«Nach Beendigung der Spannungen werden die Märkte positiv reagieren»

14.08.2014
Herr Bohn, was sagen Ihre technischen Handelssysteme, antizipieren die Märkte schon eine Zinswende?
Unsere technisch quantitative Analyse ist derzeit «long» für die USA, für Japan, China, die Industrie- und Schwellenländer und einige Rohstoffe. Die grossen europäischen Aktienindizes sind jedoch «short» und die Rentenmärkte seit langem «long». Ab Frühjahr 2015 wird die US-Notenbank zum ersten Mal seit Ende Juni 2004 – also nach fast elf Jahren – ihren Leitzins anheben. 10-jährige deutsche Staatsanleihen rentieren mit 1 Prozent p.a., ein Rekordtief, dies bei einer Umlaufrendite von 0,58 Prozent p.a. (Laufzeitenmix). Für Südeuropa ist noch massive Unterstützung nötig, sodass der Zins weiterhin niedrig bleibt. Insofern ist der Einfluss der Zinsen auf die Aktienkurse marginal.
Die geopolitischen Ereignisse belasten immer stärker die Börsen. Teilen Sie diese Einschätzung?
Die Spannungen zwischen Russland und Kontinentaleuropa sind sehr ernst zu nehmen. Die nun begonnenen Sanktionen auf beiden Seiten beeinflussen verschiedene Branchen und werden zu wirtschaftlichen Einbussen führen, deren Umfang noch nicht absehbar ist. Militärische Drohgebärden seitens Russlands heizen die Situation an. Schwierige Situationen im Iran und Irak kommen noch hinzu. Andererseits ist es die Erfahrung, dass nach Beendigung der Spannungen die Märkte umgehend positiv reagieren.
Die Kurse sind in den letzten Tagen spürbar gefallen. Sind Nachkäufe oder Neukäufe schon angezeigt oder können Anleger noch zuwarten?
Nach rund 25-monatiger Dauerhausse an den Aktienmärkten hat in den vergangenen vier Wochen besonders der deutsche Aktienmarkt ungewohnt heftige Einbussen von fast 10 Prozent erlitten. Der DAX, der vor vier Wochen noch über der 10.000-Punkte-Marke notierte, liegt nun bei 9.165. Auch andere Aktienmärkte fielen zurück. Die klassischen Bewertungen der Aktien liegen wieder näher an ihren langfristigen Durchschnittswerten, wobei die Unternehmen zuvor bei Rekordindexständen nicht übermässig teuer waren. Aktien bieten jetzt, da die Ertragsperspektiven an den Rentenmärkten mangels Rendite noch geringer geworden sind, wieder eine günstige Einstiegsgelegenheit.
Welches sind Ihre Favoritenmärkte?
Meine Favoriten siehe unter Punkt 1.
Was ist Ihre Meinung zu Gold?
Das ertragslose Krisenedelmetall reagiert kaum mehr auf Krisen. Wir sind nicht investiert.
Haben Sie sonst noch einen Tipp für unsere Leser?
Ja, gerne. Es gibt einen ETF, der nach Value-Kriterien in Aktien investiert, dies nach dem Ansatz der Investmentlegende Warren Buffett. Basis sind grosse Aktien in Europa. Es ist der iShares Euro Total Market Value Large UCITS ETF (WKN: A0HG2N). Das Motto lautet: «Ein Kontinent erwacht.» Mein zweiter Tipp: Der Investmentfonds JPM Africa Equity Fund A (ACC) - Euro (WKN: A0NH57), der ausgezeichnet wurde von Morningstar mit vier Sternen und von Lipper Höchstnoten bekam. Das sind hervorragende Bewertungen. Natürlich muss jeder Anleger vor einem eventuellen Kauf seine Risikomöglichkeiten beachten.
Jörg Bohn ist Chefstratege und Vorstand der ARTUS Asset Management AG. Er hat langjährige internationale Erfahrung im Asset Management und auch als Mitglied in Anlageausschüssen von Investmentfonds, seit über zehn Jahren mit technisch-quantitativen Ansätzen.