder Market-Timing-Alpha - doch muss es mittels einer Vorabschätzung und unter Berücksichtigung angemessener Gebühren berechnet werden. Anlagen in Risikoprämien können dies komplementieren, denn sie bieten ein ähnliches Renditeprofil und können gleichzeitig die Liquidität verbessern und die Gesamtgebühren verringern, solange ein systematischer und transparenter Prozess angewendet wird.
Besteht vor dem Hintergrund, dass viele Vermögensverwalter alternative Risikoprämien ins Visier nehmen, das Risiko, dass die Prämien selbst niedriger werden oder sogar ausbleiben?
Trotz des wachsenden Interesses stehen Anlagen in alternative Risikoprämien noch immer relativ am Anfang. Die Schätzungen bezüglich des in sie investierten Kapitals belaufen sich auf 240 Mrd. US-Dollar. Dem gegenüber stehen insgesamt 2,9 Billionen US-Dollar in Hedgefonds. Darüber hinaus besteht angesichts der Tatsache, dass die Definition und Implementierung von Risikoprämien bei Vermögensverwaltern und Anbietern unterschiedlich ausfallen, eine Diversifizierung der Faktoren, die jeder Vermögensverwalter auszunutzen versucht.
Zusätzlich liegt unser Fokus wie gesagt auf wissenschaftlich geprüften Risikoprämien, die eine ökonomische Intuition für künftige Beständigkeit aufweisen. Darum sind wir zuversichtlich, dass diese Prämien nicht mittels erhöhten Kapitals durch Arbitrage ausgeglichen werden. Denn sie sind der Lohn für eine systematische Risikobereitschaft, was im Gegensatz zu einer Handelsmöglichkeit oder Marktanomalie steht, die sich vielleicht im Rückvergleich sehen lassen kann, nicht aber in Zukunft.
Alle diese Faktoren stimmen uns zuversichtlich für die Anlagemöglichkeiten und die Effizienz unserer zukunftsweisenden Strategie und dafür, dass alternative Risikoprämien nur ein niedriges Risiko bergen, durch Arbitrage ausgeglichen zu werden.
Fabio Castrovillari stiess 1997 als Managing Director und Head of Neuberger Berman Switzerland zum Unternehmen. Er ist verantwortlich für die Betreuung institutioneller Kunden. Frühere Station war Lehman Brothers Zürich, wo er als Managing Director ein Multi Asset Class Sales Team (Fixed Income Securities und alternative Investitionsfonds) leitete. Zuvor war er sieben Jahre lang für UBS (New York, Zürich und Genf) im Vertrieb von Fixed-Income-Strategien tätig.